Musiker möchten gerne den eigenen unverkennbaren Sound, Fotografen eine eigene Bildsprache. Um ehrlich zu sein, weiss ich gar nicht was genau Bildsprache eigentlich bedeutet. Ich habe mir noch nie darüber Gedanken gemacht. Aber ich denke mal, dass es sowas ist wie “ein typisches Bild von XY”. Woran erkennt man das? Ich würde mal sagen es ist der Bildaufbau, die Vorliebe für bestimmte Blickwinkel, Farben, Licht, Kontraste, Schwarz/Weiß-Bearbeitung aber natürlich auch die Bildideen, bzw. deren Interpretation. Ich habe mich immer wenig mit dem künstlerischen Aspekt der Fotografie beschäftigt und auch wenig gezielt auf eine bestimmte Bildsprache hin gearbeitet. Vielmehr habe ich meistens meinem eigenen Geschmack vertraut. Ich kann technische Aspekte sehr gut beschreiben, aber warum ich bei einem Bild einen bestimmten Blickwinkel gewählt habe, fällt mir schwer zu sagen. Das ist auch der Grund, warum ich mich vor der Beurteilung anderer Bilder scheue. Ich weiss manchmal selbst nicht so genau, warum ich ein Bild gut finde oder nicht. Es ist einfach so, gut oder schlecht, ein Gefühl.
Dennoch kommt es vor, dass jemand behauptet ein Bild sei typisch für mich und man würde erkennen, dass es von mir ist. Das ist mit das größte Lob, was ich mir vorstellen kann. Gibt es da so etwas wie eine eigene Bildsprache? Das würde ich von mir selbst nicht behaupten, aber es gibt zumindest gewisse Vorlieben. Wenn es diesen typischen Stil geben sollte, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass er stark durch mein Gefühl getrieben ist. Ich versuche es zu vermeiden mir zu viel Arbeiten anderer Fotografen anzuschauen. Zu gross finde ich die Gefahr mich dadurch beeinflussen zu lassen. Gerade heute im Workshop hatten wir die Diskussion der momentan “modernen” Bilder auf denen den Leuten voll auf die Zwölf geblitzt wird. Das ist so ein Phänomen, dem ich noch nicht so recht folgen kann. Meistens sind die Bilder in erster Linie durch das Motiv und Model interessant, aber fotografisch eher schlecht. Nun kommt es stark darauf an, wer dieses Bild gemacht hat. Einem namhaften Fotograf unterstellt man Ahnung und der wird schon wissen was gut ist und was nicht. Grosser Fotograf, Bild mag ich nicht … egal, dann finde ich es trotzdem gut und mache jetzt auch solche Bilder. Der wird’s schon wissen. Nehmen wir mal Terry Richardson. Die Bilder sind kult. Aber in erster Linie, weil er kultige Menschen fotografiert und zwischen ihm und den Modellen oft eine spezielle Beziehung besteht. Das heisst nicht, dass man selbst auch kultige Bilder macht, weil man dem Model frontal ins Gesicht blitzt. Dennoch hat Terry eine eigene Bildsprache und man erkennt seine Bilder sofort. Bei ihm ist das cool.
Im Laufe der fotografischen Entwicklung hat man so seine Phasen. Zu Beginn schaut man oft, was andere Fotografen treiben. Das fotografiert man dann nach. Das ist die Phase wo man denkt, dass ein Lichtsetup eine Bildidee ist. Man ist ganz glücklich, wenn man es halbwegs hinbekommen hat eine Kopie des Bildstils zu erzeugen. Das ist absolut ok und teil des Lernprozesses. Eine eigene Bildsprache ist das aber nicht. Man hört auch oft von dem sog. Ripke-Licht. Paul Ripke verwendet häufig grosse Parabolschirme für seine Portraits. Daraus macht er auch kein Geheimnis und mit ein klein wenig Recherche ist es jedem Fotografen möglich genau das Lichtsetup von Ripke nachzustellen. Werden es deshalb Ripke-Bilder? Wohl kaum. Am schlimmsten ist es, wenn als Kommentar zu einem Bild kommt: “das sieht nach Ripke-Licht aus”. Das stellt den Fotografen nicht unbedingt als kreativen Überflieger dar und ist mehr ein Lob für den Paul. Dennoch sind diese Phasen wichtig, denn ich muss mir ja irgendwie ein solides Fundament an Fotowissen aneignen. Da bleibt mir anfangs nicht viel übrig als erst einmal das nachzumachen, was andere vormachen.
Spannend wird es, wenn man beginnt sich von seinen Vorbildern zu emanzipieren. Man schaut nicht mehr, was die Idole machen, sondern macht einfach sein eigenes Ding. Die technischen Grundlagen sind vorhanden und werden nun in einen Topf geworfen und ordentlich durchgerührt. Im Idealfall kommt etwas dabei heraus, was in keinem Kochbuch zu finden ist oder sogar an andere Stelle als “falsch” tituliert wird. Aber was heisst schon “falsch” in der Fotografie? Das ist für mich der Grundstein zur eigenen Bildsprache. Man beginnt seinem eigenen Gefühl zu vertrauen, sich ein Bild anzuschauen und mag es. Man stellt nicht die Frage, ob es dem Vorbild entspricht oder ob es einer Konvention genügt. Alle Bilder, die einer Konvention entsprechen sind wie Kartoffelsalat aus “Kochen für Dummies”. Man hat laut Kochbuch alles richtig gemacht, es schmeckt auch, aber halt so wie die tausend anderen Kartoffelsalate. Das ist solides Wissen, um die Gäste auf Vattis vierzigstem Geburtstag mit Bockwurst und Kartoffelsalat satt zu bekommen, berühmt wird man damit aber nicht. Berühmt wird derjenige, der eine bekloppte Idee hat, von der andere sagen “das kannst Du doch nicht machen” und es trotzdem macht. Solange niemand zu Schaden kommt, sollte man experimentieren was das Zeugt hält. Ein schlechtes Foto bringt niemanden um, beim Kartoffelsalat bin ich mir da nicht so sicher.
Das wichtigste Element zur eigenen Bildsprache ist für mich mein Gefühl und vor allem das Vertrauen in mein Gefühl. Oft werde ich gefragt, ob ein Foto gut ist. Ich frage dann zurück: “findest Du es gut?”. Meist ist hier Unsicherheit im Spiel, da man vermeintlich nicht in der Lage ist, ein Bild als gut oder schlecht zu beurteilen. Das wiederum ist auch ganz normal, denn bevor man sich emanzipiert und sagt “leck mich, das ist so gewollt und mir gefällt es” muss man erst einmal die Grundlagen beherrschen. Da fällt mir der oft zitierte Spruch ein: “man muss die Regeln kennen, um sie zu brechen”. Ich schaue mir oft meine Bilder ein zweites mal an. Manchmal gab es im Internet Feedback dazu und ich untersuche sie darauf hin noch einmal. Habe ich etwas nicht gesehen? Da war dieses Bild von Aki, extremer Kontrast und die hälfte vollkommen abgesoffen. Das würde jeden Drucker eine komplette Patrone Schwarz kosten. “Zu Dunkel” war der Kommentar. Ich schaute noch einmal hin. Ja, es ist dunkel, RICHTIG dunkel. Ich bin ein Freund extremer Kontraste und wie ihr wisst gehören Abgesoffen und Ausgefressen zum erweiterten Paddy-Farbraum. Ist das eine eigene Bildsprache? Ich denke nicht, denn hoher Kontrast alleine reicht dazu nicht. Aber ich weiss, dass das ein wesentliches Element meiner Bilder ist. Spätestens wenn Kritik an den Bildern an einem selbst abprallt, ist man auf dem richtigen Weg. Es gibt kein Bild, das jedem gefällt. Hat man aber so viel Vertrauen zu sagen “ich mach es trotzdem so”, ist man meiner Meinung nach der eigenen Bildsprache ein Stückchen näher.
Meiner Meinung nach wird viel zu viel diskutiert über das richtig oder falsch.
Das gibt, wie du schon gesagt hast, nicht.
Ich möchte behaupten das ich deine Bilder auch als deine erkenne und jedes feiere.
Leider, oder auch nicht (!?) habe ich meinen Stil noch nicht gefunden. Dafür gibt es für mich noch vieles zu probieren bevor ich mich “entscheide”.
Aber ehrlich habe ich mir noch keine wirklichen Gedanken darüber gemacht.
Ist mir auch egal ! Ich hab Spaß dabei ! 😉
Sehr schön auf den Punkt gebracht. Dem kann man eigentlich nix weiter hinzufügen. Vielen Dank.
Und ein sehr gutes Argument, das mit dem Kartoffelsalat 🙂
Es wird in der Tat ein riesen Bohei um Richtig oder Falsch gemacht. Ich habe genau wie Du schreibst auch sehr lange den Stil anderer Fotografen analysiert und nachgestellt. Dabei lernt man jede Menge. Doch irgendwann vor zwei Jahren (nach Bestimmt 10 Jahren Kopieren) hat es bei mir Klick gemacht und ich habe mich frei machen können. Es gibt nichts schöneres als den Balast über Bord werfen zu können aber trotzdem das Handwerkszeug für verschiedene Situationen dabei zu haben. Ich würde diesen Zustand fast als intuitives Arbeiten bezeichnen, was aber nicht meint, dass man sich keine Gedanken/Planungen im Vorfeld macht.
Also es gibt schon Kriterien für “gute” Bilder. Einige sind universell, einige wechseln je nach Mode.
Aber…wie du so richtig schreibst, soll das den Künstler selbst nicht zu sehr beschäftigen. Wenn man sein Handwerk beherrscht, soll man einfach in die Richtung gehen, in der man sich selbst wohlfühlt und das Reden darüber den anderen überlassen ????
Doof wird es nur, wenn man beruflich “Anderer sein” gelernt hat (also z.B. Kunsthistorikerin ist) und gleichzeitig einen Weg zum eigenen Stil sucht ????????
Aber das ist jetzt eine andere Geschichte…
Interessanter Artikel, der viel von meiner persönlichen Erfahrung bestätigt. Oft kann ich nicht sagen, warum ich etwas genau so fotografiere. Man sollte schon wissen, was man tut, wenn man auf den Auslöser drückt. Aber Gefühl muss auch dabei sein, und eigenes Empfinden für Ästhetik.
Herzliche Grüße
Alice
Ich bin der Meinung, dass der eigene Bildstil automatisch kommt, wenn man aufhört zu experimentieren und sein Ding für eine längere Zeit durchzieht. Ich denke auch, dass der eigene Bildstil viel mit Bearbeitung zu tun hat und nicht zwingend mit Aufnahmetechnik. Natürlich kommt es auf das Genre an. In der Streetfotografie ist wohl so, dass die Motivwahl, die Bildgestaltung und die Bearbeitung zum eigenen Stil führen. Sobald man die erwähnten Phasen durchlebt hat, kann es losgehen mit dem eigenen Stil. Den kann man auch nicht erzwingen, der kommt einfach, weil man lange gut und viele Fotos auf die gleiche Weise erstellt hat. Und dass man das nicht erklären kann, ist auch nicht wichtig. Denn könnte man es, würden es andere auch nicht verstehen, weil sie ganz anders denken. Deshalb muss jeder für sich seinen eigenen Stil finden und mit nachmachen hat das wenig zu tun.
Interessant ist, dass du heute nur s/w-Bilder zeigst, wenn es um die eigene Bildsprache geht.
Du machst zwar viel in s/w, aber zeigst hier oft auch Farbe. Ist das etwa mit “Absicht” passiert? 😉
Das ist wie mit einer Flasche wein, schmecken muss er, egal ob die Flasche 5 oder 100€ kostet.
Das Bild muss gefallen, zumindest dem der es gemacht hat.
Schöner Artikel, ich für meinen Teil bin noch länger in der experimentier Phase, hab aber schon einen Stil gesehen, den ich mir definitiv mitaneignen will bzw. zwei Stile. Ich würde zum einen gern wie HUGO-V (http://www.hugovphotography.com/) fotografieren können bzw. solche Bilder machen und zum anderen gern den nostalgischen Akt von nuJolie.
Mal kucken, wann ich den Dreh raushabe ^^
Ich habe zwar erst vor kurzem deinen Newsletter abboniert, aber mit diesem Artikel zeigt sich, daß es kein Fehler war.
Selber fotografiere ich noch nicht lange und zeitbedingt leider weniger als gewollt.
Die Gedankengänge kann ich dennoch gut nachverfolgen.
Mir fällt es es auch nicht leicht, Bilder anderer zu bewerten bzw. ich mache es nicht so gern. Jeder steckt sein in dem Moment des Auslösens Beste in das Bild. Und nur weil ich das Bild anders sehe (im wahrsten Sinn des Wortes) oder einfach nicht verstanden habe, was der Fotograf transportieren wollte, ist es noch lange nicht schlecht.
Ich versuche, die Fotos möglichst oft vollständig im manuellen Modus zu fotografieren, um mich über die verschiedenen Ergebnisse in die Materie einzufinden (Vollautomatik oder Teilautomatiken nehme ich auch, nur am Rande bemerkt).
Dazu kommt, daß ich versuche, Basics wie den goldenen Schnitt oder eine richtige Belichtung hinzubekommen.
An anderen Fotografen habe ich mich bisher nicht orientiert, da aus meiner Sicht oft der Stil der Bilder ähnlich und u.U. langweilig wird. Als Inspiration hingegen finde ich manche Bilder hingegen sehr hilfreich. Ob sie deswegen besser sind als andere … ich weiß es nicht 😉
Du sprichst mir aber sowas von aus der Seele 🙂 Wobei ich behaupte, dass ich mich maximal AUF DEM WEG zur eigenen Bildsprache befinde, dh. ich feile noch daran und entwickele mich (hoffentlich) diesbezüglich noch weiter.
Aus dem Grund habe ich mich vor ein paar Jahren schon von einer großen deutschen Community zurück gezogen. Mich hat es einfach total angenervt, dass man jenseits der Regeln der Fotografie dort keinen Blumenstrauß gewinnen konnte. Ich habe gespürt, dass ich mich zu sehr in diesen Regeln einengen ließ und die Natürlichkeit und das Gefühl aus meinen Bildern wich.
Ich weiß, dass meine Bilder oft zu hell sind, aber mir ist es egal. Die gehören dann so 🙂 Bei schwarz-weiß saufen meine Tiefen regelmäßig ab. So what!?
Was meine eigene Bildsprache ist wusste ich lange nicht, bis ich gehäuft ähnliches Feedback von meinen Kunden erhielt.. Meine Bilder würden sich in diesen und jenen Punkten von den Bildern anderer Fotografen unterscheiden. Ich bin immer noch ganz happy, wenn ich solches Feedback erhalte. Die eigenen Bilder diesbezüglich zu beurteilen finde ich nach wie vor sehr schwer. Bei mir gibt es “mag ich” oder “mag ich nicht”. Einen anderen Fotografenstil zu kopieren, den ich eigentlich nicht mag, geht bei mir ohnehin in die Hose. Entweder ich mag was ich tue, ansonsten mache ich es halbherzig.
Es ist jedoch nach wie vor so, dass ich mir Anregungen hole bei Fotografen, deren Bilder ich mag, irgendwie machen wir das doch alle. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Stilrichtungen und die Bildsprachen meiner Lieblingsfotografen doch irgendwie auseinander gehen. Ich wundere mich selbst darüber. Eins zu Eins baue ich jedoch kein Bild nach (glaube ich), irgendwie fließen dann immer noch die eigenen Ideen mit hinein. Deine Beschreibung mit den Kochbüchern ist auch sehr gut. Ich picke mir aus jedem Rezept meine Lieblingszutaten heraus und was dann am Ende herauskommt ist eben mein Bild. Nicht immer perfekt… Wobei… ich glaube, ich habe noch nicht DAS perfekte Bild gemacht.
Der Artikel gefällt mir sehr, spricht mir aus der Seele.
Leider überspringen viele Fotografen den Punkt “erst muss man die Regeln kennen und beherrschen bevor man sie brechen kann”.
Du hast jetzt einen Abonnenten mehr 😉
VG
Christian
Genau das hab ich auch aus deinem Workshop mitgenommen.
Jetzt muss ich nur noch selbst herausfinden was ICH warum gut/schön finde.
Manchmal schau ich zwei ähnliche Fotos bei denen ich mich nicht für eines entscheiden kann ne Woche später nochmal an und finde plötzlich eins wesentlich geiler als das andere kann aber nich genau sagen warum.
Aber dass ich inzwischen überhaupt eigene Fotos einfach geil finde und mir das auch nicht durch andere nicht kaputt reden lasse tut echt gut und lässt mich mehr ausprobieren auch wenn es nicht den üblichen Regeln oder Fachbuchweisheiten entspricht.
Gruß
Nikolaus