Vor einigen Wochen konnte ich für die Zeitschrift Photographie die Leica SL für einige Tage testen. Was gab es nicht an herrlichem Spot für diese Kamera im Internet. Zu schön die Witzeleien über die Größe der Spiegellosen, die in der Hand von kleinen Frauenhänden irrwitzig groß aussieht. Ach da machte ich doch gerne mit. Das muss ein Hersteller wie Leica abkönnen. Auch wenn die Kamera nicht in mein Beuteschema passt, interessierte sie mich dennoch. Ich finde Kameras immer dann interessant, wenn sie irgendwie anders sind und der Hersteller sich etwas traut. Bei der SL hat Leica sich offensichtlich etwas getraut. Ob die Rechnung aufgeht, muss sich noch zeigen.
Ich bekam die Kamera gemeinsam mit dem 24-90mm f/2,8-4,0. Ein Monster von Objektiv, irgendwie schon von absurder Größe. Nix für mich, egal was das Ding für Bilder macht. Gemeinsam mit diesem Objektiv ist die SL ganz schön groß und ich frage mich, ob das wirklich sein musste. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Objektiv von der Abbildungsleistung hervorragend ist, aber es passt nicht zu meiner Art von Fotografie. Ich arbeite viel mit vorhandenem Licht und nutze gerne die Unschärfe weit geöffneter Blende aus. Daher bevorzuge ich Festbrennweiten. Das 24-90 habe ich auch nur relativ kurz verwendet, um den hoch gelobten Autofokus der SL anzutesten. Leica hat den Mund voll genommen, ich zitiere von der Webseite: “Im Zusammenspiel mit dem LEICA APO-VARIO-ELMARIT-SL 1:2,8–4/90–280mm verfügt die Leica SL über den schnellsten Autofokus aller professionellen Kameras – einschließlich Spiegelreflexkameras.” Ein 90-280mm stand mir nicht zur Verfügung und es ist meines Wissens auch (noch) nicht verfügbar. In Zusammenspiel mit dem 24-90 konnte mich der Autofokus nicht so richtig begeistern. Er ist gut, aber nicht der schnellste. Besonders mit dem kontinuierlichen AF habe ich extrem viel Ausschuss bei einem Model gehabt, das auf mich zu ging (gehen, nicht laufen oder rennen). Ich mag es nicht, wenn man mit Superlativen um sich wirft und diese offensichtlich in irgendwelchen Laborumgebungen erzielt wurden. Dementsprechend ließ die Begeisterung für die SL auf sich warten.
Glücklicherweise lag der Kamera ein Adapter für M-Objektive bei und so konnte ich sie zusammen mit einem Summilux 50mm f/1.4 testen. Irgendwie blöd, da man auf den Autofokus verzichtet, aber immerhin eine Festbrennweite, die besser zu meiner Art von Fotos passt. Nun hatte die SL plötzlich nicht mehr diese monströse Größe. Ja, der Body ist groß, aber er liegt dennoch ganz gut in der Hand. Wahrlich kein Winzling, aber dafür wurde ihm nun nicht mehr von dem Objektiv die Show gestohlen. Die Kamera mit dem kleinen M-Objektiv wollte mir viel besser gefallen. Einige finden die SL hässlich, ich mag das Design grundsätzlich aber, denn es ist von klaren Linien und Minimalismus bestimmt. Immerhin hat sich hier überhaupt jemand Gedanken über Design gemacht.
Der elektronische Sucher des Leica SL hält, was der Hersteller verspricht. Dieser ist in der Tat hervorragend und spielt ganz weit vorne mit. Das manuelle Fokussieren mit dem Summilux geht mit etwas Übung ganz gut. Das Sucherbild wird vergrößert und ermöglicht eine präzise Fokussierung. Das machte nach kurzer Eingewöhnung sogar richtig Spaß. Auch wenn mich die Puristen sicher lynchen werden, so würde ich mir so einen Sucher an der M wünschen.
Gewöhnungsbedürftig sind die Tasten neben dem Display, die nicht beschriftet sind. Je nach aktuellem Status der Kamera sind sie nämlich unterschiedlich belegt. Was anfangs etwas befremdlich ist, macht nach der Eingewöhnung aber Sinn und Spaß. Insgesamt ist die Bedienung der Kamera etwas ungewohnt, aber dennoch durchdacht. Man muss sich drauf einlassen und dann löppt es auch.
Bei der Bildqualität erlaubt sich Leica keine Ausrutscher. Die ISO-Leistung ist für meine Zwecke vollkommen ausreichend. Im folgenden eine kleine Testreihe. Die JPGs kommen so direkt aus der Kamera und zeigen ISO 6400 - 50.000.
Auch meine Testfotos, die am Ende des Artikel folgen, machen einen anständigen Eindruck. Unzulänglichkeiten sind eher auf den Fotografen zurückzuführen. Was mir aber irgendwie auch fehlt ist eine eigene Charakteristik. Bei einer Leica möchte ich mir einbilden, dass die Bilder anders aussehen. Bei der M ist es so, dass die JPGs einen eigenen Charme haben. Ich sage extra JPGs, weil man die RAW-Dateien durch Nachbearbeitung ja mehr oder weniger beliebig optimieren kann und es dann fast egal ist. Ich kann es schwer beschreiben, aber mir fehlt dennoch irgendwie der Kick bei den Bildern aus der SL, ohne dass ich wirklich etwas negatives sagen könnte.
Erstes Fazit
Mein Test war nicht lang und so mag ich auch kein wirkliches Urteil fällen. Es ist mehr ein Eindruck, eine erste Meinung. Ich finde, dass Leica mit der SL den richtigen Weg einschlägt. Der Sucher ist super, der AF macht auch seinen Job, das Gehäuse ist zwar groß, aber auch schick und geradlinig. Ein Grund für den netzweiten Spot ist sicherlich die Größe. Wenn jemand “Spiegellos” sagt, dann assoziiert man damit eine kleine Kamera und nicht ein Gehäuse in der Liga einer D810. Fotos von kleinen Frauenhänden mit der SL tun ihr übriges. Leica wollte aber nie eine kleine Kamera bauen, sie wollen direkt gegen die Flaggschiffe von Canon und Nikon antreten. Was mir dabei absolut unverständlich ist, ist wie man so eine Kamera und ein neues System auf den Markt bringen kann mit nur einem Objektiv. Man muss doch das Anfangsinteresse mitnehmen. Ich finde das SL-System durchaus interessant, aber erst mit zwei bis drei Festbrennweiten und einem weiteren Body, der vielleicht doch etwas kleiner ist. Da hilft es auch nicht, dass man per Adapter so ziemlich jedes Leica-Objektiv verwenden kann. Wer eine SL kauft, möchte sicherlich auch den AF nutzen. Daher bin ich gespannt, was sich weiter tut bei Leica. Auf jeden Fall ist mal Bewegung drin.