Im Schatten liegt der Charakter des Bildes

DSC_9570

Die­ser Bei­trag ist inspi­riert durch Gesprä­che in den letz­ten Work­shops. Da zeig­te ich, wie ich mit Licht arbei­te und wie sich die wech­seln­den Licht­si­tua­tio­nen auf die Beleuch­tung des Models und die Schat­ten­bil­dung aus­wir­ken. Oft kommt es vor, dass jemand anmerkt: “da bil­det sich dann aber ein Schat­ten” oder “den Schat­ten muss man aber auf­hel­len” oder ähn­li­ches. Dar­um möch­te ich heu­te die­sen Blog­post mei­ner Lie­be zu Schat­ten widmen.

Nasen­schat­ten, Kinn­schat­ten, Schlag­schat­ten schei­nen sich als etwas schlech­tes im Kopf vie­ler Foto­gra­fen mani­fes­tiert zu haben. Das Licht muss mög­lichst weich sein und die Aus­leuch­tung schat­ten­frei. Mit­tags­son­ne ist der Feind, denn die macht Schat­ten. Bil­det sich irgend­wo ein Schat­ten, so wird die­sem sogleich mit einem Auf­hel­ler oder Dif­fu­sor der Gar­aus gemacht. Dabei ist der Schat­ten für mich ein fes­ter Bestand­teil der Licht­set­zung. War­um spricht eigent­lich nie­mand von Schat­ten­set­zung? Für mich muss auf einem Bild auch nicht alles erkenn­bar sein. Tei­le des Bil­des dür­fen durch Schat­ten ver­deckt sein, sie gehö­ren für mich sogar dazu. Ein Bild ohne Schat­ten ist wie Labs ohne Kaus. Indem Bild­tei­le ver­deckt sind, erzeu­ge ich Span­nung und Dra­ma­tik im Bild. Das ist natür­lich nichts für Beau­ty­fo­to­gra­fie, die wei­test­ge­hend von per­fekt aus­ge­leuch­te­ter und rei­ner Haut lebt. Viel Licht neigt dazu Din­ge posi­ti­ver dar­zu­stel­len. Hell ver­bin­den wir mit dem Guten und die Schat­ten sind eher etwas böses. Die Böse­wich­te leben nun mal in der Schat­ten­welt. Arbei­te ich mit har­tem und direk­tem Licht, so bil­det sich an der kleins­ten Uneben­heit ein Schat­ten, was zur Fol­ge hat, dass jedes Details der Haut betont wird. Feins­te Här­chen und win­zigs­te Pickel­chen kom­men zum Vor­schein, die kleins­te Nar­be wird zum Kra­ter. Das emp­fin­den wir oft als einen Makel. Ein Schat­ten kann unge­woll­te Details betonen.

P9240217

Ande­rer­seits kann ein Schat­ten auch Din­ge aus­blen­den. Schat­ten kön­nen gan­ze Kör­per­par­tien im Dun­keln ver­schwin­den las­sen. Mit Schat­ten las­sen sich Sil­hou­et­ten bil­den und sie ermög­li­chen feins­te Licht­kan­ten, die nur ein­zel­ne Par­tien des Gesichts in den Vor­der­grund rücken. Schat­ten kön­nen auch das Leben in einem Gesicht zei­gen. Je nach Art der Foto­gra­fie kann dies gewünscht sein. Möch­te man den Cha­rak­ter eines Gesichts zum Vor­schein brin­gen, so ist man auf Schat­ten ange­wie­sen. Fal­ten betont man, indem man sie schräg anleuch­tet und so eine Schat­ten­bil­dung zulässt. Ohje, das böse F-Wort. Fal­ten sind ja beim Groß­teil der Bevöl­ke­rung nicht so gern gese­hen. Dabei sind sie das nor­mals­te der Welt. Wer nie in sei­nem Leben Fal­ten hat­te, der ist früh gestor­ben. Wie­so ist “Alt sein” eigent­lich schlecht? OK, Alt ist nicht sexy, hat dafür aber alle ande­ren Vor­tei­le, die man erst mit der gewis­sen Lebens­er­fah­rung genies­sen kann. Um die Lebens­er­fah­rung und Weis­heit in einem Bild zum Aus­druck zu brin­gen, bedient man sich ger­ne des sog. Cha­rak­t­er­por­traits, wel­ches viel­fach von auf­fäl­li­ger Schat­ten­bil­dung und der damit ein­her­ge­hen­den Beto­nung aller Gesichts­par­tien lebt.

150209-SP-0172

Nun ist es so, dass vie­les in der Foto­gra­fie Geschmack­sa­che ist. Eini­ge mögen die hel­len ver­träum­ten Bil­der, ande­re die etwas ver­ruch­ten, schmut­zi­gen, dunk­len Bil­der. Ich moch­te schon immer Schat­ten und sie dür­fen auch ger­ne extrem sein. Auch mit knal­li­ger Son­ne mag ich arbei­ten. Da bil­den sich dann teil­wei­se sehr har­te Schat­ten, aber genau so muss es sein, wenn ein Bild einen rich­tig schön som­mer­li­chen Look hat. Zum Som­mer gehö­ren nun mal har­te Schat­ten, auch wenn wir Ham­bur­ger da eigent­lich nicht mit­re­den kön­nen. Was ich Euch jedoch ans Herz legen möch­te ist, mit Schat­ten zu expe­ri­men­tie­ren und sie nicht pau­schal als schlecht zu akzep­tie­ren. Nur weil in irgend­ei­nem Buch steht, dass man einen Schat­ten auf­hel­len muss, ist das noch lan­ge nicht rich­tig. Schat­ten gilt es nicht zu ver­mei­den, son­dern sie eben­so gezielt ein­zu­set­zen, wie auch das Licht. Wer Licht setzt, muss auch Schat­ten set­zen. Ein­Bild bekommt erst durch die Schat­ten sei­nen Charakter.

Hier kommt noch eine wil­de Aus­wahl von Bil­dern der letz­ten Jah­re, die alles ande­re als Schat­ten­frei sind 😉

Zum Schluß sei mir der wer­be­wirk­sa­me Hin­weis auf mein Video­tu­to­ri­al “Wie ich Licht sehe” erlaubt.

130305-JS-0026 130909-LM-0011 131210-DJ-0010 140418-AF-0055 150209-SP-0165 150209-SP-0216 150212-SP-0308 151001-SILA-0078 151109-AKI-0018 151110-DM-0005 160103-VIK-0008 160307-LM-0028 20130208-JH-0027 20130208-JH-0035 L1020231 PB280016 PL1_5925 PL2_1290

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmst du unserer Datenschutzerklärung und der Speicherung von dir angegebener, personenbezogener Daten zu.

19 Gedanken zu „Im Schatten liegt der Charakter des Bildes“

  1. Rich­tig, das sehe ich auch so. Und die Bil­der im Blog ver­deut­li­chen es auch sehr gut. Die Lek­tü­re ist immer wie­der inter­es­sant. Gra­tu­la­ti­on und wei­ter so.

    Antworten
  2. Hi Patrick,

    es soll­ten wie­der mehr Kom­pli­men­te gemacht werden:
    Du bist wirk­lich ein her­aus­ra­gen­der Foto­graf und ein sehr ange­neh­mer Ham­bur­ger. Dar­über hin­aus ver­fügst Du über eine aus­ge­zeich­ne­te Schrei­be - prä­zi­se, ehr­lich, humor­voll. Auch im beweg­ten Bild machst Du einen sym­pa­thi­schen Eindruck.
    Kommt biss­chen zeug­nis­mä­ßig rüber, was bei Lob aber nicht stört, oder?

    Alles Gute für Dich

    Bernd Krü­ger

    Antworten
  3. Abso­lut kor­rekt!!! In der Por­trait­fo­to­gra­fie (und nicht nur) war für mich schon immer der Schat­ten DAS Gestall­tung­mit­tel (je mehr umso bes­ser, hart oder weich, egal, ist situa­ti­ons­ab­hän­gig), ich setz­te Licht ein um Schat­ten zu bekom­men, erst dann ent­seht Span­nung, Dyna­mik im Bild und das Por­trait bekommt Charakter.
    Habe dein Bericht in Bild und Text genossen.
    Danke!

    Gruß
    Sandrino

    Antworten
  4. Wow, dein ers­tes Bild von Aki find ich wahn­sin­nig gut! (Wobei alle ande­ren auch super sind!!)
    Ja, du hast recht. Soll­te man sich öfter (/immer) zu Her­zen nehmen.
    Dar­an muss ich auch noch arbeiten. 😉

    & Schön, dass die Kom­men­tar­funk­ti­on wie­der frei­ge­schal­ten wurde! 🙂

    Antworten
  5. Hey,

    Sehr inter­es­san­ter Bei­trag. Ich füh­le mich auch als Schat­ten­feind ertappt. Dein Bei­trag inspi­riert mich aber bewusst mal das ein oder ande­re Schat­ten­shoo­ting zu machen. Also so ganz bewusst.

    Vie­le Grüße,

    Marc

    Antworten
  6. Gude lie­ber Patrick, 

    ich mag schon seit Jah­ren Dei­ne sw Por­traits … auch wenn Lich­ter bei Out­door­bil­dern öfters mal aus­ge­fres­sen sind ?. Ich bewun­de­re die Art und Wei­se Dei­ner Pho­to­gra­phy und das Du Dich nicht in eine Schub­la­de rein quet­schen lässt. ?? Dei­ne insze­nier­ten Schat­ten sind genau die i-Tüp­fel­chen in den Bildern.
    Bleib so wie Du bist und mach ein­fach wei­ter so! 

    Vie­le Grüße
    Kerstin

    Antworten
  7. Klas­se Bilder !
    Im lau­fe der Zeit ist bei mir ein Wan­del ein­ge­tre­ten, frü­her war nur wei­ches Licht das wah­re mitt­ler­wei­le fin­de ich har­tes Licht & Schat­ten auch super.

    Antworten
  8. Hal­lo Paddy,

    genau­so schät­ze ich mono­chro­me Bil­der , Mann (oder Frau ) freut sich das Mono­chrom wie­der so ange­sagt ist. Ham­burg hat aber auch per­fek­te Loca­ti­ons , das sieht man an dei­nen Street­fo­tos die alle Ihren eige­nen Cha­rak­ter haben.
    Bit­te wei­ter so, Gruß aus Bremen.

    Antworten
  9. Die “Schat­ten­set­zung” ist aus mei­ner Sicht genau dass, was dei­nen Bild­stil beson­ders macht. Gera­de mit die­sem Arti­kel ist mir das noch­mal so rich­tig bewusst gewor­den. Ein­fach klas­se wie du es immer wie­der hin bekommst Per­so­nen der­art toll abzu­lich­ten. Bin ja schon gespannt auf das #Hash­tag Maga­zin, wel­ches schon bereit liegt wenn ich vom Urlaub heim kom­me… 😀 Wei­ter so!

    Antworten
  10. Wie­der ein super Arti­kel von dir.

    Ich mag Schat­ten auch, aller­dings nur in bestimm­ten Situa­tio­nen. Wenn ich Fotos zur Doku­men­ta­ti­on schie­ße, wie die meis­ten Urlaubs­fo­tos zum Bei­spiel, dann hel­le ich die Schat­ten­flä­chen auf.
    Ich lie­be es aller­dings rei­fe Gesich­ter zu foto­gra­fie­ren. Dann macht Schat­ten rich­tig Spaß. Der Schat­ten wird dann zum Cha­rak­ter­ver­tär­ker. Man kann in Gesich­tern viel lesen. Und mit viel Schat­ten kann man die­se Geschich­ten wun­der­bar hervorheben.
    Da hat es in der Aus­wahl oben auch ein paar rich­tig schö­ne Gesichter/Geschichten dabei.

    Gruß aus Esslingen

    Antworten
  11. Ganz tol­ler Arti­kel und ganz tol­le Portraits!

    Ich ver­su­che auch nicht alles aus­zu­leuch­ten son­dern auch gewollt mit Schat­ten zu arbei­ten. Bleibt im Som­mer meis­tens nichts ande­res übrig wenn man ohne viel Schnick-Schnack unter­wegs sein möch­te. Dann muss man die Schat­ten halt nut­zen für inter­es­san­te Portraits 🙂

    Antworten
  12. Gera­de für jeman­den, der sich (seit lan­gem mal wie­der) gera­de mit der Foto­gra­fie, vor allem Per­so­nen­fo­to­gra­fie, beschäf­tigt, kom­men die Gedan­ken gera­de recht. 

    In den Work­shops, den Fach­ar­ti­keln, Tuto­ri­als wird uns bei­gebracht, die­se Schat­ten zu bekämp­fen. Letz­tes Wochen­en­de dann bei mei­nem qua­si ers­ten eige­nen “Shoo­ting” bin ich kläg­lich in die­sem Kampf gegen die Schat­ten geschei­tert. Und bin froh dar­über. Die Bil­der, die ich da hat­te, haben mir gefal­len. Rich­tig gut gefal­len. Und nun ver­su­che ich zu ana­ly­sie­ren was ich an mei­nem Licht “falsch” gesetzt habe um in Zukunft die Schat­ten “rich­tig” zu setzen.

    Antworten
  13. Ich wünsch­te, es wür­den mehr sol­cher Foto­gra­fen wie Sie geben, die die Welt sehen, wie sie ist. Anstatt mit allen Hilfs­mit­tel (Dif­fu­ser …) per­fekt machen zu wollen.
    Ich mach einen online Kurs mit und bin in mei­ner Suche nach Tipps schon oft auf Ihrer Sei­te gestos­sen. Vie­len Dank für die wun­der­ba­ren Anregungen.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar