Dass ich mir mal eine Leica kaufen würde, hätte ich vor nicht all zu langer Zeit nicht gewagt zu träumen. Zwar konnte ich der Kunst der Kamerafertigung aus deutschem Hause durchaus etwas abgewinnen und den Kameras aus Wetzlar auch eine gewisse äußere Schönheit attestieren, aber aus technischer Sicht passten sie bisher einfach nicht zu meiner Fotografie. Dennoch muss ich gestehen, dass der Bildlook und die optische Qualität der Leica-Kameras mich leicht stets seufzen liessen. Was aus den Dingern heraus kommt ist schon lecker. Der Preis, den man dafür bezahlen musste, war aber einfach zu hoch. Ich konnte und wollte mir die verdammten Dinger nicht leisten.
Der Kauf der Leica Q war eine Impulsivhandlung. Irgendwann schoß es mir in den Kopf. Du musst jetzt eine Q haben. Jeder, der nun die Frage stellt, wozu man die braucht, sollte sofort aufhören weiter zu lesen. Ich hatte irgendwie das Gefühl mich selbst belohnen zu wollen. Das New York Projekt war abgeschlossen und die Verkaufszahlen erlaubten diese finanzielle Entgleisung. Aber Leute, jetzt mal ehrlich, so teuer ist das gar nicht. Normalerweise bekommt man für den Preis der Q weder Body noch Optik von Leica. Es war an der Zeit einen roten Punkt auf der Kamera zu tragen.
Ich möchte mit einer etwas nüchternen und gespielt distanzierter Betrachtung beginnen. Die Leica Q ist augenscheinlich nicht konkurrenzfähig. Zwar besitzt sie einen exzellenten Sensor im Kleinbildformat mit 24 MP, aber dann wurde ein 28 mm f/1.7 Objektiv fest an den Body geschweisst. Keine Chance zu wechseln. Hallo? 28 mm? Was soll das denn? Weder Fisch noch Fleisch. Aber 28 mm ist die Brennweite, mit der tagtäglich die meisten Fotos auf dieser Welt geschossen werden. Sie entspricht der Brennweite vom iPhone. OK, man kann durchaus über die Qualität dieser hohen Anzahl an 28 mm-Fotos streiten, aber es haben sich auch genug Leute der iPhone-Fotografie verschrieben, die herausragende Fotos damit produzieren. Ist die Leica Q also ein besseres iPhone?
Die Funktionsvielfalt der Leica Q muss sich hinter jeder anderen modernen Kamera verstecken. Selten habe ich so ein übersichtliches und kurzes Menü gesehen. Auch an Knöpfen mangelt es. Auf den genauen Funktionsumfang möchte ich nicht eingehen, denn der ist in vielen anderen Testberichten hervorragend beschrieben (siehe auch Link am Ende des Atikels). Bei der Leica Q hat man das Gefühl, man müsse Belichtungszeit, Blende und ISO noch von Hand einstellen. Na klar gibt es Automatiken. Aber es gibt halt kein Programmwahlrad, wie bei jeder anderen Wald- und Wiesenkamera. Die Leica Q bringt zwar viel Automatik mit, suggeriert aber nicht, dass man sie auch alle benutzen muss.
Die Q ist mit ihren knapp 4.000,- € die günstigste aktuelle Leica mit Kleinbildformatsensor. Dennoch ist sie teurer als vergleichbare Geräte von anderen Herstellern. Leica hat dafür einiges an (für Leica-Verhältnisse) abgefahrenem Schnickschnack eingebaut. So kommt die Q mit einem Autofokus, Touchscreen und Wifi daher. Ich kann Euer müdes Lächeln sehen.
Machen wir es kurz. Nüchtern betrachtet ist die Leica Q eine Schwachsinnskamera, die man wirklich nicht braucht, wenn man ein kühler Rechner ist, für den die Kamera lediglich einen austauschbaren Erfüllungsgehilfen darstellt.
Macht nun Platz für etwas Emotionen im Theater der Kameras. Eine Kamera, wie die Q kauft man nur, wenn man etwas für Kameras und Kameratechnik übrig hat und ein Mindestmaß an Emotionen in den Kauf steckt. Nein, es muss etwas viel Emotion sein, um angesichts des Kaufpreises nicht einen Heulkrampf zu bekommen. Was macht dieses kleine schwarze Ding so begehrenswert?
Nimmt man die Q in die Hand, so zucken die Mundwinkel langsam nach oben. Dieses blockförmige Gebilde liegt nicht nur sehr gut in der Hand, es schmeichelt dieser auch sehr. Statt sich die Hände einzucremen, kann man auch einfach mal die Q für einige Minuten in die Hand nehmen. Die geringe Anzahl an Bedienelementen hat etwas erfrischend minimalistisches. Die Blende stelle ich klassisch am Blendenring ein, der Zeit wurde ein eigenes Rädchen spendiert, welches auch nur in ganzen Blendenschritten von 1s bis 1/2000s reicht. Möchte man Drittelschritte verwenden, so kommt das zweite Rädchen zum Einsatz, welches sich mit dem Daumen sehr gut bedienen lässt. Dann darf dank des elektronischen Verschlusses mit bis zu 1/16000 s fotografiert werden. Wer das für unnötig hält, dem sei gesagt, dass man bei f/1.7, ISO 100 und Sonnenschein durchaus in die Verlegenheit kommt. Die Gehäuseform orientiert sich an dem Brick-Design der M-Serie, allerdings ist es deutlich kleiner und somit liegt mir die Q besser in der Hand als eine M. Die kleine Mulde für den Daumen macht hier durchaus Sinn und erhöht den Bedienkomfort.
Das 28 mm f/1.7 Summilux Objektiv ist von der Abbildungsqualität Hammer. Von Leica ist man zwar technischen Minimalismus gewohnt, aber bei der optischen Qualität macht man in Wetzlar keine Kompromisse. Auch bei de Q nicht. Die Bilder sind bereits bei f/1.7 rasiermesserscharf. Das Objektiv besitzt eine Makrostellung, bei der dann allerdings f/2.8 als grösste Blende zur Verfügung stehen. Im Makrobereich kein Beinbruch. Aber hier lauert eine kleine Stolperfalle. Im Makromodus kann die Kamera nicht mehr in die Ferne fokussieren. Doof, wenn die eigene Frau die Kamera in die Hand nimmt und sie aufgrund dieser Stolperfalle beinahe in den Pool wirft.
Die Leica Q besitzt einen Autofokus. Das ist der Punkt, der mich bisher bei der M-Serie am meisten gestört hat. Zwar ist der Messsucher hervorragend, um manuell scharf zu stellen, aber dennoch ist der Autofokus der technische Schnickschnack auf den ich am wenigsten verzichten möchte. Dieser ist dann auch rasend schnell. Hier macht sich die Kooperation mit Panasonic wohl bezahlt. Der AF ist dem meiner OM-D ebenbürtig und das ist ein echter Benchmark. Da es sich um einen Kontrastautofokus handelt, lässt sich auch auf so ziemlich jeder beliebigen Stelle im Bild fokussieren. Man ist nicht auf das Zentrum beschränkt, wie bei den meisten DSLRs.
Eine Leica mit Touchscreen. Ja, wie können die denn nur? Ich finde der Touchscreen ist nicht unbedingt notwendig, ermöglicht mir aber, die Kamera in den iPhone-Modus zu schalten. Ihr habt richtig gelesen, iPhone-Modus. Dann kann ich über den Touchscreen fokussieren und es wird sofort ausgelöst. Habe ich die Spotmessung aktiviert, so misst die Belichtungsautomatik auch an der Stelle, wo man mit seinem Patschefinger einen Abdruck hinterlässt. Diese Art der Belichtungssteuerung ist durch das iPhone bei vielen Leuten gelernt. Wenn ich meine Frau sage, dass sie so die Kamera ähnlich einem iPhone bedienen kann, ist sie glücklich. Denn plötzlich funktioniert es auch mit der Leica und sie muss sich nicht mit der ungeliebten Technik rumschlagen. Man kann den Fokuspunkt alternativ auch einfach durch antippen des Bildschirms setzen. Alternativ natürlich auch mit der 4-Wegwippe. Etwas nervig finde ich, dass nicht beides geht. Man muss sich für einen Modus entscheiden.
Zur Q gehört auch eine App. Diese erlaubt die Fernsteuerung der Kamera inkl. Liveview. Ebenso lassen sich darüber auch die Bilder direkt von der Kamera runterziehen. Ein externer Anschluß für einen Fernauslöser existiert nicht mehr. Die App ist insgesamt gut gelungen und orientiert sich an den Funktionen vergleichbarer Apps von Panasonic oder Olympus. Ich persönlich mag es ja sehr gerne mal eben schnell ein Bild mit der Q zu machen und dann direkt aufs iPhone zu übertragen, um es zu versenden.
Neben dem elektronischen Verschluß besitzt die Q auch einen Zentralverschluß. Dieser erlaubt Blitzsynchronzeiten von 1/2000 s. Sehr angenehm das zu wissen, wobei ich die Kamera am liebsten ganz ohne Blitz verwende.
Am wichtigsten bei einer Kamera bleibt natürlich der Output. Die Leica Q liefert neben JPG auch RAW-Dateien im DNG-Format. Leider kann man die Kamera nicht nur auf RAW stellen, ein JPG wird immer angefertigt. Vielleicht will Leica uns damit die eigene JPG-Verarbeitung schmackhaft machen, denn die ist meiner Meinung nach extrem gut. Selten habe ich JPGs gesehen, die mich so sehr angesprochen haben. Zwar haben alle Kamerahersteller mittlerweile sehr gute Verarbeitungsengines in ihren Geräten verbaut, aber ich finde speziell die Farben aus der Q sind doch sehr gelungen. Trotz dieser Tatsache greife ich im Normalfall dann doch zum DNG. Glücklicherweise gibt es mittlerweile auch Kameraprofile für die Q in den VSCO-Presets. Auch die DNGs sind natürlich hervorragend und bieten neben einer ausgezeichneten Schärfe einen Dynamikumfang von 13 Blendenstufen, was meinen Ansprüchen mehr als genügt.
Hohe ISO-Zahlen lassen mich auch nicht zucken, bis ISO 6400 finde ich das Rauschen durchaus anschaubar. Mit etwas Vergewaltigung der Rauchreduzierung in Lightroom sind selbst Bilder mit ISO 50.000 noch durchaus brauchbar, wenngleich auch das Rauschen und verminderter Kontrast deutlich zu sehen sind. Die extremen ISO-Werte haben für mich aber nur wenig Praxisrelevanz, da ich nur selten an Orten fotografiere, wo gar kein Licht ist. Bei den Testfotos musste ich sogar die Blende schließen, um überhaupt mal mit ISO 50.000 fotografieren zu können. Um bei schlechten Lichtverhältnissen zu fotografieren, empfehle ich dann eher die Blende zu öffnen und die Verschlußzeit auszureizen.
Ein Haar in der Suppe habe ich dennoch gefunden. Die Optik des Summilux ist etwas anfällig gegen Flairs. Fotografiert man direkt in die Sonne, so gibt es eine Refelxion, die ich nicht schön finde. Auf dem folgenden Foto links neben dem Kopf des Models zu sehen.
Wo wir bei Suppe und Haaren sind. Weiteres kleines Manko ist das Einstellrädchen für den Dioptrienausgleich. Das sitzt an der Seite direkt neben dem Sucher nicht besonders gut. Auch verstellt es sich gerne mal, wenn man die Kamera in der Tasche verschwinden lässt.
Leica hat der Q einen optischen Bildstabilisator spendiert. Mit diesem ist es mir gelungen aus der Hand mit 1/15 Sekunde zu fotografieren. Durchaus eine gute Leistung, die natürlich auch der weitwinkeligen Brennweite geschuldet ist.
Eine der brennendsten Fragen dürfte die nach der Alltagstauglichkeit von 28 mm als feste Brennweite sein. Nun ja, der Vergleich mit dem iPhone ist an dieser Stelle gar nicht so verkehrt. Der Lehrmeister der Fotografie wird 28 mm als Portraitbrennweite ausschliessen. Für Landschaftsfotografie dürfte sie in vielen Fällen nicht genug Weitwinkel aufweisen. Für die Reportage könnte es wiederum etwas zu viel sein. Mit 28 mm muss man sich erst einmal arrangieren und anfreunden. Ich war überrascht, wie schnell ich jedoch damit zurecht kam. Die Brennweite erfordert sich dem Motiv zu nähern. Verstecken und aus dem Hinterhalt unbemerkt abdrücken läuft hier nicht. Die Deckung muss verlassen werden. Um intensive Portraits anzufertigen, muss man ganz nah ran. Zwar ist in dem Fall die Brennweite nicht immer schmeichelhaft, aber dafür bekommt man sehr intensive Aufnahmen. Ich liebe es mit dieser Brennweite Menschen zu fotografieren. Man sieht den Bildern an, dass der Fotograf den Atem des Models spüren konnte. Übrigens auch anders herum, also immer schön Kaugummi dabei haben.
Auch für die Reportage konnte ich mich mit 28 mm anfreunden. Im September habe ich drei Tage lang ein Event fotografiert. Einen Großteil der Bilder habe ich mit der Leica Q gemacht und muss sagen, dass ich die Bilder liebe. Auch hier ist man mittendrin und ganz nah am Geschehen. Als Vorteil empfinde ich hier, dass die Q nicht so aufdringlich daher kommt, wie eine DSLR. Dazu habe ich festgestellt, dass es sowas wie den Leica-Effekt gibt. Jeder sich ansatzweise für Fotografie interessierende der Teilnehmer dieses Events, hat mich auf die Kamera angesprochen. So kam ich auch mit zwei der Vorstände dieses Unternehmens über die Kamera ins Gespräch. Von einem mussten auch noch ein paar Portraits angefertigt werden. Man warnte mich davor, dass Herr Vorstand ganz busy ist, nie Zeit hat und gar nicht gerne fotografiert wird. Nachdem er die Q in der Hand hatte, quatschten wir am Rande des Events rund 30 Minuten und machten ein paar sehr entspannte und vorstandsunübliche Portraits. Dass der rote Punkt so eine Wirkung hat, hätte ich nicht erwartet.
Um dennoch andere Brennweiten zu simulieren, hat Leica der Q einen digitalen Bildfeldwähler spendiert. In dem Fall wird ein Rahmen im Display angezeigt, welcher einem Bildausschnitt von 35 oder 50 mm entspricht. Das JPG wird in dem Fall tatsächlich auf diese Größe beschnitten, beim RAW hingegen wird lediglich ein Beschnitt in das RAW eingebettet und die komplette Bildgrösse von 28 mm bleibt erhalten. Über die Sinnhaftigkeit dieser Funktion lässt sich streiten, mir persönlich sagt sie nicht zu. Aber evtl. hilft sie dem ein oder anderen ja doch, sich mit der festen Brennweite zu arrangieren.
Die Leica Q ist für mich ein grossartiger Kompromiss. Normalerweise sind Kompromisse etwas für Mainstream-Weicheier, aber in diesem Fall geht Leica den Kompromiss ein, auf Tradition zu verzichten und Dinge zu wagen die den Puristen abschrecken könnten. Kein Messsucher, dafür EVF, Autofokus, Touchscreen, feste Brennweite, Wifi. Aus meiner Sicht aber der richtige Weg. Denn das, was mich bisher an Leica fasziniert hat ist der Bildlook, das Design, die minimalistische Bedienung, gnadenlose optische Qualität und ein roter Punkt. All das bekomme ich und das für einen Preis, der immer noch hoch ist, aber auch ohne die Verpfändung der Schwiegermutter realisierbar bleibt.
Eine Leica Q kauft man nicht, wenn man Zahlen vergleicht und Ausstattungen in Exceltabellen gegenüber stellt. Der Kauf einer Q ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die nur einmal bei der Bezahlung nach unten rast und danach sich in Loopings windend gen Himmel steigt.
Bilder anhand von Exifdaten zu analysieren würde der Q nicht gerecht werden. Dennoch habe ich in allen Beispielbildern die Aufnahmedaten erhalten. Alle Fotos wurden von mir in Lightroom bearbeitet. Sie eignen sich also nicht dazu, um die Qualität des Outputs zu beurteilen.
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5 Gedanken zu „Leica Q Typ 116 - Hallo Neue“
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