Ich beschäftige mich seit einigen Wochen mit Capture One Pro. Das habe ich mal kurz im Newsletter und auf Facebook fallen gelassen und die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Die Frage nach der verwendeten Bildbearbeitungssoftware wird wohl genauso enthusiastisch geführt, wie die nach der Lieblingskamera.
Nun halte ich Lightroom seit vielen Jahren die Treue, habe ein Buch darüber geschrieben und ein Videotutorial veröffentlicht. Ich kenne die Software wirklich sehr gut und habe damit bisher alles machen können, was in Punkto digitaler Bildbearbeitung für mich notwendig war. Dennoch stört mich die Geschwindigkeit. Für mich fühlt sich Lightroom einfach nicht schnell genug an. Das ist ein persönliches Gefühl, das sich schwer in Zahlen fassen lässt. Es gibt Leute, die mit der Performance zufrieden sind. Es gibt aber auch andere, die wie ich Probleme haben. Da spielen viele Dinge ein Rolle. Rechner, Betriebssystem, Anzahl Bilder usw. Vielleicht bin ich auch einfach zu schnell für Lightroom. Ich möchte jetzt nicht ergründen, warum das so ist, sondern einfach dazu ermuntern nach Links und Rechts zu schauen.
Es geht mir in diesem Blogpost nicht darum abzuwägen ob nun Lightroom oder Capture One die bessere Software ist. Mir geht es mehr um die Veränderung im eigenen Arbeitsablauf allgemein. Jede Veränderung ist erst einmal schwer. Alles ist zunächst anstrengend, bevor es leicht wird. Eine gewisse Konstanz in der eigenen Arbeitsweise schafft Kontinuität und Sicherheit. Capture One konnte bei mir nie richtig punkten. Angeblich ist es der bessere RAW-Konverter. Allerdings gibt es auch genug Profis, die mit Lightroom arbeiten und nie hat jemand gemeckert, dass die Bilder eine schlechte Qualität haben. Ich glaube einfach nicht daran, dass der Qualitätsunterschied so groß ist, dass er einen signifikanten Unterschied im Ergebnis ausmacht.
Dennoch habe ich es mir angetan und mich stundenlang mit Capture One rumgeschlagen. Es war anfangs eine Qual, ich habe geflucht und ständig nach den bekannten Funktionen aus Lightroom gesucht. Ein Fehler. Der Versuch die gewohnte Arbeitsweise aus Lightroom zu übertragen ist zum scheitern verurteilt, denn die Programme sind grundsätzlich anders. Aber ich habe mich durchgekämpft und komme nun ganz gut klar mit Capture One. Ist es wirklich besser? Schwer zu sagen. Hier und da gibt es Funktionen, die ich mag. Die Farbverarbeitung ist ganz nett, denn ich kann ganz selektiv Farben bearbeiten. Das gefällt mir. Auch die Behandlung von Hauttönen ist gut gelöst. Dafür gibt es genug andere Defizite. Es wird wohl immer eine sehr individuelle Entscheidung sein, ob einem die eine oder andere Software besser liegt.
Aber es macht mir Spaß mich mit der neuen Software zu beschäftigen. Nach den ersten Schwierigkeiten, ging es dann immer besser und ich habe viel neues entdeckt. Ich habe mir sogar eine Tastatur mit Shortcuts nur für Capture One und ein Shuttle Pro (Amazon-Link) gekauft. Letzteres erleichtert das sortieren großer Bildmengen, z.B. bei Hochzeiten. Aber dazu ein anderes mal mehr. Ja, es macht Spaß die Bildbearbeitung mal wieder zu überdenken. Auch mache ich alles auf dem Holzweg, denn die VSCO-Presets funktionieren in Capture One nicht. Es gibt auch Presets (Styles) für Capture One, aber ich will es erst mal händisch lernen, bevor ich die Styles verwende.
Am meisten Spaß macht es mir aber zu sehen, dass es eine Alternative gibt. Und das ist eigentlich auch der Punkt dieses Blogposts. Ich mag Lightroom, aber immer wenn ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung in einem Bereich bekommt, lässt die Innovationskraft nach. Dafür gibt es genug Beispiele. Microsoft, Apple, Google waren alle mal cool. Heute verwalten sie nur noch ihr Geld. Dann braucht es frischen Wind, denn ich kaufe gerne frische innovative Produkte. Das ist manchmal mit Umstellung verbunden. Beim Wechsel von Bildbearbeitungssoftware ist es ätzend, dass man den Katalog aus Lightroom nicht übernehmen kann. Ist leider so, da macht es auch wenig Sinn nach einer Lösung zu suchen. Am besten einen Schnitt machen. Ja, dann hat man plötzlich zwei Programme im Einsatz. Auch ätzend. Aber das Signal an Unternehmen wie Adobe muss sein: “Hey Leute, da ist ein anderer, der frischer daher kommt und den schaue ich mir jetzt mal an. Wenn Ihr weiter pennt, bin ich weg.”
Die Message ist nicht, dass ich Lightroom plötzlich nicht mehr mag. Die Message ist, dass Adobe mal eine Horde Entwickler an die Codeoptimierung setzen soll. Man wechselt nicht von heute auf morgen die Software, aber es ist auch nicht ausgeschlossen. Capture One ist momentan einfach die innovativere Software. Da tut sich mehr. Ob nun besser oder schlechter ist nicht so einfach zu sagen, aber es tut sich was. Das ist doch bei Kameras ähnlich. Da hat man das Gefühl, dass sich bei Nikon oder Canon nicht so viel innovatives tut. Die Chance haben Sony, Fuji und Olympus genutzt. Es gibt noch genug Leute, die Nikon und Canon einsetzen und noch treu sind, aber diese Markentreue ist für den Wettbewerb nicht gut. Schon klar, dass man auch das Kamerasystem nicht einfach wechselt, steckt ja auch viel Geld drin. Aber auch hier sollten die Hersteller merken, dass man sich nicht ausruhen sollte. Das geht mal für ein oder zwei Generationen von Kameras oder Versionen von Software gut, aber irgendwann geht man einfach.
Dazu kommt, dass etwas Veränderung ja auch mal frischen Wind in die eigene Arbeitsweise bringen kann. Natürlich ist es gut, wenn man sich eingearbeitet hat und die Abläufe schnell und effizient sind. Vor allem der Berufsfotograf wird auch auf den Faktor Zeit schielen. Daher sollte man auch nicht wild hin und her wechseln. Es ist ebenso bekloppt jeden Trend mitzumachen, wie zu lange an altem Kram festzuhalten.
Momentan scheint eine kleine Bewegung hin zu Capture One einzusetzen. Immer mehr Kollegen wechseln oder versuchen es zumindest mal. Der ein oder andere lässt es ganz schnell wieder, weil es doch zu mühsam ist. Andere sind begeistert und vor allem erzählen sie das rum.
Leute, schaut nach rechst und links und verrennt Euch nicht in Markentreue. Die ist nur für den Hersteller gut, aber nicht für uns Fotografen. Selbst mit der vermeintlich zweitbesten Software und der zweitbesten Kamera, kann man erstklassige Bilder machen. Gibt es aber irgendwann keinen zweiten Hersteller mehr, dann wird selbst der erste mangels Wettbewerb irgendwann drittklassig. Hui, das waren jetzt zu viele Zahlen. Over and out.
Absolut Reicht hast Du. Der Blick über den Tellerrand sollte erhalten bleiben, um einfach auch ein Stück “Unabhängigkeit” zu bewahren. Neigen die Großen doch gerne dazu, (wie du richtig sagst) das Geld zu verwalten, weitere Abhängigkeiten zu schaffen und vergessen die Innovation oder einfach nur Säuberung der eigenen Produkte. Apple und Adobe sind da nur Beispiele.
Lightroom und Capture One sind hier eigentlich komplett andere Werkzeuge und haben in ihrer Sparte Stärken und Schwächen. Ich selbst bin letztendlich bei Capture One Pro aus 2 Gründen gelandet: 1) Als Phase One Besitzer holt man da einfach das Beste aus den Bilder. 2)Der Support ist extrem gut.
Allerdings bedauere ich es tatsächlich, daß es für Photoshop (mit Lightroom kam ich nie klar) eindeutig eine Fülle an Hilfen, Foren, Bücher und Tools gibt. Diese kommen jetzt auch so langsam bei Capture One (aber wir haben da schon Version 10) 🙁 Darum gefällt mir deine etwas gelassenen und doch etwas rebellische Sicht gut und ist nachvollziehbar. Offen für Neues und immer die Augen offen halten. 🙂
genau so isses - ich habe hauptsächlich aus “Protest” gegen Adobe die Konkurrenz ausprobiert und bin bei Iridient Developer gelandet. Schade, daß es das tolle Mega-Such-Plugin (derzeit) nur für Lightroom gibt, aber man kann halt nicht alles haben…
“…verrennt Euch nicht in Markentreue. Die ist nur für den Hersteller gut, aber nicht für uns Fotografen.”
Endlich sagt das mal einer..
Toller Artikel, danke Paddy!
Besonders eng wird die Bindung, wenn man die Software nicht einmal kauft und damit besitzt, sondern nur mietet und dem entsprechend nur solange benutzen darf, wie man monatlich Kohle dafür hinblättert. Auch das sichert Adobe eine treue Kundschaft. Was passiert eigentlich mit den ganzen Lightroom Katalogen und den vielen Stunden Arbeit, die man in die RAW Entwicklung gesteckt hat, wenn man das CC Abo kündigt? Die Entwicklungseinstellungen sind dann wohl alle weg und man hat nur noch die unentwickelten RAWs und die JPGs im eigenen Bildbestand…?!? Als “LR6-Besitzer” kann ich zumindest theoretisch damit weiterarbeiten, solange ich will. Auch wenn ich vielleicht mal LR7 nicht kaufen werde…
Also, hört mal alle schön auf Paddy und probiert Konkurrenz-Produkte aus! Ich selbst warte aber trotzdem eher, bis ihr mit dem Konkurrenzdruck erfolg habt, ich möchte ja nicht nur noch vor dem Rechner hocken… 😉
Grüße
Frank
Das sehe ich aus so. Insbesondere das Abo-Modell trägt nicht unbedingt zu Höchstleistungen bei. Das kann nur eine gute Konkurrenz. Die damals wohl “gefährlichste” - Pixmantec RawShooter - wurde von Adobe rechtzeitig aufgekauft und das Programm eingestellt. Die Rauschunterdrückung des RawShooter war schon damals um 2006 nach meiner Ansicht besser als die heutige von Lightroom. Die typische Oberfläche hätte Grundlage für Lightroom sein können: Links Ordner, Mitte oben größere Bilder bzw. zu entwickelndes, unten Filmstreifen und rechts Entwicklungseinstellungen. Das betraf auch den Workflow.
Was sich softwaretechnisch “leicht” lösen lässt, ist die Übernahme der Metadaten aus Lightroom (Stichwörter, Bildbeschreibung, etc.) aus XMP - habe ich selbst einmal programmiert. Diese speichert Lightroom für RAW-Dateien in XMP-Filialdateien (Strg+S bei markierten Bildern drücken) oder bettet sie ein RGB-Bilder (TIFF, PSD, JPG). Das sollten zumindest einige andere Programme unterstützen bzw. noch implementieren.
Mit Aufwand wäre die Übernahme zumindest einiger Entwicklungseinstellungen möglich, sofern global angewendet, z.B. Weißabgleich, Belichtungskorrektur, Lichter, Schatten. Dank XMP sollte sich Adobe hier nicht zu sehr ausruhen.
Konkurrenz belebt das Geschäft…eine alte und immer wieder passende Weisheit.
Trotzdem…ich arbeite gern mit Lightroom und Photoshop und kann da noch nicht annähernd alles was ich können will. Jetzt wieder umsteigen würde mich nur zurückwerfen und mir mein Hobby verleiden. Darum bleib ich dabei, find es aber interessant über andere Programme zu hören. Sollten die Programme aber eine echte Konkurrenz werden, wird es sie wohl eh nicht mehr geben. Die Firma wird aufgekauft, kannibalisiert und geschlossen.
Traurig, aber mehr als wahrscheinlich.
Und bei den Kameras…habe ich das Wechseln wirklich überlegt, doch Nikon hat am Ende doch die Kamera rausgebracht, die exakt meinen Anforderungen entspricht und bezahlbar ist. Denn etwas gilt für die Großen aller Branchen: für die ist es ein winziger Schritt zurück in die Innovation…es ist ja alles da was dafür gebraucht wird…es wird halt einfach eine Zeitlang vergessen, ist aber wieder da, wenn der Prinz kommt um Dornröschen wachzuküssen.
Applaus Applaus… Diesen harten Weg habe ich vor 2 Jahren eingeschlagen nachdem klar war, dass Aperture sterben wird. Was hab ich geflucht. Ich hab LR ausprobiert und bin bei CO gelandet.
Und ja: Der Support hat schon viele Mails bekommen die damit beginnen “bitte bitte ändert dies und jenes”, aber 95% der Arbeit flutscht, die Ergebnisse sind gut. In der Assetverwaltung muss sich noch was tun, aber sie werden immer besser.
Übrigens finde ich die Performance bei den Vorschauen leider immer noch schlecht, deswegen hab ich für große Bildermengen Photomechanic im Einsatz - einfach nur große Klasse die Kombination!
Interessanter Artikel, bin gespannt ob Du künftig noch mehr über Deine Erfahrungen mit C1 berichten wirst. Zum Beispiel ob es auch mit wachsendem Katalog/Sessions schneller als Lightroom bleibt. 🙂
Was mir noch fehlt an C1 im Vergleich zu Lightroom (mobile): eine integrierte Karte um GPS-Daten zu setzen und ein Kompagnon fürs Tablet.
Hehe der Gedanken der Konkurrenz war für mich letztes Jahr entscheidend beim Kauf der neuen Kamera. Ich bin bei MFT geblieben. Der Gedanke Kameras und Objektive von Panasonic und Olympus beliebig untereinander austauschen zu können war einfach allem anderen überlegen. Eine von den 2 Firmen wird immer was Passendes haben und wenn eine Firma aufgibt ist ja noch die andere da. Bei der Software bin ich da schon viel zurückhaltender. Liegt aber wohl daran das ich immer ewig brauch bis ich mich umgestellt habe.
Auch ich arbeite mich (erleichtert von den speziellen Sony-Angeboten) gerade in Capture One Pro 10 ein. Auslöser (und das halte ich für den absoluten Innovationskiller) ist Adobes Erpresser-Masche: Neue Kamera = Neues LR = Abo-Modell = in Geiselhaft. Meine aktuelle Kamera wird noch von LR 5.7.1 unterstützt, bei LR 6 habe ich schon gestreikt. Für 2 neue Features Update-Gebühr oder Abo? Neeeeeeeee … und bei der nächsten Kamera will ich gerüstet sein.
Also nun Capture One: Entwicklung, besonders Farben und Ebenen - klasse! Geschwindigkeit Spitze! Plugins fehlen (evtl., muss ich noch sehen), ebenso die detaillierte Protokollierung mit Snapshots (hab mir schon beim Probieren Einstellungen wieder zerschossen).
Aber am meisten merkt man den Aspekt “anders, nicht schlechter, nur ungewohnt” an Folgendem: Ab CO10 Pro kann man die Arbeitsoberfläche “LR-kompatibel” einstellen. Ich habe dann meine gewohnten Tools wiedergefunden. Aber es hat nur 10 Minuten gedauert, bis ich mit Änderungen angefangen habe. Konkret habe ich die Werkzeuge nach meinen Arbeitsschritten auf Tabs verteilt, geordnet, unbenutzte rausgeschmissen. Genialer Schachzug: Man merkt erst dadurch, wie viel Tool-Gespringe, Aufklappen und Scrollen die Arbeit in LR verlangt.
Zur Katalogübernahme: Nominell kann CO10 Pro LR-Kataloge übernehmen, sogar mit der Grundentwicklung, und Metadaten. Metadaten funktionieren, Einstellungen manchmal, und manchmal geht es gar nicht, weil er den LR-Katalog nicht lesen kann. Kann aber auch an meinen LR5-Katalogen liegen, da will ich mich nicht festlegen. Der Wille ist da.
Hey Patrick, sehr interessant! Deine Zeilen hätte ich vor 1,5 Jahren genauso schreiben können. Ich nutze nun seit gut einem Jahr LR überhaupt nicht mehr und habe meinen Workflow von 80% Capture One und 20% Photoshop auf hm naja sagen wir mal 95% C1und 5% PS verändert. Für mich funktioniert es super! Gerade das anfänglich wirklich harte und schmerzhafte Wegkommen von den eigenen geliebten LR Presets hat stellenweise wirklich weh getan.. Aber dadurch beschäftigt man sich mal wieder mehr mit dem Eigentlichen, lernt die Denke der C1-Jungs und Mädels zu verstehen und merkt ganz schnell, dass man eigentlich gar nicht so wirklich Styles benötigt, da man viel schneller händisch per C1 zu nem guten Ergebnis kommt als über LR… Nicht desto trotz habe ich mir ca. 20 eigene Styles erstellt mit denen ich super klar komme und ich hoffe ich werde nicht wie damals in LR eines Tages hunderte Styles vor mir liegen haben in denen man sich nciht mehr zurecht findet… 😉 Denn 20 Gute reichen als Basis absolut!
Ich mag die Geschwindigkeit beim Einlesen und Verarbeiten der Previewdaten, meiner Meinung nach wirklich weitaus schneller (Gefühlt) als LR. Viel Spaß mit dem prog, bei Fragen zu Styles meld Dich gerne! Damit hab ich mich wirklich seeeehr laaangeee beschäftigt 😉 CU Jens
Aber Vorsicht, Phaseone ist nicht unbedingt ein verlässlicher Softwareproduzent.
Weit über ein Jahr hat es gedauert, bis, C1 die RAWs der Fuji X-Pro 2 vollständig unterstützt hat. Bei Supportanfragen würde zwar immer behauptet, dass das bald käme, aber so war es nicht.
Also, für unterstützte Kameras ist C1 wirklich dufte. Wer aber zukünftig auch mal eine neue Kamera kauft, sollte diesbezüglich aufpassen und sich nicht auf Phaseone verlassen.
Adobe bestätigt dass Lightroom Optimierungsbedarf bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit hat und man an einer Verbesserung arbeitet:
https://blogs.adobe.com/lightroomjournal/2017/07/on-lightroom-performance.html