Leica, das war für mich immer ein ferner Mythos von Kamera. Von der Ausstattung eher im hinteren Feld platziert und von der Sensorleistung auch nicht unbedingt ein Spitzenreiter, wenn man den Jungs von DXOMark glauben schenken darf (D750 vs. M240). Spätestens beim Blick auf das Preisschild erübrigte sich jede weitere Diskussion und ich tat eine Leica M in die Schublade der Ärzte- und Anwaltskameras. Aber schön fand ich sie schon immer.
Nun habe ich mir im August letzten Jahres eine Leica Q (mein Testbericht dazu) gegönnt. Es war meine persönliche Belohnung nach dem New York Projekt. Ich war sofort verliebt und behaupte bis heute, dass ich mein Geld selten besser zum Fenster heraus geworfen habe. Seitdem habe ich unzählige Fotoshootings mit der Q gemacht und mich auch in die 28 mm verliebt. Was mir aber immer am meisten Spaß an der Q macht, ist sie einfach in die Hand zu nehmen. Mein Freund Stephan Spiegelberg würde sagen: “Ein Handschmeichler”.
Infiziert von der Vorstufe des Leicavirus schlenzte ich seitdem immer mal wieder um das vermeintliche Traummodell, eine Leica M, herum. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto schlafloser wurden die Nächte. Das ist ganz komisch. Einen Tag bin ich noch fest davon überzeugt, dass ich diese Kamera auf gar keinen Fall brauche und im nächsten Moment denke ich an nichts anderes mehr.
Warum sollte ich mir so eine Kamera kaufen? Es gibt keine guten Gründe. Ein manueller Fokus ist ein No-Go für mich, ISO-Leistung eher mittelmäßig, spartanische Ausstattung und dazu auch noch recht schwer und kostspielig. Aber irgendwie drängte sich mir immer wieder der Vergleich zu einem alten Porsche auf. Technisch auch eher zurück geblieben, Ausstattung kaum vorhanden, aber dafür so unglaublich schön und man spürt das Auto fahren in den Knochen. OK, nun müsste ich mich konsequenterweise eher mit einer analogen Leica beschäftigen, wenn ich den Vergleich zu einem alten Porsche ziehen möchte. Aber wenn schon eine Leica M, dann auch eine, mit der ich meine Jobs machen kann. Wenn schon, dann ein Arbeitstier und kein Vitrinenstück.
Der Kauf
Dem Kauf meiner M muss ich einen eigenen Absatz spendieren. Denn es war ein Erlebnis und am Ende steht die Empfehlung für einen lokalen Händler. Der erste vorsichtige Versuch mein Geld loszuwerden scheiterte in einem Hamburger Photohaus, wo leider der fehlende Enthusiasmus der Beraterin mich nicht so recht motivieren wollte dort eine knapp 5-stellige Summe an Euros zu lassen. Es war einfach lustlos. Vielleicht bin ich da auch etwas komisch. Manch einer erwartet lediglich fundierte Fakten in einem seriösen Verkaufsgespräch, ich möchte aber unterhalten werden. Sein wir mal ehrlich, wenn ich einen Laden betrete, dann weiss ich alles über die Kamera. Eigentlich ist dann die Entscheidung schon gefallen. Für den Verkäufer bin ich dann eine sog. “Low Hanging Fruit”. Dann möchte ich bei einem Käffchen ein Schwätzchen halten und spüren, dass auf der Gegenseite der gleiche Dachschaden diagnostiziert werden kann, wie bei mir.
Auch wenn dieses ehrwürdige und sehr bekannte Hamburger Photohaus einen exzellenten Ruf geniesst, hatte es in diesem Fall nicht meinen Nerv getroffen. Um ehrlich zu sein, ging ich beruhigt nach Hause, in dem Wissen mein Geld noch zu haben und keinen Kurzschlußkauf getätigt zu haben.
Weniger Tage später war mein Kumpel Thomas Leuthard zu Besuch in Hamburg. Werbepause: Es gibt ein wirklich tolles Tutorial zur Street Fotografie von Thomas und mir. Gemeinsam betraten wir den Laden von Meister Camera in Hamburg Eppendorf. Nur mal gucken und so eine M in die Hand nehmen. Mit Thomas wusste ich einen Verbündeten auf meiner Seite, der sich nicht so viel aus Technik macht und von dem ich mir erhoffen konnte, mich eher auf dem Boden der Tatsachen zu halten. Konnte also nichts schief gehen. Denkste.
Ich hatte nicht damit gerechnet bei Meister einen derart engagierten und unterhaltsamen Verkäufer anzutreffen. Ich würde ihn zu gerne namentlich nennen, aber fairerweise soll die Empfehlung hier dem Laden insgesamt gelten. Sofort standen verschiedene M Modelle vor mir. Objektive wurden bereitwillig vor die Geräte geschraubt und es wurde gefachsimpelt was das Zeug hält. Man versuchte mir nicht einen von Technik zu erzählen. Dem Verkäufer war offensichtlich klar, dass er damit keinen Punkt machen kann. Stattdessen vermittelte er die Faszination Leica und erklärte dabei bereitwillig alle Unterschiede zwischen den Modellen. Natürlich kam auch die Sprache auf die M Monochrom (mein Bericht dazu), der ich noch immer eine unglaubliche Abbildungsleistung attestiere. Und so machte es richtig Spaß die Zeit in dem Laden zu verbringen. Dann wurde gerechnet und es juckte mich den Laden fluchtartig zu verlassen. Der Verkäufer zog alle Register, schaute im Gebrauchtlager und holte plötzlich ein Vorführgerät aus dem Hinterzimmer. Eine wunderschöne Leica M (Typ 240) in Silber. Deutlich unter dem Listenpreis, mit Garantie und der für mich wichtigen ausweisbarer Mehrwertsteuer. Verdammt, ich war in die Falle gelaufen. Und Thomas machte auch irgendwie keine Anstalten mir das Ding auszureden. So ein Hu*#$0§*#.
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Aber da war noch ein ernsthaftes Problem. Ich hatte noch kein Objektiv. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist hier riesig. Es gibt kaum ein System für die die Auswahl ähnlich gross ist. Als Brennweite stand 50 mm für mich fest. Ich habe ja mit der Leica Q bereits 28 mm, daher wollte ich erst mal keine 35 mm. 50 ist super, ein echter Allrounder. Wenn schon, denn schon und so sollte es dann auch ein lichtstarkes Summilux mit f/1.4 sein. Der eloquente Verkäufer legte sich mächtig ins Zeug, wälzte den Gebrauchtbestand und telefonierte die Kollegen in Berlin und München ab, um eine adäquate Lösung zu finden. Die Angebote waren durchaus attraktiv, aber hey, nicht in Hamburg. Ich warte doch nicht noch mal zwei Tage auf ein Objektiv, wo kommen wir denn da hin? Wenn schon eine Sicherung bei mir durchgeknallt ist, dann soll die Hütte auch brennen.
Nach langem hin und her holte der gute Mann dann aus einem Wandschrank einen kleinen Karton. Darin befand sich ein Summilux 50/1.4, allerdings in einer auf 500 Stück limitierten Retro-Edition. Kann nicht mehr als das Standard-Summilux, sieht aber so unglaublich schön aus. Er hatte wohl im Laufe des Gesprächs gelernt, wie man mich kriegt. Ja, es sind die schönen Dinge, auf die ich achte und Wert lege.
Shut up and take my money!
Die ersten Tage danach
Die ersten Tage danach plagte mich die Unsicherheit. Oh mein Gott, was habe ich getan? Da lag sie vor mir, so wunderschön, aber es häuften sich die Zweifel, ob diese Kamera mir wirklich Spaß macht. Nun gut, Augen zu und durch. Ab sofort werden die nächsten Shootings konsequent mit der Leica gemacht. Natürlich mussten erst mal die Hunde herhalten.
Was ich bei den ersten Bildern sah, war durchaus schön, aber um ehrlich zu sein auch nicht so, dass ich vom Hocker fiel. An der Stelle eine Anmerkung: die Exifdaten zeigen immer eine andere Blende an, als eingestellt. So werden statt f/1.4 immer f/1.7 angezeigt. Kein Beinbruch, stört mich nicht, aber wollte ich für die Exifjunkies erwähnt haben.
Die Zweifel wuchsen und ich beichtete meiner Frau, dass ich womöglich den grössten Fehlkauf meiner Haben-Wollen-Karriere getätigt habe. Einzig die Tatsache, dass das Objektiv bei Ebay jetzt schon über Neupreis gehandelt wird, tröstete mich ein wenig. ich dachte ernsthaft darüber nach die Kiste schnell wieder zu verkaufen und dem Spuk ein Ende zu bereiten.
Aber dann setzte ich die Kamera ganz normal ein und verwendete sie genauso für meine Shootings, wie ich das auch mit anderen Kameras mache. Sie musste nun abliefern.
Ich fing an mich an den Messsucher zu gewöhnen und mich mit dem manuellen Fokus zu arrangieren. Das geht mit etwas Übung ganz gut, aber wird natürlich niemals so schnell sein, wie mit dem AF einer Leica Q, D750 oder OM-D. Natürlich hatte ich auch einiges an Ausschuss. Ich bin dann ja auch so bekloppt alles mit f/1.4 machen zu wollen und da ist es nicht so ganz einfach immer zu versenken. Andererseits stieg die Trefferquote kontinuierlich.
Ich fing an den Bildlook zu mögen. Das Bokeh des Summilux ist schon nett anzuschauen. Was mich allerdings nervte war die langsame Verarbeitung der Daten. Die meiste Zeit warte ich darauf, dass die Leica Daten auf die Speicherkarte schreibt. Sowas lahmes habe ich noch nie in der Hand gehabt. Zwangspausen im Shooting sind an der Tagesordnung. Ich beginne langsamer zu fotografieren und mir bei jedem Bild genau zu überlegen ob es das jetzt ist. Ich merke, dass der eingeblendete Rahmen im Sucher unten nicht ganz genau ist. Ständig fehlen mir ein paar Pixel. Bildaufbau bis in die letzte Ecke ist schwierig.
Das Auslösegeräusch ist wirklich schön und die Kamera ein echter Hingucker. Jeder fragt danach und selbst als Accessoire bei Shootings macht sie sich extrem gut. Es gibt so etwas wie den Leicaeffekt, man kommt über die Kameras mit dem roten Punkt ins Gespräch. Auch ein Cover für eine CD habe ich damit vor wenigen Tagen geschossen und auch dabei kam grosses Interesse für die Kamera auf. In etwa so, wie die Liebe eines Musikers zu seinem Instrument. Leider kann ich Euch die Bilder noch nicht zeigen.
In letzter Zeit verwende ich selten Blitze. Fast immer Tageslicht oder Dauerlicht. Das zwingt mich oft dazu mit dem ISO-Wert hoch zu gehen. Die M240 ist nicht unbedingt dafür bekannt bei High-ISO wenig zu rauschen. Aber es zeigt sich wieder einmal, dass mir ISO 1600 in den meisten Fällen ausreicht und da schlägt sich die M240 ganz gut. Mittlerweile habe ich mir auch ein Preset in Lightroom gebastelt, das gut zu der Kamera passt. Meine Presets, die bei der Nikon und Olympus gut funktionieren, sahen teilweise grottig aus mit den DNGs der Leica.
Status Quo
Irgendwann verging der Schmerz über das “verlorene” Geld und ich konnte mich langsam über die Leica M freuen. Besonders die Kombination mit dem Summilux 50/1.4 fing an mir mehr und mehr Spaß zu machen. Auch die Bilder überzeugten mich mehr und mehr. In Punkto Schärfe, Kontrast und Bokeh macht so einem Summilux kaum ein anderes Objektiv etwas vor. Mittlerweile habe ich diverse Shootings mit der M gemacht und die Freude wird von mal zu mal grösser.
Wozu braucht man so eine Kamera? Die Frage wurde mir natürlich oft gestellt. Mittlerweile glaube ich, dass das die falsche Frage ist. Wir reden hier nicht von “Brauchen”. Nüchtern betrachtet handelt es sich um die nutzloseste Kamera, die ich je besessen habe. Sich auf eine Diskussion über den Nutzen einzulassen kann nur in einem Disaster enden.
Ich habe mir die Kamera gekauft, weil ich sie einfach schön finde. Ich habe etwas für traditionsreiche Wertarbeit übrig. Der Mythos Leica fasziniert mich. Dazu kommt, dass ich mit der Leica M anders fotografiere. Ich spüre mehr dabei, weil sie mir oft mächtig auf den Sack geht. Wenn ich wieder warte, weil Madame gerade speichert, denke ich über mein nächstes Bild nach. Ja, das ist Digital, aber man muss aufgrund der Lahmarschigkeit mit dem Auslöser haushalten. Welches ist mein nächstes Bild? Passt das? Wie schaut das Model? Ist der richtige Moment? Das klingt alles nach Selbstkasteiung und ist nicht zu erklären. Ich befinde mich in einer Phase, wo mir diese Art der Fotografie viel gibt und Spaß macht. Ich rede mir nicht ein, dass dadurch meine Bilder besser werden. Aber ich spüre mehr dabei.
Ich weiss, dass einige Leser mit Argusaugen beobachten mit welchem Gerät ich meine Fotos mache. Es kommt schnell die Frage auf, ob ich denn nun die Nikon oder Olympus verkaufe und voll auf Leica bin. Die Frage stellt sich gar nicht. Nikon ist und bleibt das Arbeitstier. Olympus ist unschlagbar, wenn es um Größe und Gewicht geht. Eins hab ich in den letzten Jahren gelernt: Markentreue hilft nur dem Marketing der Hersteller, nicht aber mir.
Ich bin überaus dankbar, dass ich mir die Kamera leisten kann, auch ein wenig Stolz, dass mein Wirken das ermöglicht. Mir ist bewusst, dass viele meiner Leser sich niemals eine Leica M leisten können oder wollen. Denen möchte ich sagen, dass ich viel mehr Bewunderung für diejenigen habe, die mit wenig Equipment in der Fotografie aufgehen und zeigen, dass man trotzdem (oder gerade deswegen) wahnsinnig tolle Bilder machen kann. Kameras kommen und gehen, die Bilder bleiben jedoch.
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1 Gedanke zu „Faszination Leica (M 240 + Summilux 50 / 1,4)“
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