Wackelnde und zitternde Kameras bei FIlmaufnahmen nerven extrem, auch wenn die handgeführte Kamera durchaus als Stilmittel bei Serien und Filmproduktionen eingesetzt wird. Eine zu statische Kamera ist aber in vielen Fällen langweilig. Zum Glück gibt es mittlerweile halbwegs günstige Gimbal und die versprechen bei kleinem Packmaß und geringem Gewicht täglicher Begleiter von Filmemachern zu sein.
Vor rund sieben Jahren kaufte ich meinen ersten Gimbal. Einen Nebula 4000 Lite. Mannomann, war das ein cooles Teil und so schön klein dazu. Selbst der aktuelle Travel-Gimbal von DJI, der RS 3 Mini wirkt wie ein Monster gegen den Nebula 4000. Allerdings war die Tragkraft mit maximal 1 KG sehr begrenzt und von der Größe her war bei einer Panasonic GH4 Ende. Dazu gibt es auch noch ein altes Review auf Youtube von mir.
So klein und fein der Nebula auch war, so zickig war er ebenfalls. Die Justierung musste penibelst vorgenommen werden und selbst bei perfekter Tarierung hat er im Betrieb oft rumgesponnen. Ende vom Lied: Wenig benutzt. Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass damals der Autofokus der GH4 im Filmbetrieb kaum zu gebrauchen war. Was der Gimbal an Stabilität mitbrachte, machte der zitternde AF-C wieder zunichte. Man konnte nur manuell fokussieren und um nicht ständig aus dem Fokus zu laufen, musste man die Blende entsprechend schließen. Zu der Zeit war das MFT-System eigentlich ganz hilfreich, da man bei f/2.8 eine Schärfentiefe hatte, die etwa f/5.6 bei Kleinbild entspricht, die Lichtstärke aber mit f/2.8 vergleichsweise hoch ist.
2019 startete ich einen neuen Versuch mit dem DJI Ronin SC. Auch dazu gibt es ein Testvideo auf Youtube. Lange Rede, kurzer Sinn: Nach anfänglicher Begeisterung lag auch dieser Gimbal mehr in der Ecke rum, als dass er zum Einsatz kam. Auch der Ronin SC war bei der Größe der Kamera limitiert, eine Vollformatkamera vom Format einer Sony A7 eckte schnell mal an. Mittlerweile verwendete ich die Panasonic GH5, aber auch hier war der Autofokus im AF-C Modus kaum brauchbar. Ende vom Lied: Wenig benutzt und ab zu Ebay Kleinanzeigen damit.
An der Stelle war ich mit dem Thema Gimbal eigentlich durch. Die Stabilisatoren in den Kameras wurden immer besser, so dass ein Gimbal nicht mehr zwingend notwendig war, zumindest wenn man nicht zu viel mit der Kamera durch die Gegend laufen wollte. Es bewahrheitete sich auch wieder der Grundsatz, dass das beste System das ist, was man immer dabei hat und auch gerne mitnimmt.
Ein Gimbal war nie ein Problem, wenn ein Videodreh geplant war. Ich fuhr mit dem Auto hin, hatte eh viel Equipment dabei und konnte vor Ort in Ruhe aufbauen, zwischendurch den Kram ablegen, auch mal zu einem Stativ wechseln und musste vor allem das Zeug nie weit schleppen. Der Traum von einem Gimbal, den man auch auf Reisen mitnimmt, blieb ein Traum. Auf Reisen möchte ich Foto und Film machen, ich möchte in die Tasche greifen und dann mit einem Knopfdruck an der Kamera zwischen Foto- und Videomodus umschalten. Schnell mal ein Foto, eine kurze Videosequenz von wenigen Sekunden und dann weiter. Da baue ich keinen Gimbal auf, egal wie einfach er auch in der Handhabung sein mag. Die Kamera auf dem Gimbal montiert lassen ist meistens auch keine Option, denn dann passt die Kombination meistens nicht in den Rucksack und beim Fotografieren ist der Gimbal eher hinderlich.
Lange Jahre fuhr ich mehrgleisig. Prinzipiell war die GH5 ideal für Videos. Bildqualität super, Kamera und Objektive klein und viele Videofeatures. In der Fotografie war ich von Nikon Vollformat, über Olympus irgendwann bei Leica gelandet. M und Q waren aber nichts für Video. Ich liebäugelte immer mit einer Sony A7, um irgendwann mal den Traum von einem System für alles erfüllen zu können. So gut die Sonys auch sind, so wenig wurde ich damit warm. Sinnvoll wäre es gewesen alles zu verkaufen und zu 100% auf Sony Vollformat zu setzen. Aber ich war nun einmal dem Leica-Virus verfallen und beim Thema Fotografie wollte ich auf keinen Fall das System wechseln. M und Q waren genau das, was ich wollte. Vollformat, klein, tolle Bedienung und Haptik.
Wie Ihr wisst, bin ich Anfang 2022 dann zum L-Mount gewechselt. Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich mit einer SL anfreunden konnte. Der erste Eindruck bei Einführung des Systems war vernichtend. Ich hatte dann sogar die Möglichkeit die SL2 bei Einführung vorab testen zu können. Leica hatte ordentlich nachgelegt und eine wirklich tolle Kamera gebaut. Was leider blieb war ein Autofokus, der hinter der Zeit zurück war. Ich hatte nie ein Problem viel Geld für Kameras auszugeben. Aber das Zeug muss dann auch benutzt werden und darf nicht rumliegen. Die SL2 war mir einfach zum damaligen Zeitpunkt zu teuer, zudem passten mir die rund 50 Megapixel Auflösung nicht so richtig in den Kram.
Mit der SL2-S wurde das System dann langsam attraktiv. Ich hatte die Möglichkeit eine Kamera längere Zeit zu testen. Das war ein schlauer Move von Leica. Ich verliebte mich in die Kamera. Vor allem wegen der einfachen Bedienung, dem guten Rauschverhalten des 24 MP Sensors und am Ende dann wegen der Videofunktionen. Leica hatte ungemein aufgerüstet und die SL2-S mit sehr professionellen Videofeatures ausgestattet. Die Farben der Videos aus der SL2-S gehören meiner Meinung nach zu dem Besten, was man im Segment der Vollformat-Hybridkameras kaufen kann. Der Roadtrip durch die Türkei 2022 sollte die erste Reise sein, die ich komplett mit nur einer Kamera für Foto und Video machen sollte. Die Videoergebnisse haben mich später beim Schnitt begeistert. Genau das, was ich suche. Und beim Thema Foto gab es eh nichts zu meckern. Der Autofokus war mittlerweile auch deutlich verbessert worden, so dass ich bei der Fotografie nichts mehr auszusetzen hatte. Videos sind aber bis heute mit der SL2-S nicht mit Nachführautofokus möglich. Da steht der Kamera einfach die Technik des Kontrastautofokuses im Weg. Mit Sigma gibt es einen starken Partner im L-Mount System, der sehr gute und vor allem bezahlbare Objektive herstellt.
Aber wir waren ja eigentlich bei Gimbal.
Wie Ihr bestimmt mitbekommen habt, war ich im November und Dezember wieder an Bord eines Containerschiffs. Nach meinem Buchprojekt Seafarers wollte ich dieses mal den Fokus auf einen Reportagefilm legen. Die SL2-S war dazu ideal, denn Fotos sollten natürlich ebenfalls entstehen. Endlich nur ein System für beides. Naja, fast. Ich hatte mir vorher noch ein iPhone 14 gekauft und dazu einen kleinen Gimbal, den DJI Osmo Mobile 6 (Amazon). Damit wollte ich Rundgänge an Bord filmen, was ich auch getan habe. Wenn wir über Reisegimbal sprechen, dann ist die Kombination aus iPhone und dem kleinen Osmo wirklich ideal. Klein, leicht, muss nicht tariert werden und schnell einsatzbereit. Bekommt von mir eine uneingeschränkte Empfehlung.
Nun sitze ich seit meiner Rückkehr am Schnitt des Films. Es ist das umfangreichste Projekt, das ich je in Final Cut erstellt habe. Die Aufnahmen wurden der SL2-S, dem iPhone 14 und einer GoPro Hero 11 gemacht. Die Timeline sieht schon recht bunt aus. Beim Schnitt sind mir einige Dinge aufgefallen.
- Gimbal Bedienung muss man üben. Ich habe in den letzten Jahren zu wenig mit einem Gimbal gearbeitet und wenig an meinen Skills gefeilt. Bedient man einen Gimbal falsch, so sieht das Ergebnis schlechter aus, als wenn man keinen Gimbal verwendet. In erster Linie spreche ich hier über das Gehen mit Gimbal. Man muss dabei leicht in die Hocke gehen, da die auf- und abbewegung des Körpers vom Gimbal nicht ausgeglichen wird. Das habe ich bei vielen Aufnahmen einfach vergessen und dann erst leidlich hinterher festgestellt. Einige Rundgänge sehen nach starkem Seegang aus, obwohl das Wasser sehr ruhig war. 😉 Ein Gimbal ist kein Garant für tolle Aufnahmen.
- Bei Wind von 50 bis 60 Knoten hilft auch ein Gimbal nicht. Die Kamera in der Hand halten ist dann auch keine Option, denn die kann bei so starkem Wind niemand ruhig halten. Der Actionmodus des iPhones ist hier ein wirklicher Seegen und hat mir viele coole Aufnahmen ermöglicht.
- Das iPhone 14 ist toll. Im direkten Vergleich mit dem Footage aus der SL2-S ist es aber deutlich schlechter. Das liegt zum einen daran, dass ich für das iPhone keinen ND-Filter hatte und damit die Aufnahmen sehr crisp sind. Wenn irgendwo die Gischt hoch spritz, kann man jeden einzelnen Wassertropfen zählen. Alles aus der SL2-S sieht einfach viel cineastischer und sauberer aus.
So schließt sich der Kreis und es kam der Wunsch nach einem Gimbal für die SL2-S auf. Wohlwissend, dass auch dieser Gerät mich nicht auf Reisen begleiten wird. Aber für das Containerschiff wäre es ideal gewesen. Zudem habe ich ja noch ein weiteres Projekt, wo ich regelmäßig Videos im Auftrag produziere. Hier spielt die Mobilität auch keine große Rolle. Und dann wird wohl die neue Panasonic S5 Mark II demnächst als zweite L-Mount Kamera mein Setup erweitern. Davon verspreche ich mir dann auch endlich einen brauchbaren AF-C bei Videos. Die ersten Tests waren schon sehr vielversprechend. Aber bevor ich da zu euphorisch bin, muss ich die Kamera selber testen.
Ich habe einige Tage mit Recherchen zugebracht und mich sowohl bei Zhiyun und DJI umgeschaut. Für meine Zwecke haben beide Anbieter sehr brauchbare Gimbal im Angebot. Letztlich war es das Vertrauen in die Technik und Erfahrung von DJI. Ich finde die bauen schon ganz anständige Sachen. Dazu kam der Preis. Da ich genau weiß, dass auch diese Gimbal-Geschichte wohl irgendwann bei Ebay Kleinanzeigen enden wird, wollte ich nicht zu viel Geld ausgeben. Mit 390,- € erschien mir der DJI RS 3 Mini (Amazon) eine ganz gute Wahl. Leider hat kein Test die Frage beantwortet, ob der Gimbal auch mit der SL2-S zusammen funktioniert. Von der Tragkraft her machte ich mir keine Sorgen, aber die Kamera ist nicht gerade klein und es könnte durchaus sein, dass die Achsen des Gimbals zu kurz sind für die Leica. Dazu habe ich ein kleines Video gemacht, in dem ich auch noch ein paar weitere Punkte anspreche. Aber um es kurz zu machen: Es funktioniert.
Nun bin ich also wieder Besitzer eines Gimbals und rede mir ein, dass ich mittlerweile genau weiss, wozu ich ihn einsetzen will. Das Märchen von dem Reisegimbal wird wohl ein Märchen bleiben. Aber mal sehen, vielleicht ändert sich sogar das mit der S5 II. Es klingt wie eine Odyssee, aber letztendlich macht es mir auch Spaß neuen Technikkram auszuprobieren. Schön wäre es, wenn der neue Gimbal es dann mal auf ein paar Einsätze mehr bringt, als die Vorgänger. Wichtig ist auch hier die Erkenntnis, dass das Problem den Gimbal in der Hand hält. Schöne Gimbal-Moves müssen einfach geübt werden, sonst sieht es einfach sehr amateurhaft aus. Manche Fehler muss man eben nicht nur selber, sondern auch mehrmals machen.
Fotografierst Du jetzt noch mit der M oder bist Du ganz auf die SL2S umgestiegen?