Dies ist ein Gastartikel von Philipp Arnold. Ich fand das Thema ganz spannend, denn auch ich kenne das. Manche Bilder schreien einen sofort an, verlieren aber nach einiger Zeit an Kraft. Andere wiederum brauchen eine gewisse Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten, sind dann aber dafür um so “langlebiger”. Ich bin gespannt, wie Ihr das Thema findet und freue mich auf Eure Kommentare. Nun aber hat Philipp das Wort:
Kennt ihr das? Manche Fotos springen einem direkt ins Gesicht. Beim Durchschauen der Bilder denkt man sofort “Wow, so ein hammergeiles Bild”. Am Rechner kommt dann der Feinschliff, bisschen Kontrast hier, etwas Schärfen da. An der Ecke schneiden wir noch bisschen zurecht. Perfekt. Bild ist fertig, sieht gut aus. Abspeichern hochladen und alle finden’s toll. Das sind auch solche Bilder, die einem zum Beispiel beim Scrollen durch die Timeline auf Facebook anspringen. Sie bringen uns aus dem Scannen raus und zum Hinsehen.
In der schnellen Social Media Welt, wo die Aufmerksamkeitsspannen kürzer sind als die Abbrennzeit eines Aufsteckblitzes, muss man schon den Holzhammer auspacken und dem Besucher volle Möhre über die Rübe ziehen, damit der was mitkriegt. So ein Bild muss sich anfühlen wie so eine Druckluft-Tröte. Anders geht’s nicht. Es würde einfach untergehen. So ein Bild würde ich mir aber nie im Leben daheim an die Wand hängen. Geschweige denn zwei in einen Raum. Das kommt einem vor als würde in jeder Ecke des Zimmers so ein gelber Minion stehen, der pausenlos nach einem ruft. Da wirste doch bescheuert…
Wahrscheinlich bin ich nicht der beste, um solche Schreihals-Bilder zu zeigen. Aber ich hab auch lautere und leisere. Nehmen wir mal sowas hier. Mein Lieblingsfoto aus einer Serie, die ich im Sommer 2014 fotografiert habe. Hier hat tatsächlich einiges gut gepasst und ja, ich bin schon ein wenig stolz auf das Foto. Ich mag die Bildaufteilung, die drei Bäume sind super und auch das Licht mit der untergehenden Sonne im Hintergrund kommt gut. Ich freu mich auch immer, wenn ich das Bild sehe. Aber so jeden Tag? Bei mir an der Wand? Wär mir glaube ich zu anstrengend.
Zum Glück gibt’s auch leise Bilder. Die drängen sich nicht auf. Die entdecken wir beim Durchschauen erstmal gar nicht. Die fallen uns erst viel später auf. Das liegt einfach am Charakter des Bildes. Leise Bilder sind still, friedlich. So eins kann man sich zuhause hinhängen. Es nervt nicht und drängt sich nicht auf. Macht den Raum aber schöner, besser, angenehmer.
Klar… Das ist wieder mal leichter gesagt als getan und es hat auch ein bisschen mit Zufall zu tun. Aber nicht nur. Schaut doch einfach mal nach den “normalen” Dingen. Scheinbare Belanglosigkeiten. Es müssen nicht immer Extreme sein. Überwältigende Schärfe auf jedem Millimeter. Bombastische Farben. Starke Kontraste.
Meistens sind die leiseren Bilder meine heimlichen Favoriten aus einer Serie (oder einem Urlaub). Auch wenn ich sie nicht als Titelbild für den Blog oder einen Facebookpost nutze. Mein Eindruck ist, dass diese Bilder meistens nur mir gefallen und das ist voll in Ordnung. In den seltensten Fällen sind sie (nach objektiven Kriterien) perfekt. Oft sind sie nicht mal richtig scharf und rauschen tun sie auch.
Das Titelbild hab ich vor drei Jahren im Januar in Frankreich gemacht. Ich war an den Felsen, die man am Horizont sieht, und gerade auf dem Rückweg. Der Wind blies wie verrückt. Zehn Sekunden später fing es an zu schütten. Das Foto hab ich quasi über die Schulter nach hinten gemacht. Es ist nicht perfekt scharf. Was man in der Größe aber nicht sieht. Es ist auch gestalterisch nicht ideal. Recht mittig ohne richtigen Eyecatcher. Trotzdem mag ich es und hab auch einen Druck davon.
Noch ein Beispiel? Ok.
Ein Foto vom Sommer 2013. Eine kleine Schlucht im Pfälzer Wald. Ich stehe mit Kamera und Stativ knöcheltief im Wasser.
Auch das Bild find ich super. Geht nach hinten schön in die Tiefe, hat einen netten Vordergrund. Licht passt auch. Wär mir an der Wand aber auch zu anstrengend. Dann doch lieber so ein kleines Detail.
Gleicher Tag, gleicher Ort. Aber schön unaufgeregt. Details können auch toll sein. Ist aber kein Kriterium für “leise” Fotos. Siehe erstes Beispiel.
Was können wir daraus jetzt mitnehmen? Schnappschüsse sind die besten? Eher nicht.
Vielleicht einfach nicht jedes Mal nur nach den absoluten Highlights suchen. Nicht jedes Mal höher, weiter, schneller. Manche Fotos muss man auch einfach mal bisschen liegen lassen bis sie wirken. Manche Bilder gefallen mir erst nach dem dritten oder vierten Durchschauen.
Jetzt aber genug von mir. Ich (und Paddy auch, denke ich) bin gespannt, wie ihr das seht. Welche Bilder hängt ihr euch daheim an die Wand? Hat euch davon auch mal eins nach ein paar Wochen genervt?
Mehr Arbeiten von Philipp findet Ihr auf seiner Webseite.
Es gibt wenige Bilder welche mich auch nach Monaten oder Jahren
immer noch oder immer wieder gefallen.
Das liegt nicht primär an den Fotos sondern mehr an mir selbst
und den Veränderungen in meiner Sichtweise.
Als einziges Grundkriterium dürfte aber das “Unaufgeregte” oder “Ungekünstelte”
alle diese “Ergebnisse” verbinden - also kein Form vs. Inhalt sondern mehr eine Art
Veränderung oder Modifikation der Form ohne den Fokus des Inhaltes zu verlieren.
Der eigene Stil ist ein Prozess der sich entwickelt und dabei wächst in dem er reduziert.
Angestoßen durch Inspiration auch außerhalb der Fotografie, Musik, ein gutes Buch
oder ein Spaziergang.…..
Ich bevorzuge auch eher die „leisen“ Töne in der Bildsprache (Shinzo Maeda,Michael Kenna etc.). Marktschreierische, visuelle Bomben sind in der Tat meistens schnell verpufft.
Sehr schöner Betrag! Ich denke die Inflation der Bilder heutzutage führt dazu, dass viele Fotografen “laute” Bilder präsentieren, um noch Gehör zu finden. Quietschbunt und spektakulär muss es sein, um zu begeistern. Die ruhige Schiene verlangt mehr vom Fotografen ab, ist aber auch langlebiger. Ich selbst versuche das dadurch zu erreichen, dass ich mich auf die Restnatur in meinem Umfeld konzentriere statt nur irgendwelche Hot Spots auf der Erde zu bereisen. Das ist eine viele größere Herausforderung. Und als Alternative zur flickr-Reizüberflutun entsättige ich meine Bilder standardmäßig.
Gerade das letzte Bild erinnert mich an das, was manche Zen Fotografie nennen.
Richtig definiert ist diese Art der Fotografie ja nicht, aber ich finde viele dieser ruhigen Bilder sehr ansprechend.
Ohh, ein schönes Thema und toll beschrieben. Ich glaube, jeder hat so seine Favoriten die oft nur die eigenen sind… :).
Kristan, du hast es ganz gut kommentiert. Ergänzen möchte ich, dass Hot Spots oft schon das gewisse Etwas haben, man kann sie und sollte sie auch bereisen und dort aber auch leise Bilder aufnehmen. Meistens sind diese ganz in der Früh menschenleer und man kann andere weniger spektakuläre Aufnahmen probieren.