Das Schönste an der Analogfotografie sind für mich die alten Kameras. Ich schreibe mich nicht dem digitalen oder analogen Lager zu. Beides hat was. Die Digitaltechnik macht vieles leichter und hat ihren festen Platz in meiner täglichen Arbeit. Die Analogfotografie ist mehr ein leidenschaftliches Hobby. Besonders wenn ich mir die alten Kameras angucke, dann muss ich schon mal säufzen. Hach was gibt es da doch für schöne Schätzchen.
Vor einigen Monaten konnte ich eine sehr gut erhaltene Mamiya C220 erstehen. Das ist eine analoge TLR (Twin Lens Reflex) Kamera. Wenn man oben durch den Sucher schaut, so wird das obere Objektiv benutzt, beim Auslösen dann das untere. Das Besondere an der C220 sind die Wechselobjektive. Laut dieser Seite von Günter Posch gibt es die Brennweiten 55, 80, 105, 135, 180 und 250 mm. Die meisten anderen zweiäugigen Kameras besitzen eine feste Brennweite. Gehandelt wird die C220 bei Ebay für 250-500 €, aber auch echte Schnäppchen unter 200,- € habe ich schon gesehen. Alternativ kann man auch zu der neueren Variante, der C330 greifen. Ich finde die C220 jedoch noch etwas stylischer, reine Geschmacksache. Die Objektive sind allerdings untereinander kompatibel. Schaut Euch das Schätzchen doch nur mal an, ich finde ein Schmuckstück, das danach Schreit angeguckt und angefasst zu werden. Daher steht sie auch meistens bei uns im Studio offen rum.
Die Sache mit den zwei “Augen” hat einen kleinen Nachteil, den Parallaxe-Effekt. Man sieht durch den Sucher ein etwas versetztes Bild gegenüber dem aufgenommenen Bild. Wirklich problematisch ist das aber nur im Nahbereich. Hier ein Beispiel von einem meiner ersten Filme mit der Mamiya C220. Da habe ich überhaupt nicht dran gedacht und schwups ist der Anschnitt etwas zu weit oben.
Ich habe die C220 mit dem 180 mm Objektiv bekommen, was so ca. 110 mm an Kleinbild entsprechen müsste. Für Portraits eine wunderbare Brennweite, mir dennoch manchmal etwas zu nah. Aber von der Abbildungsqualität ist das Glas unglaublich gut. Da fragt man sich doch manchmal, mit welchem Matsch man sich anfangs in der Digitalfotografie zufrieden gegeben hat. Das Fokussieren ist dabei allerdings nicht ganz so einfach. Durch die Lupe im Lichtschachtsucher geht es ganz gut, dennoch macht es die geringe Schärfentiefe schwierig genau zu treffen. Die Blende des 180mm beginnt bei f/4,5, was im Mittelformat schon zu einer sehr geringen Schärfentiefe führt. Genau den Look mag ich aber sehr gerne. Nun ja, es ist kein Drama, wenn man den Fokus minimal versemmelt, es wirkt noch scharf genug, aber fasziniert war ich doch von der Schärfe, wenn man mal richtig trifft. Beim folgenden Bild schon nahezu brutal.
Analoge Fotografie hat nichts mit geringer Qualität zu tun, im Gegenteil. Aber auch hier müssen die Optiken passen. Weniger Auswirkungen auf den Bildlook hat die Kamera selbst. Sie dient eigentlich nur als Verbindungsstück zwischen Film und Optik und stellt in erster Linie Bedienelemente zur Verfügung. Man kauft sich also eine Kamera aus den 70er Jahren und erzielt damit solche Ergebnisse. Eine Langlebigkeit, von der man auf dem Digitalmarkt nur träumen kann. Die C220 wurde 1968 veröffentlicht und bis in die frühen 1980er Jahre verkauft. Zum Vergleich: Leica hat gerade 10 Jahre digitale M gefeiert und in dem Zeitraum die Baureihen M8, M9 und M240 heraus gebracht. Dabei behaupte ich mal, dass Leica noch die längsten Produktzyklen in der Digitalfotografie hat. Bei anderen Herstellern sind Zyklen von einem Jahr keine Seltenheit.
Gefüttert wird die C220 mit 120er Rollfilm. Ich mag den Kodak Tri-X als Schwarzweißfilm sehr gerne. Der hat ISO 400, was bei f/4,5 schon sein muss und er lässt sich auch bequem um 2 Blenden pushen, wodurch er sogar noch etwas an Knack gewinnt. Zu Farbfilmen greife ich selten, wenn dann zum Kodak Portra 400.
Toll finde ich das quadratische Format. Ich hatte mal mit Thomas Leuthard darüber philosophiert, dass doch eine monochrome Digitalkamera mit quadratischem Sensor eine coole Sache wäre. Endlich ist man die lästige Frage nach Hoch- oder Querformat los. Wahrscheinlich hat Mamiya damals schon an Instagram gedacht 😉 Mit dem Format 6x6 bekommt man auf einen 120er Film 12 Aufnahmen. Nicht viel, wie man meinen könnte, aber dennoch ausreichend. Unweigerlich konzentriere ich mich bei der analogen Fotografie mehr auf die Einzelaufnahme, was die Trefferquote deutlich erhöht. Etwas Gewöhnung braucht jedoch das gespiegelte Sucherbild. Ich schwanke immer etwas hin und her, wenn ich im Kopf links und rechts vertauschen muss.
Das Korn des Tri-X gepaart mit dem Schärfeverlauf des Mittelformats hat schon was. Eine gewisse eigene Ästhetik muss man den Bildern zugestehen. Die Entwicklung eines Schwarzweiß-Films benötigt nicht viel Material und lässt sich leicht erlernen. Da ich nur wenige Filme im Monat voll mache, entwickle ich jedoch nicht selbst. Ich habe einfach keine Lust die Chemikalien und die Behälter rumstehen zu haben. Da bringe ich meine Filme lieber zu Oliver Rolf. Er hat die jahrelange Erfahrung und neben der reinen Dienstleistung schätze ich den Fotografenschnack sehr, wenn ich mal wieder etwas abliefere. Oli hat mich auch auf die Mamiya gebracht, bei ihm stand die C330 rum. Ein Besuch in seinem Labor könnte Begehrlichkeiten wecken. Ich warne also ausdrücklich davor. Wenn er seine Schubladen aufzieht und dort uralte Kontakte und Testprints der bekanntesten Fotografen der Welt hervor holt, ist man sofort geneigt ihn ein paar Stunden von der Arbeit abzuhalten. Ich will aber auch Meinfilmlab als Tipp nicht verschweigen. Die machen ebenfalls sehr gute Arbeit zu einem guten Preis.
Bekommt man so eine alte Kamera in die Finger, stellt sich vielen zunächst die Frage, wie man sie bedient. Wie legt man den Film ein? Wie fotografiert man damit? Es ist meistens ganz simple, dennoch muss man wissen wie ;-). Zum Glück gibt es tonnenweise Youtube-Videos, die das erklären. Z.B.: “How To Load Medium Format 120 Film (Mamiya C220)”.
Neben der äußeren Optik der Kamera gefällt mir vor allem die Art, wie man damit fotografiert. Man hält sie eher vor den Bauch und schaut dann von oben in den Lichtschacht. Ich finde man hat dadurch einen anderen Kontakt zum Model. Auch die Wirkung auf die Protagonisten ist eine deutlich andere, als mit einer “typischen modernen” Kamera.
Einen Belichtungsmesser hat die C220 nicht. Man kann die Belichtung schätzen, was gar nicht so schwer ist, mir aber dann in einigen Situationen doch zu ungenau. Oder man macht die Messung mit einer digitalen Kamera, was aber irgendwie auch blöd ist. Dann muss man die extra mitnehmen. Ich halte auch nichts davon das gleiche Motiv sowohl analog als auch digital zu machen. Dann fängt man immer an zu vergleichen. Die ideale Lösung ist natürlich ein Handbelichtungsmesser. Da habe ich keinen konkreten Tipp für Euch. Ich besitze seit Jahren den Sekonic L-758, der jedoch den meisten zu teuer und auch zu groß sein dürfte. Aber die Angebotspalette ist auch hier groß. Alternativ könnt Ihr auch eine App verwenden. Ich verwende Photometer für iOS und habe damit ganz akzeptable Ergebnisse erzielt.
Der Einstieg in die Analogfotografie ist nicht besonders teuer. Probiert es doch mal aus. Aber auch hier warne ich. Irgendwann ist man ständig auf Ebay unterwegs und sucht nach neuen Schmuckstücken. Sie sind einfach zu schön und möchten alle gerne zu Paddy 😉
Die Sammelleidenschaft hat mich nicht gepackt - doch so ein alaoges Filmchen mit der RZ67 II oder auch “nur” mit der Nikon F100 sind einfach etwas ganz Besonderes.
Vor allem die Polaroids mit der RZ67 liebe ich als “eigene Kunstform” incl. aller Schwächen 😉
Analog never dies
Holger
Die zweiäugigen Mamiyas sind schon tolle Dinger, den Balgen kann man ja ganz schön weit ausfahren. Ich hatte mal eine C330. Damals hatte ich das Gefühl, dass Personen sich vor dieser Kamera weniger steif verhalten. Man visiert die Gesichter ja nicht direkt an, sondern guckt in den Lichtschacht. Vielleicht bilde ich mir das aber nur ein??
Die analoge Photographie mit einer zweiäugigen Spiegelreflex im MF hat einen noch nicht erwähnten, wie ich meine, entscheidenden Vorteil. Man schaut in den Lichtschacht und sieht ein zweidimensionales Bild, genauso zweidimensional wie das spätere Endergebnis. Dies erleichtert und unterstützt die Komposition sehr.
Obwohl ich die analoge Photographie eigentlich aufgegeben habe, weil ich die Chemie-Panscherei nicht mag, sehne ich mich immer noch nach meiner Yashica 124G, meiner Mamiya 645 und meiner Mamiya RZ, zu der ich auch noch ein seltenes 6x6-Magazin habe. Sie alle schlafen z.Zt. noch im Schrank. Ich liebe zudem besonders das Quadrat! Warum gibt es eigentlich keine digitale Kamera für das Quadrat?
Sehr interessanter Bericht. Leider hat sich beim Lesen das sofort „Haben-Gefühl“ eingestellt. Hauptsache ich werde es wieder los. Übrigens auch wieder tolle Fotos. Aber die bekommst Du ja mit jeder Kamera hin.
Hallo Patrick,
ich habe die von Dir angesprochene Mamiya C330 in einer meiner Schubladen liegen, sie musste einer Hasselblad 500c/m weichen.
Ich habe die Affinität zu diesem “Schmuckstücken” jedoch nie verloren und werde, auch angeregt durch Deinen Bericht, endlich mal wieder zu ihr greifen.
Ich finde sie alledings im Vergleich zur HAsselblad doch ganz schön wuchtig und weniger gut vom Handling her. Die Größe wird auf Bildern, auf denen die TLR allein stehen, oftmals nicht deutlich…trotzdem!!!
Viele Grüße,
Sebastian
Toller Bericht. Nachdem ich nun zwei Filme auf einer Mamiya C330 ausprobieren durfte sowie mir der Unterschiede der C330 und C220 bewusst wurde, habe ich mir jetzt auch eine C220 im Internet zugelegt. Lieber Paddy, du bist nicht ganz unschuldig an der Entscheidung!!!
Ich bin gespannt, was bei mir rauskommen wird. In das Monster Mamiya RZII bin ich total verliebt, aber wem erzähl ich das… die hast du ja auch 😉
Bei einem Deiner Workshops könnte ich die Ergebnisse ausgedruckt bewundern, Schärfe und Abbildungsleistung waren fantastisch - sind solche Ergebnisse wohl auch mit einer Pentax oder Mamiya 645 zu erwarten??
Hallo Paddy,
sehr schöner Bericht.
Ich habe mir auch gerade eine Mamiya RB67 gekauft.
Eine Frage habe ich: Wo lässt du deine Negative scannen oder scannst du selbst?
Wenn ja mit welchem Scanner?
Mach bitte weiter so mit deinen Berichten und viel Spaß auf der nächsten Schiffstour.
Gruß Thomas
Moin Paddy,
wenn ich den Bericht durchlese, kommen nostalgische Erinnerungen hoch. Die analogen Zeiten waren bei mir geprägt von einer Rollei 3.5 F inkl. Rolleimarin Nachbau. Und einer Mamiya 645. Sowie einer Nion F-801s. Das Labor dazu ist noch vorhanden. Ebenso die Nikon. Es juckt mächtig in den Fingern eine Handvoll Ilford Pan-F oder FP-4 zu kaufen und wieder b/w mit der Nikon zu fotografieren.
Leider habe ich die beiden 6*6 / 4.5 * 6 Kameras verkauft. Dumm gelaufen. Na ja vielleicht finde ich mal eine C220 in der großen “Bucht”.
Gruß Friedrich
P.s. Mach weiter so mit Deinen Berichten. Die sind immer wieder spannend.
Hallo, auch ich fotografiere analog und digital. Habe mir eine MAMIYA C220 Prof. zugelegt und bin total verliebt in das Teil. Dazu habe ich den Prismenaufsatz mit TTL-Cds Beli.
Kann mir einer sagen, welche Batterien in den Prismenaufsatz kommen ?
Danke im Voraus.
LG Andreas
Meine erste Kamera war eine C220. Das war Ende der 70ziger Jahre und ich hatte mit der Kamera viel Spass. Später habe ich mich mal durch gebrauchte Mittelformatkamera von Rollei (6002, Rolleimagic) und Mamiya (RB67) getestet.
Am Ende waren dann die Kosten für Filme, Entwicklung und Digitalisierung, die mich wieder davon abgebracht haben. Ein paar billige Filme waren vielleicht auch falsch gelagert worden.
Den flachen “2D” Eindruck im Sucher habe ich jetzt endlich wieder. Jetzt habe ich Kameras von Sony mit elektronischem Sucher.
Dieser Artikel macht mir immer noch großen Spaß!! und ich habe inzwischen auch eine c220 und c330. Viel zu schwer aber die Bilder sind unübertroffen! Leider ist der gelobte Oliver Rolf inzwischen gestorben und meine Frage: ist “meinfilmlab” immer noch 1. Wahl oder gibt es inzwischen Alternativen?
Deine Begeisterung für das Äußere dieses Objekts ist nachvollziehbar!
Habe einige Mamiyas geerbt und wieder hergerichtet. Leider blockiert der Auslöser. Ich bin im Gebrauch dieser Kamera nicht geübt und musste sie erst “lesen”. Muss ich etwas besonderes beachten/einstellen um doch noch zu den inneren Werten zu gelangen? Hilfe dazu wäre schön.
Gruß
Siegfried Kretschmer