Nachdem wir den Etosha Nationalpark durchquert hatten, ging es in Richtung Osten. Das Ziel hieß Tsumkwe, eine winzige Ortschaft nahe der Grenze zu Botswana. Bevor wir dort ankamen, mussten wir aber noch eine lange und monotone Schotterpiste hinter uns bringen. Über 200 km fuhren wir und trafen dabei kaum ein anderes Auto. Ich glaube es war keine Handvoll. Hier möchte man wirklich nicht liegenbleiben. Man sagte uns, dass es mehr oder weniger Pflicht sei anzuhalten, wenn man ein Auto mit Panne trifft. Dafür gibt es keine Probleme mit Stau.
Die Lodge war recht einfach, der Pool sah eher aus wie ein Tümpel und alles in allem war die Anlage wirklich nicht sehr einladend. Aber die Menschen waren auch hier wieder sehr nett und es gab gekühltes Bier. WLan gab es ebenfalls nicht. Darauf muss man sich in Namibia einstellen. Manchmal hat man welches und dann tagelang wieder nicht. Hier draußen muss man sich gut selbst beschäftigen können und die Ruhe mögen.
Was treibt einen so weit in den Osten Namibias? Hier waren weit und breit keine anderen Touristen. Wir hatten auch diese Lodge wieder ganz für uns alleine. Wenn so gar keine anderen Gäste da sind, macht man sich Gedanken. Werden die hier alle verschleppt, ist das Essen so schlecht oder das Ziel einfach nur zu weit ab vom Schuss? Ich hoffte auf Letzteres, denn schließlich suchten wir ja ein kleines bisschen Abenteuer abseits des Massentourimus.
Wir waren nach Tsumkwe gekommen, um hier die Ju/‘Hoansi San, ein Volk von Buschleuten, zu besuchen. Heute kann man in sog. Living Museums auf die Buschleute treffen und sie und ihr Leben kennenlernen. Die Einrichtung dieser Living Museums dient dazu die Traditionen aufrecht zu halten und weiter zu vererben. Natürlich ist es auch eine Einnahmequelle, denn Besucher bezahlen dafür, mit den Buschleuten einen Tag zu verbringen. Ich war anfangs sehr skeptisch und wollte eigentlich nicht zu so einem Living Museum. Schließlich wollte ich das echte Leben kennenlernen und nicht ein Theater, das mir als Tourist vorgespielt wird. Allerdings leben die Ju/‘Hoansi San heute nicht mehr so, wie noch zur Kolonialzeit. Das ursprüngliche Buschleben, wie ich es mir vorstellte, gibt es so nicht mehr. Also ließ ich mich einfach darauf ein. Wir verbrachten einen Tag mit den Buschleuten.
Als wir das Dorf betraten, saßen die Bewohner um ein kleines Feuer herum und bereiteten ihre Waffen vor. Speerspitzen und Pfeile wurden geschliffen, Holzbögen erhitzt und gebogen. Von unserem Guide wurden wir vorgestellt und sogleich in das Leben einbezogen. Es dauerte nur wenige Minuten und ich fühlte mich mittendrin. Die Kommunikation war nicht einfach, mehr mit Händen und Füßen. Besonders die Männer versuchten uns aber das ein oder andere zu erklären, was dann auch mehr schlecht als recht irgendwie ging. Aber es war alles sehr freundlich und ich fühlte mich von Anfang an wohl bei diesen Menschen.
Nach etwa einer halben Stunde packten die Buschleute ihre Sachen zusammen. Wir brachen auf zu einer Buschwanderung bei der sie uns zeigen wollten was man im Busch alles zum Überleben findet. Männer, Frauen und Kinder machten sich gemeinsam mit uns auf den Weg. Es waren deutlich über 40°C und kaum ein Windhauch wehte. Vor uns lag eine Wanderung von zwei Stunden in der knalligen Sonne. Ich legte noch einmal Sonnenschutzfaktor 50 auf, klappte meinen Hemdkragen hoch und zog meinen Hut in den Nacken, in der Hoffnung mich irgendwie vor der totalen Verbrennung schützen zu können. Den Buschleuten machte das natürlich gar nichts, aber für uns war das schon eine Herausforderung.
Wir fanden Beeren an verschiedenen Sträuchern und gruben Wurzeln aus. Manche Pflanzen dienten als Medizin, z.B. gegen Kopfschmerzen. Immer wieder gab es Erklärungen zu den gefundenen Dingen. Obwohl ich nicht alles verstand, konnte man sich anhand der bildlichen Mimik der Buschleute in etwa vorstellen, was man mit dem Gefundenen anstellen konnte. Im Grunde ging es aber bei so ziemlich allem um die Nahrungssuche.
Nach etwa zwei Stunden Wanderung erreichten wir unser Ziel. Ein paar Bäume spendeten hier Schatten für eine kleine Pause. Aus einer großen Wurzel gewannen die Buschmänner eine weiße Flüssigkeit, die ihnen als Wasserersatz diente. Dann wurde Feuer gemacht. Wie oft hatte ich als Kind versucht selbst von Hand mit nur ein paar Stöckern Feuer zu machen. Nie hatte es geklappt. Nun sollte es so weit sein. Im Grunde ist es gar nicht so schwierig, wenn man die Stöcker ein klein wenig vorbereitet, dann schnell genug dreht und richtig trockenes und leicht erzündliches Material auf die erste Glut legt. Ich habe Feuer gemacht! Was für ein saugutes Gefühl. Das war Abenteuer pur für mich.
Eine große Frage stellte sich mir. Müssen wir den ganzen Weg nun zurück laufen? Oha. Offensichtlich war man aber auf wenig trainierte dickbäuchige Touristen eingestellt. Unser Guide kam mit dem Auto und holte uns zum Lunch ab. Irgendwie ein wenig schade. Ich hätte gerne die Herausforderung angenommen. Aber wahrscheinlich unterm Strich die bessere Lösung, denn wir hatten noch einiges vor.
Nach unserer Mittagspause machten wir uns mit dem Auto auf. Etwa eine Stunde dauert die fahrt. Wohin genau kann ich im Nachhinein gar nicht mehr sagen. Wir fuhren direkt in den Busch, hier gab es keine Straßen, lediglich die ein oder andere Reifenspur, der wir folgten. Hätte man mich hier ausgesetzt, wäre ich wohl verloren gewesen. Wir jagen Stachelschweine gab uns der Guide zu verstehen. Ah ja, Stachelschweine. OK. Nachdem wir wieder eine ganze Weile gewandert waren, kamen wir zu einigen Sandkuhlen, in denen sich Löcher befanden. Die Bauten der Stachelschweine. Kurze Zeit später war der erste Buschmann darin verschwunden.
Kopfüber tauchte auch Nr. 2 in den Bau ab. Nichts passierte. Etwa 20 Minuten warteten wir, bis sich endlich etwas tat und die beiden Buschleute wieder aus dem Loch kamen. Diese Gänge müssen ganz schön tief sein. Heute war aber kein Stachelschwein zu Hause. Ich fragte mich auch, was passiert, wenn sie denn eins am Ende des Ganges finden und dieses dann unbedingt an ihnen vorbei zum Ausgang möchte. Ein paar Stacheln lagen herum und ich sage Euch, die sind ganz schön spitz und stabil. Ich möchte nicht in so einem Bau stecken, wenn sich ein Stachelschwein an mir vorbei quetscht.
Die Buschhleute haben die Ruhe weg. Während zwei für längere Zeit im Bau verschwunden waren, saßen die anderen rum und ruhten sich aus. Zeit hat hier irgendwie eine andere Dimension. Man macht einfach das, was gerade so kommt. Und wenn man gerade nichts macht, dann macht das auch nichts. Hier und da wird noch eine Wurzel ausgegraben und ein paar Stacheln gesammelt, um daraus Schmuck herzustellen. Nach der erfolglosen Jagd ging es dann zurück ins Camp, wo wir noch einige Schießübungen mit Pfeil und Bogen machten, bevor wir den Tag mit gemeinsamen Tanz und Gesang ausklingen ließen.
So wahnsinnig viel zu schreiben gab es dieses mal gar nicht. Es kommt mir rückblickend so vor, als wenn gar nichts aufregendes passiert ist. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Die Buschleute einfach einen Tag lang zu begleiten war zwar aufgrund der Hitze super anstrengend, aber dann auch wieder total entspannend. Es ging alles so beschaulich und harmonisch zu. Fotografisch kam ich voll auf meine Kosten und hatte am Ende des Tages so viele Fotos, dass ich damit alleine ein Magazin füllen könnte. Wie war das aber nun mit dem vermeintlichen Theater des Living Museums? Nach kurzer Zeit hatte ich das vollkommen vergessen. Es war ein extrem authentisches Erlebnis und ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass die Leute uns etwas vorspielten. Wir waren allerdings an dem Tag auch die einzigen Besucher, wodurch es uns wohl noch einmal echter vorkam, als wenn auch noch andere Besucher anwesend gewesen wären. Ich denke, dass die Living Museums eine super Einrichtung sind, um die Tradition am Leben zu halten und Besuchern einen Einblick zu geben. Ohne die Living Museums würde es das Leben der Buschleute hier so nicht mehr geben.
Falls Ihr es noch nicht gesehen habt, es gibt ein Magazin über meinen Namibia-Trip. Wenn Ihr Freude an gedruckten Bildern habt und weiter Geschichten lesen möchtet, dann schaut es Euch doch einmal an.
Zum Abschluß noch ein Minivideo mit ein paar Eindrücken aus dem Busch.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Eine großartige Serie an Bildern. Einfach nur mal staunen …
Hallo Paddy,
hast Du den Buschmännern ein Belegexemplar geschickt?
Hi Paddy,
vielen Dank für den tollen Bericht.
Das weckt die totale Erinnerung. 2013 hatten wir das große Glück, in ähnlicher Weise, ein paar Stunden mit den San im Erongo Gebiet verbringen zu dürfen und waren total beeindruckt von diesen Menschen. Einfach irre faszinierend, wie sie uns innerhalb kurzer Zeit in ihre (vermeintlich) steinzeitliche Welt versetzen können und wieviel Wissen diese Menschen besitzen von dem wir nicht einmal etwas ahnen. Für mich ein wirklich unvergessliches Erlebnis und im Nachhinein hatte ich das Gefühl, dass ich ihnen dafür gerne ein paar Gastgeschenke mehr zurückgegeben hätte.
Grüße
Frank