Als ich vor einigen Wochen mal wieder beim Dealer meines Vertrauens reinschneite, drückte man mir dort ein 50mm Objektiv in die Hand. Hier, probier einfach mal aus. Kannste ein paar Tage behalten. Es war ja unverfänglich, wie immer eigentlich. Nach Hause ging ich mit einem Nippon Kogaku Nikkor mit 50 mm Brennweite und einer maximalen Blendenöffnung von f/1.4.
Nikon hat damals noch unter dem Firmennamen Nippon Kogaku unter anderem Messsucherkameras und entsprechende Objektive dafür gebaut. Darunter auch dieses Schätzchen. Es besitzt ein M39-Gewinde und kann mit einem Adapter direkt ohne Einschränkungen an der Leica M betrieben werden. Zu 100% konnte ich nicht herausfinden, wann das Teil gebaut wurde, aber ich nehme an, dass es aus den 1950er Jahren stammt. In dieser Liste konnte ich es nicht eindeutig zuordnen. Kennt evtl. jemand noch eine andere Quelle, wo man nachschauen könnte?
Interessant dazu ist auch der Wikipedia-Artikel zur Geschichte Nikons. Dort steht beschrieben, dass zum Erfolg der Messsucherkameras auch die innovativen Objektive Nikons beitrugen. Bekannt wurden sie unter anderem durch David Douglas Duncan, der 1950/1951 damit an seiner Leica den Koreakrieg dokumentierte. Berühmt wurde “DDD” durch sein Buch This Is War!: A Photo Narrative of the Korean War, dessen Bilder mit diesen Objektiven aufgenommen wurde. Ich habe mich gleich mal auf die Suche nach dem Buch begeben. Es gibt einige bei Drittanbietern auf Amazon zu akzeptablen Preisen. Ist bestellt 😉
Interessant dazu auch dieses kleine Video über “DDD” zum 100. Geburtstag von Nikon. Er spielte eine nicht unbedeutende Rolle für den Erfolg Nikons.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Das Besondere an diesem Objektiv ist, dass es damals angeblich für die Naheinstellgrenze von einem Meter bei offener Blende optimiert wurde und da bereits die beste Abbildungsleistung bringen sollte. Der Fokusring rastet bei einem Meter ein, so dass man genau weiß, wann man diesen Punkt erreicht hat. Darüber hinaus kann man den Fokusring aber weiter drehen und auch auf kurzen Distanzen von ca. 45 cm fokussieren. Dann allerdings funktioniert der Messsucher nicht, man muss bei modernen Kameras Liveview verwenden.
Solchen Linsen machen mich ja an. Vielleicht erinnert Ihr Euch an den Bericht über das Summitar, das mich auch schon begeistert hat. Ich nahm das Objekitv also erst einmal mit und machte die üblichen langweiligen Testschüsse. Da merkte ich schon, dass es sich um ein interessantes Stück Altglas handelt. Eigenwilliges Bokeh und mit etwas Nachhilfe auch gute Schärfe. Vor allem aber machte mich die Naheinstellgrenze an. Bei den Leica-Objektiven nervt nämlich ganz gehörig, dass diese nur bis auf 0,7 m fokussieren. Näher geht nicht.
Aber irgendetwas passiert ja immer. Nach einigen Tagen kam eine SMS. Das Objektiv muss zurück, da wäre ein Kunde, der Interesse hat. Verdammte Sch*#&%$ so ein F***. Ich musste handeln … und schrieb zurück: schickt mir eine Rechnung.
Das Objektiv besitze ich nun seit einigen Monaten und habe es auch oft im Einsatz gehabt. Es ist einfach so schön klein und sieht dazu auch noch ungemein gut aus. Sagte ich schon, dass ich meine Objektive unter anderem nach ihrem Aussehen kaufe? Ja, krank, ich weiss 😉
Egal wie alt ein Objektiv ist, es muss eine gewisse Grundschärfe aufweisen. Dass ich vielleicht ein wenig Nacharbeiten muss, ist ok, aber es darf keine Matschgurke sein. Das Nikkor liefert meiner Meinung nach eine hervorragende Grundschärfe ab. Mit nur wenigen Handgriffen bekommt man die Bilder in der Nachbearbeitung knackscharf, was man bei dem Bild meines Hundes oben ganz gut erkennen kann.
Besonders gut gefällt mir das Bokeh, das die 12 Blendenlamellen zaubern. Es ist vielleicht manchmal etwas ruppig, aber genau das gibt den Bildern einen eigenen Charme und Charakter. Man sieht ihnen an, dass sie nicht mit einem modernen Objektiv gemacht wurden. Die Kombination mit einem aktuellen Sensor macht die Sache dann für mich auch im Alltag spannend. Es ist nicht nur eine Effektspielerei, sondern durchaus eine ernstzunehmende Linse.
Am coolsten ist jedoch die geringe Nacheinstellgrenze. Genau das hat mir oft bei den Leicascherben gefehlt. Hin und wieder gehe ich auch mal gerne etwas näher ran. 70 cm sind da aber noch zu viel Abstand. Das Nikkor ist da perfekt, wobei ich gestehen muss, dass das Fokussieren mit Liveview schon etwas anstrengend ist. Evtl. lege ich mir dafür noch einmal den elektronischen Viewfinder zu. Leider habe ich dann aber auch Problem festgestellt, dass ich bisher nicht lösen konnte. Das Liveview geht hin und wieder nach einiger Zeit wieder aus. So als wäre kein Objektiv auf der Kamera. Das ist vor allem bei der M10 so. Manchmal bleibt das Bild länger und manchmal ist es nach einer Sekunde schon wieder weg. Die Objektiverkennung habe ich selbstverständlich ausgeschaltet. Ich nehme an, dass es am Adapter liegen könnte, aber auch ein zweiter Adapter zickt ähnlich rum. Als ich bei Meister im Laden stand war natürlich alles perfekt. Vorführeffekt, wie immer. Ich hoffe mal darauf, dass vielleicht einer von Euch noch eine Idee hat, was da los sein könnte.
Ich habe mich auch im Netz etwas umgeschaut. Wirklich viele Exemplare scheint es von diesem Objektiv nicht zu geben, zumindest nicht auf dem Gebrauchtmarkt. Daher bin ich auch echt froh eins ergattert zu haben. Das Ding scheint eine kleine Perle zu sein. Leider hat das auch immer Folgen. Nun muss ich mal Ausschau nach dem 85 mm Objektiv halten, von dem in dem Wikipedia-Artikel die Rede ist 😉
Insgesamt ein guter Kauf und für das Alter eine beachtliche optische Leistung.
Sharing is Caring: Wenn Dir der Beitrag gefallen hat, dann kannst Du meine Arbeit am einfachsten unterstützen, indem Du ihn weiter teilst. Vielen Dank!
Hallo Paddy, ja die alten Linsen von Nikon sind erstaunlich gut. Die größere Teil wurde wohl allerdings mit Nikon-S Mount gebaut und nur ein kleinerer Teil in M39. In Deutschland tauchen die Teile nicht so oft auf, in Japan oder USA wird man aber zumindest bei ebay fündig. Canon hat in der Zeit im übrigen auch hervorragendes RF-Glas mit M39 (LTM) gebaut. Einen guten Überblick zu den alten oder jungen Schätzen bietet https://www.cameraquest.com/ltmlens.htm . Das Nippon Kogaku Nikkor P.C 8.5cm F2, silber, M39 habe ich hier liegen, könnte ich dir mal zum Testen schicken falls du Interesse hast.
VG Christoph
Habe Dir ne Email geschickt.
Bei der Frage, welches ist dein liebstes Objektiv/Brennweite hätte ich früher immer 50mm gesagt. Heut ist das anders, da sind es mal 24/28mm, 35mm, 50mm, 85mm oder gar 135mm. Aber dieser Beitrag zum Nippon Kogaku Nikkor-S.C f=5cm 1:1.4 zeigt, wie toll doch 50mm Gläser sind. Eigentlich lohnt sich ein Objektivtest mit Altglas immer mal, auch mit anderen Kameras, man sieht so viele Eigenarten (Objektivfehler) des Objektivs, die bei den modernen Teilen weg sind, weil sie schon rausgerechnet wurden. Für mich ist das Trioplan ein solches Objektiv, 50mm oder 100mm, wo ich immer wieder staune.
Klasse Bericht dazu. Überlege nun, ob ich mein Hardware erweitere. Aber so wie es sich anhört, werd ich wohl keines mehr finden. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt 😉 btw. klasse Fotos
Hey Paddy,
wieder ein sehr cooler Bericht. Ich warte immer schon mit Spannung auf die neuen Artikel vom Profi Fotograf. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich als Hochzeitsfotograf schon immer mit Canon fotografiere. Aber so langsam bin ich auch am Überlegen nicht einmal was neues auszuprobieren. Ich werde mich mal weiter informieren, aber die Fotos hier sind echt überzeugend. Respekt!
Hallo Paddy
Wie immer ein toller Bericht, mich würde interessieren ob du auch mal ein Anfänger Objektiv empfehlen kannst… Da die Anschaffung einer Leica ja mal zum Anfang etwas den Rahmen sprengen kann. Auch wenn jetzt einige denken werden.… wer eine Leica sich kauft hat auch noch mal soviel Geld sich ein Gutes Objektiv zu kaufen.….. Dem ist leider nicht immer so
Ich habe doch auch oft schon günstigere Objektive getestet. Vor allem für Nikon und Olympus.
Danke für die feine Inspiration. Warte nun auf mein Kogaku 50 aus Japan. Werde es an die A7ii adaptieren.
HG Wolfgang
Dann erzähl doch mal ob der Kauf und Import stressfrei war.
Mach ich wenn es angekommen ist. Ist derzeit auf dem Versandweg. Hatte bisher noch keine Probleme.
Hallo Paddy,
anbei, wie versprochen, die Info zum Kogaku 50. Es hat alles perfekt geklappt.
1. am 13.06 per Ebay über Japan eingekauft.
2. noch am selben Tag die Info bekommen, das die Ware versendet wurde.
3. am 21.06 wurde das Päckchen zugestellt - dazu per Nachname die Zoll- und Importgebühr.
Die Verzollung bzw. der Import lief automatisch über die Post.
4. Das Objektiv ist in sehr gutem Zustand. Auch das Glas, ohne Makel.
5. Ich musste mir dazu einen Adapter anfertigen lassen, um das Glas an der Sony A7ii nutzen zu können.
6. Jetzt gehts ans Bilder machen.
Hier ein Link vom Kogaku mit Adapter für E-Mount.
https://www.flickr.com/photos/96058413@N06/43001429291/in/dateposted-public/
Hallo Paddy,
Hab das hier gerade erst gelesen und kann der Begeisterung für alte Objektivschätzchen nur beipflichten.
Falls das noch relevant ist: ich hatte das Problem mit dem ständigen Abschalten des LiveView ebenfalls. Schuld sind die m39 Adapter, die den Sensor für die Objektiverkennung am Bajonett nicht vollständig abdecken. Im Innenraum bei weniger Licht funktioniert das dann meist noch (Vorführeffekt beim Händler), aber spätestens draußen bei Tageslicht wird der Sensor irritiert und glaubt ständig, da sei ein neues Objektiv drauf gekommen.
Abhilfe schafft z.B. ein älterer Novoflex m39 zu M Adapter, der nur 3 kleine Aussparungen hat, ansonsten aber „vollständig“ rund ist, ohne die übliche Ausparung neuerer Adapter.
Damit ist das Problem weg! (Hatte an der SL das selbe Problem).
HG,
Ralf
Hallo, danke für den super Tipp! Habe ihn bestellt und nun wird alles erkannt und auch übertragen. Danke Ralf und Paddy natürlich auch.
Das Objektiv macht einfach mega viel Spaß 🙂
Hi Patrick,
habe heute mit Interesse deinen Bericht gelesen und als jahrzehntelanger M-Fotograf Appetit bekommen… Würdet du mir verraten, was du für deine – offenbar gut erhaltenes – Exemplar bezahlt hast?
Danke im voraus
vom Holger
Hey Paddy, danke für den kuhlen Bericht und den Verweis auf David Douglas Duncan. Den werde ich mir gern genauer ansehen. Unter den Kriegsfotografen finde ich James Nachtwey wahnsinnig beeindruckend. Wie er arbeitet und seine Bilder im Nachgang mit analogen Techniken entwickelt ist großartig. Meist schwarz/ weiß. Wie wichtig ihm Nuancen im Kontrast und Tonwert sind, um die bedrückende Stimmung einer Szene darzustellen. Irre. Vielleicht ganz interessant für Dich. Es gab vor Jahren mal eine Doku über ihn auf arte oder im öffentlich Rechtlichen.
Beste Grüße
Hallo, super Bericht und ich mag auch alte gute Objektive.
Aber wo ist der Unterschied zwische s.c und den s Objektiven?
Hallo, wirklich ein klasse Bericht.
Hab mit dem Objektiv aktuell das selbe Problem mit dem Live view aber das scheint man ja mit einem anderen Adapter zu lösen. Danke schon man dafür. Nun hab ich noch eine Frage: funktioniert mit neuem Adapter das Fokus Peaking an der M10 auch wie bei den Leica Objektiven oder braucht man dafür die 6bit Kodierung ?
Viel Grüße
Christof Baumann