Diese Besuche auf ein Käffchen bei Meister Camera enden meistens damit, dass irgendein Teilchen den Laden verlässt. In meiner Tasche natürlich. Dieses mal war es wieder ein Altglas. Das Leica Summarit 50mm f/1.5 mit Schraubgewinde hatte es mir angetan. Gebaut wurden die Objektive von 1949 bis 1960 und es gab sie sowohl mit Schraubgewinde als auch mit M-Mount. Vor allem rein äusserlich mag ich die alten Linsen ja sehr gerne, wie Ihr auch schon im Artikel über das Summarit nachlesen konntet. Dann noch die passende Gegenlichtblende dazu und das Vintage-Feeling ist perfekt.
Bei der Verarbeitung hat sich Leica auch damals von niemandem etwas vormachen lassen. Manch Hersteller wäre wohl froh, wenn er heute Linsen in der Qualität herstellen könnte. Der Fokusring geht butterweich und lässt sich somit sehr präzise steuern, wobei der Fokusweg im Vergleich zu meinem aktuellen Summilux recht lang ist. Auch der Blendenring funktioniert bei meinem Testmodell tadellos. Etwas nervig ist die relativ große Naheinstellgrenze von einem Meter, der aber typisch bei den alten Linsen ist.
Am wichtigsten ist natürlich die optische Leistung. Von der Schärfe kann das Summarit nicht mit aktuellen Objektiven mithalten. Besonders bei offener Blende ist es relativ weich, so dass ich meistens auf f/2.0 abgeblendet habe. Das macht schon einen sichtbaren Unterschied. Wieder einmal habe ich natürlich vergessen bei den Bildern die Blendenwerte zu notieren, so dass ich im Nachhinein nicht mehr genau sagen kann, welches Bild mit welchem Blendenwert gemacht wurde. Aber eigentlich bin ich zu 90% bei f/2.0 mit dem Summarit.
Bei f/2.0 nimmt die Schärfe zu, bleibt aber im Vergleich zu modernen Linsen etwas weich. Das muss man mögen, bzw. korrigieren. Ich mag jede Art von Unschärfe im Hintergrund, aber auf dem Hauptmotiv muss ich zu viel Wischiwaschi nicht haben. Daher habe ich ich hier auch eine ordentliche Portion Schärfe in Capture One dazu gegeben. Wieviel Schärfe, bleibt jedem selbst überlassen, allerdings finde ich, dass sich die Bilder vom Summarit sehr gut schärfen lassen.
Der interessanteste Punkt ist aber wohl das Bokeh. Nach den ersten Testbildern war ich schon auf dem Kameradisplay ganz angetan. Auf dem großen Monitor musste ich dann aber an mich halten, um die hanseatische Coolness nicht zu verlieren. Das Bokeh ist nicht so einfach zu beschreiben, es ist weder ruhig noch homogen. Es schreit heraus, dass es etwas besonderes sein möchte. Es wirkt fast so, als wenn ein Hauch Bewegungsunschärfe mit enthalten ist. Es erinnert ein wenig an das Swirl-Bokeh eines Petzval-Objektivs, aber ohne das Geswirle. Ich mag das sehr, vor allem auch bei Schwarzweiss und könnte mir gut vorstellen, dass das vor allem bei Portraits sehr interessant ist. Allerdings könnte es dem ein oder anderen auch zu aufdringlich sein.
Insgesamt scheint mir das Summarit ein kleiner Geheimtipp zu sein. Man findet auf dem Gebrauchtmarkt Exemplare bereits ab ca. 500,- €, was für ein 70 Jahre altes Objektiv immer noch ein Haufen Geld ist. Der Preis kann aber auch durchaus mal in den vierstelligen Bereich gehen. Mein Modell soll bei Meister 1.300,- € kosten. Die Preisdifferenz ist beachtlich, allerdings hatte ich im Laden auch noch zwei andere Modelle ausprobiert, die deutlich günstiger waren und beide sind bei den ersten Testbildern sofort vom Fokus her durchgefallen. Es scheint da also einige Schwankungen zu geben und daher auch der Tipp einen möglichen Kaufkandidaten unbedingt vorher zu testen oder gleich in einen Laden zu gehen, wo man in Ruhe probieren kann.
Wer Spaß an Altglas und besonderem Bokeh hat, sollte sich das Summarit ruhig mal anschauen. Nehmt Euch aber etwas Zeit bei der Auswahl und probiert unbedingt aus, bevor Ihr kauft. Ich werde dieses Exemplar schweren Herzens erst einmal zurück bringen, da ich schon viel zu viel 50mm Objektive besitze und die Dinger ja auch benutzt werden wollen. Ständig vor der Wahl zu stehen, welche Linse man denn heute nimmt, stresst nur. Ich muss aber auch gestehen, dass der Preis durchaus eine Rolle spielt. Bei dem Preis müsste es schon ständig im Einsatz sein.
Alle Bilder wurden mit der Leica M10 gemacht. Die Nachbearbeitung habe ich in Capture One erledigt. Erlaubt mir etwas Werbung für mein Tutorial Video über Capture One, wo ich meinen Workflow und meine Bearbeitung erkläre. Hier auch noch ein Capture One Bearbeitungsvideo, wo das Bild mit dem Summarit geschossen wurde.
Ich kann Deine Begeisterung ohne weiteres nachvollziehen auch wenn ich mich von Leica
als Marke schon längst verabschiedet habe und ich dahin zurückgekehr bin wo meine Reise
von fast 30 Jahren begonnen hat - Nikon !
Aktuell verwende ich fast ausschließlich auf AI umgerüstete Nikkore (Berg & Tal)
der Produktion zwischen 1959-1976 an meinen analogen Gehäusen oder DSLR´s.
Genau der selbe “Look” hat mich bei diesem “Altglas” so fasziniert der Dir auch beim
Summarit gleich ins Auge gefallen ist und letztlich ist es doch das Bild das wir wollen
oder ?
Hi Paddy,
die für mich wiederkehrenden Erkenntnis ist vor Allem, dass DU mit jeder alten Scherbe sehr ansprechende Bilder machen kannst…!!!
Es ist natürlich auch erstaunlich, was die vor Jahrzehnten schon für eine Qualität erzeugt haben, die auch heute noch irgendwie funktioniert. Aber ob man sich jetzt so ein Teil an eine moderne Digitalkamera schrauben muss…? Auch wenn es für Leica Verhältnisse “nur” 1.300 EUR kostet, das Bokeh ist schon irgendwie komisch und wenn die Schärfe auch nicht soo doll ist, dann ist das Teil wohl schon was sehr Spezielles für Kenner/Könner und ein “Schraubgewinde” wohl so etwas wie ein alter Greis oder ein weisser Schimmel… 😉
(sorry fürs klugscheissen)
Grüße und Danke für den unterhaltsamen Artikel und vor Allem für die schönen Bilder..!
Bin mir gerade unsicher, der Look ist toll, ich finde die Ergebnisse fantastisch! Aber beides ist ja auch untrennbar mit dem Fotografen verzahnt. Ich finde das Bokeh sehr ansprechend. Und für mich muss ein Foto nicht auf den Punkt scharf sein, um eine Wirkung zu erzielen…vielleicht probiere ich das Teil auch mal aus 🙂 Danke für den Artikel und die Bilder.
Irgendwie faszinierend ist die Verwendung der alten Scherben schon. Neben den anderen, meist weicherem, Look ist oft auch der Farbton etwas aus einer anderen Zeit. Passt nicht immer, aber manchmal.
Besonders reizvoll finde ich die Verwendung der alten Objektive in Verbindung mit Negativfilm. Neben den Leicagläsern ist übrigens das manuelle 50mm Objektiv mit Blende 1,2 von Nikon herausragend. Es wird seit über 40 Jahren produziert.
Servus Paddy
Dein Post zum Thema analoge Fotografie fand nie eine Fortsetzung. Machst du solche Shootings immer noch (d.h. ohne digitales Netz) oder war das doch mehr ein zeitlich begrenztes Projekt? Und ist das nur ‚Hobby’ oder auch schon mal eine Auftragsarbeit? Schöne Grüsse, Erich
Hallo Paddy,
ich hatte neulich (am 15.August) hier:
https://neunzehn72.de/capture-one-pro-step-by-step-bearbeitung-beach-look/
schon einmal die Frage gestellt, jetzt habe ich hier (bin am Arbeitsplatz) folgendes Problem:
Ich sehe in deinen bearbeitet/unbearbeitet Schieberegler-Bildern immer irgendwie ein verzerrtes Bild, entweder das rechte oder das linke oder beide sind irgendwie “gestreckt”, nicht im Maßstab.
Weiß jemand woran das liegen könnte?
(Internet-Explorer 11.0.45 muss ich hier verwenden, automatische Bildanpassung ist eingeschaltet, habe ich aber auch schon abgeschaltet mit gleichem Ergebnis!)
Gruß Manfred
Hallo Manfred, ich habe keinen Internet Explorer und kann das nicht testen. Probiere doch einfach mal einen anderen Browser aus.
Hallo Paddy,
wie bereits geschrieben, hier an meinem Arbeitsplatz muss ich Internet-Explorer benutzen.
Mit Firefox z.B. funktioniert das ganze ohne Probleme. Möchte nur mal verstehen, warum es im IE nicht geht!
Vielleicht liest ja ein IT-Experte mit, und kann mir dazu mal einen Tip geben!
Gruß Manfred
Also, ich lass’ an meine Leica nur das C-Sonnar ran: im Vergleich zum Summarit m.E. schöneres Bokeh, bessere Auflösung in der Bildmitte, auch bei f1.5 gut nutzbar und für 1.000 Euro neu und mit Garantie, und für 600 Euro in Top-Zustand gebraucht zu haben. Dazu noch das passende Bayonett. Wer - wie Du hier im Test - fast alle Bilder mit derselben Blende macht, lässt sich das C-Sonnar auf die entsprechende Blende (1.5 oder 2.8) bei Zeiss justieren, und es gibt kein Backfokus-Thema. Und schön ist das C-Sonnar auch noch…
Natürlich ist das C-Sonnar eine ebenso schöne Linse und liefert justiert auf 1.5 im Porträtbereich wunderbare, knackigere Ergebnisse mit dem gewissen “Vintage-Look”. Es kommt darauf an, was man mit dem Summarit machen möchte. Porträts damit haben den Zauber der ganz klassischen Objektive, die man von der Großformatfotografie kennt, wie die Cookes, Taylor- Hobsons etc. Dazu kommt noch das besondere Bokeh wie bei einem Petzval. Das Fokus Thema lässt sich mit kleineren Eingriffen sogar selbst beheben. Lest mal den Artikel von “BrianS” in cameraderie.org…
Hi, Paddy!
Ich bin immer wieder begeistert: nicht nur über Deine Fotos, sondern auch über die unterhaltsame Art, wie Du Deine Erfahrungen und Eindrücke mit den Leica Linsen schilderst.
Aber eine Frage interessiert mich doch: Du nutzt ja auch das Noctilux 1.0. mal abgesehen von der Anfangsblende - kannst Du mit ein paar Worten mal einen Vergleich ziehen? Bokeh, Schärfe, Nutzbarkeit für Portraits? Würde mich freuen!
Grüße von Ralf
Kleiner Schreibfehler: “…wie Ihr auch schon im Artikel über das Summarit…” Es ist wohl das Summitar gemeint. Dieselben Buchstaben in anderer Reihenfolge.