Endlich, endlich, endlich habe ich es getan: Die ersten ernsthaften Porträtfotos im Studio sind entstanden, und meine Gefühlslage pendelt zwischen Stolz und Unsicherheit – oder besser: dem Wissen, was ich noch alles lernen muss, um so richtig cool zu sein. Patrick und die anderen erfahrenen Studiofotografen, die hier mitlesen, wissen sicher, was ich meine.
Allen anderen will ich (Co-Blogger Stefan meldet sich mal wieder) erzählen, wie es dazu kam, dass ich mich nun auch im Studio versuche. Und auch, welche Herausforderungen dabei zu bewältigen sind.
Also: Ich bin ein Quereinsteiger, wie so viele es heute sind. Seit vier Jahren erst fotografiere ich beruflich (also gegen Geld), und ich habe beschlossen, dass alles, was ich lernen und/oder vertiefen muss, im Crashmodus abzulaufen hat. Da kam 2017 ein interessanter Auftrag gerade recht: Ob ich nicht die Fotos der Jugendfeiern vom Humanistischen Verband Ostbrandenburg organisieren könne – zehn bis zwölf Veranstaltungen mit 500 bis 600 Jugendlichen, Fotografie all inclusive, also mit Gruppenbildern, Urkunden-Übergaben, Show- sowie Publikumsfotos und – vor allem – Studioporträts der größtenteils festlich gekleideten Jugendlichen.
Wow. Zu meiner Crash-Strategie gehört, dass ich niemals nein sage, wenn ein Kunde mit einem Auftrag droht. Ich rief meinen Freund Andreas an, der ein “echter” Fotograf mit Gesellenbrief und ca. 25 Jahren Berufserfahrung ist, und gemeinsam übernahmen wir den Job. Wir kauften mobile Hintergründe (Tipp: nicht Papier, sondern Vinyl nehmen, das ist zwar schwerer, viel schwerer, und auch teurer, aber es lässt sich auch von Stöckelschuhen nicht beeindrucken, und man kann es abwaschen), ich für meinen Teil kaufte drei Blitzköpfe samt Softboxen und Funksystem, und – we nailed it, wie die Amerikaner sagen. 2018 wurden wir wieder gebucht, und dieses Jahr im Mai und Juni haben wir auch an vier Wochenenden schon etwas vor.
Das Irrste an dem Job ist: Manchmal sind vor einer Veranstaltung knapp 70 Kinder durchs Studio zu schleusen, und wir haben dafür 30 Minuten Zeit, das macht also nicht einmal 60 Sekunden pro Modell: Zwei Porträts, zwei Ganzkörperschüsse, vielleicht noch einmal Freestyle (Haare schütteln, Kleidchen wehen lassen, solche Sachen) – und der Nächste, bitte. Es ist Fließband-Shooting, es ist an Tagen mit drei Veranstaltungen anstrengender als jede Hochzeit, aber wenn du dann am Computer sitzt und die Fotos durchschaust – dann gucken dich immer mal wieder absolut traumhafte Porträts an. Ich war davon total berührt und dachte mir: Wie wäre das wohl, wenn du nicht 60 Sekunden, sondern 60 Minuten (meinetwegen auch nur 30 Minuten) mit einem Menschen im Studio hättest?
Also habe ich begonnen, nach einem Studio Ausschau zu halten, und ich machte den Fehler, im Umkreis meines Wohnortes Königs Wusterhausen zu suchen. Gottseidank hat da nichts geklappt, denn wer kennt schon Königs Wusterhausen? Im Sommer 2018, nach dem zweiten Jugendfeier-Marathon, habe ich eine perfekte Untermiete in Berlin gefunden. Keine Adresse für Laufkundschaft, aber Laufkundschaft brauche ich ja auch gar nicht. Und “Studio in Berlin” klingt auf jeden Fall besser als “Studio in Königs Wusterhausen”. Jetzt habe ich einen voll ausgestatteten Raum zur Verfügung, ca. 75 Quadratmeter, mit vielen Vorteilen und auch ein, zwei Nachteilen. Wichtig ist: Man kann darin arbeiten.
Als ich zum ersten Mal allein im Studio war (ich kann sieben Tage im Monat drin sein), habe ich meine Crash-Strategie überdacht und entschieden: Mach langsam. Ich bestellte mir eine Schaufensterpuppe (45 Euro) samt Perücke (15 Euro), lieh mir etwas Kleidung von meiner Frau (man will ja nicht mit Akt anfangen), guckte Video-Tutorials und kaufte auch ganz altmodisch ein Buch: “Studio – Licht-Setups und Bildideen für gelungene Porträts” von Andreas Bübl, erschienen im Rheinwerk-Verlag, 39,90 Euro. Sehr übersichtlich, sehr verständlich, gut zum Nachmachen.
Dann fing ich an zu üben, bis ich mir dachte: So, jetzt kannst du es vielleicht mit echten Menschen probieren und weißt dann schon mal ein bisschen, was du mit den Blitzen tun musst. Mir ist einfach wohler, wenn ich nicht völlig hilflos durch die Szenerie stolpere. Ich habe also nach einigen Sitzungen mit der Puppe über Facebook vier Studiotermine für TfP-Shootings angeboten: für den 26. Dezember 2018. Tatsächlich war ich schnell ausgebucht, und die meisten Fotos, die ich hier zeige, sind an diesem Tag entstanden.
Ich bin mit den Ergebnissen ganz zufrieden, fast alle TfP-Models waren sogar sehr zufrieden, nur in einem Fall gab es hinterher noch Diskussionsbedarf. Das tut zwar ein bisschen weh, aber letztlich muss man das auch aushalten können, wenn jemand die eigene Arbeit mal nicht so toll findet. Wir sind in freundlichem Austausch und werden uns wahrscheinlich noch einmal im Studio treffen.
Die Erkenntnis, die fast noch wichtiger ist als das Ergebnis nach der Bildbearbeitung: Studiofotografie ist kein Kinderspiel. Es geht letztlich um vier größere Aufgaben, die jede für sich eigentlich gar nicht so schwierig zu erfüllen sind. Erstens: Schärfe, vor allem wenn man mit offener Blende fotografiert. Zweitens: Lichtsetzung, vor allem sollte man wissen, wo die Schatten laufen und warum. Die Blitzköpfe haben Einstelllampen, damit kann man die Schattenverläufe schon mal sehen, vor allem, wenn man das restliche Licht im Studio ausschaltet. Drittens: Das Model in eine entspannte, kooperative Stimmung versetzen. Viertens: An Mimik und Gestik des Models arbeiten. Fällt noch jemandem mehr ein? Falls ja, wird es umso schwieriger, denn unglücklicherweise muss man alle vier (oder mehr?) Aufgaben gleichzeitig erfüllen, wie ein Jongleur, der seine Bälle in der Luft behalten muss.
Das ist anstrengend, wenn man kein alter Hase ist. Meine Strategie war daher folgende: Keep it simple. Die gute Stimmung kriege ich eigentlich immer hin. Ich bin selten nervös, und mir fällt es nicht schwer, nett zu den Leuten zu sein. Die Sache mit der Schärfe habe ich entschärft (haha), indem ich mich für Blendenwerte zwischen 5.6 und 8 entschieden habe. Es muss nicht jedes Porträt eine Tiefenschärfe von nur drei Millimetern haben. Dann habe ich nur einfache Ausleuchtungen eingesetzt: Softbox von schräg oben, das sieht natürlich aus und produziert weiche Schatten. Beauty Dish direkt von vorn, das flasht die Schatten fast ganz aus dem Gesicht. Senkrechtes Striplight mit Wabe direkt von der Seite, das macht den Bad-Boy-Look. Ab und zu kam noch ein kleines Licht auf den Hintergrund dazu, und die einzigen Spezialitäten, die ich gewagt habe, waren ein Rembrandt-Licht (auf der Schattenseite des Gesichts zeigt sich ein auf dem Kopf stehendes Lichtdreieck ums Auge) und eine Art Film-Noir-Licht: Senkrechtes Striplight mit Wabe zur Beleuchtung einer ganzen Szene. Bleiben noch Mimik und Gestik. Ich würde sagen: Da ist noch Luft nach oben, jedenfalls wenn man mehr will als den nüchternen oder auch freundlichen Blick in die Kamera. Wobei: Dieses Zeigen der unverstellten Person interessiert mich schon – andererseits hatte ich im Januar ein weiteres TfP-Shooting mit einem erfahreneren Model, das mir erstmals immer wieder Posen und Gesichtsausdrücke angeboten hat, das war schon sehr, sehr angenehm.
Mein Fazit: Viele Sachen, die ich mir für die ersten TfP-Shootings vorgenommen hatte, haben auch geklappt, und die misslungenen Versuche zeige ich halt keinem. Trotzdem muss und will ich weiter üben. Daher habe ich inzwischen ein weiteres Facebook-Video gepostet, in dem ich vier weitere TfP-Termine anbiete: am 26. und 27.1. jeweils um 11 und um 15 Uhr in meinem Studio in Berlin (das klingt einfach zu gut).
Wer bis hierher gelesen hat und Lust verspürt, sich an diesen Tagen kostenlos von mir fotografieren zu lassen: einfach in die Kommentare schreiben.
Hallo Stefan!
Vielen Dank, dass du uns deine ersten Schritte so ehrlich hier zeigst. Es ist schön zu sehen, dass auch Profis mit jahrelanger Erfahrung im Foto-Bereich erstmal “Probleme” haben sich in das Thema Studio-Fotografie reinzufuchsen. Wobei Probleme trifft hier ja eigentlich nicht zu, es geht eher darum, dass man etwas neu erlernen muss.
Auch ich habe mir mittlerweile ein kleines Studio zu Hause eingerichtet, nachdem ich “nur” Bands und Konzerte fotografiert habe, und versuche nun auch dort meine Erfahrungen zu sammeln. Es macht riesig Spaß verschiedene Techniken auszuprobieren, es kann aber auch schon mal frustrierend sein…Aber das ist denke ich normal.
Ich freue mich übrigens sehr endlich wieder von dir zu lesen! Ich fand deine Beiträge immer sehr hilfreich und interessant, hoffentlich kommt mehr von dir!
Lieben Gruß,
Christian
Die Lichtsetzung gefällt mir.
Jedoch gehört neben dem Licht auch ein bisschen was anderes dazu.
Mir gefällt eigentlich nur das Foto der alten Dame, der Rest wirkt leider ein bisschen gelangweilt oder unmotiviert.
Aber Danke für das Mitteilen deiner ersten Erfahrungen im Studio.
Danke für die Kritik. Wie ich schon geschrieben habe: Die Gefühlslage schwankt, und ich finde selbst, dass ich noch mehr aus den Modellen herausholen sollte/könnte. Aber wenn die Lichtsetzung schon mal einigermaßen stimmt, dann werde ich an dieser Front demnächst ruhiger und kann hoffentlich noch mehr mit den Leuten machen. Ich werde weiter berichten. Schönes WE noch 🙂
Danke für diesen ehrlichen Einblick. Primär begleite ich Hochzeiten und war beim ersten Mal im Studio dann ein wenig überfordert… Oder sagen wir eher gefordert.
Auch wenn “Fotografie” oben drüber steht sind die Genres derart unterschiedlich, dass jedes einzelne eine andere Herausforderung darstellt. Aber eben genau das macht es für mich so spannend.
Alles Gute,
Niklas
Und nach nur einmal googeln weiß ich jetzt auch, was ein TfP-Shooting ist … 😉
Hallo Stefan,
habe Deinen Beitrag mit Begeisterung gelesen. Wie auch die früheren über Autos.
Ich würde mich gerne von Dir fotografieren lassen. Seit kurzem besitze ich selber eine Softbox und habe schon andere fotografiert.
Gruß Mariusz
Vielen Dank – willst Du einen Termin am 26./27.1.? Dann melde Dich am besten per Telefon: 0171/8323 565.
Danke für deinen sympathischen Bericht! Ich möchte einen ähnlichen Weg einschlagen. Nicht so professionell (=Geld verdienen), aber auch mit dem Anspruch, schöne Fotos von Menschen zu machen.
Die Idee mit der Schaufensterpuppe hat was. Danke auch für diese Anregung!
Hallo Stefan,
sehr schöner und ehrlicher Bericht. Wie immer lesenswert.
Danke!
Welche Blitzköpfe und Softboxen hast Du dir zugelegt für Euren Fotoauftrag?
Beste Grüße vom Zeuthener See.
Pit
Danke, ich fotografiere mit Bowens-Blitzen, darüber gibt es demnächst auch etwas Ausführlicheres zu lesen.
Zeuthener See…, Königs Wusterhausen… 🙂
Viele Grüße vom Teilzeit-Schmöckwitzer ?
??? Ich stehe gerade ein bisschen auf dem Schlauch. Wahrscheinlich kennen wir uns, aber ich komme leider nicht drauf. Bitte um weitere Hinweise 🙂
Also, wir kennen uns (leider) nicht. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass mir die Ecke (KW, Zeuthen und Zeuthener See) ganz gut bekannt ist weil ich recht häufig der Liebe wegen dort bin. Mittelfristig wird das auch mein Lebensmittelpunkt werden.
Okay, dann melde Dich doch einfach mal, wenn Du hier bist oder hier wohnst. Schönen Tag noch 🙂
Hallo Stefan sehr interessant und spannend zu lesen und zu sehen. Ich hätte Lust und Zeit auf Fotografiert werden am Samstag um 11.00 Uhr. Wäre super, wenn es klappt, ich habe an dem Morgen eine ganz besondere Erfahrung hinter mir und bin gespannt ob ich das austrahle ? liebe Grüße Heike
Hallo Stafan, toller Bericht. Ich mag alle gezeigten Bilder. Die Omi ist natürlich genial.
Magst Du mir Deine Grundausstattung Licht auflisten?
Hast Du ne Instagram-Seite o.ä.?
Besten Gruß, Michel.
Lieber Michel, vielen Dank. Ich habe eine Instagramseite, und da folgen mir auch ständig Leute, aber ich mache da gar nichts, weil ich mit Insta einfach nicht warm werde. Auf Facebook bin ich ganz normal unter meinem Namen, mein Portfolio ist auf http://www.stefananker.com zu sehen (leider nicht der neueste Stand, das soll bis April wieder soweit sein). Meine Lichtausstattung besteht aus drei Bowens-Blitzköpfen vom Typ Gemini 500R, und neulich habe ich noch zwei 200er gebraucht dazu gekauft, weil die 500er für Offenblende viel zu viel Power haben und heftige Überbelichtungen erzeugen. Außerdem benutze ich ein paar klassische Lichtformer, z.B. verschieden große Softboxen, Beautydish und Standardreflektoren, teils mit Wabe. Dazu gibt es aber demnächst mal mehr in einem eigenen Text. Schöne Grüße 🙂
Hallo Stefan,
danke für die ehrlichen und schön geschriebenen Einblicke.
Hast du dich bewusst für Blitzlicht statt Dauerlicht entschieden und wenn ja warum?
Gruß
Nikolaus
Vielen Dank! Dauerlicht war bei mir noch nie ein Thema – weil ich Blitze im mobilen Studio für sinnvoller und effektiver halte, auch für Outdoor-Aufnahmen. Und im festen Studio stehen mir von der Hauptmieterin halt auch vier Blitzköpfe zur Verfügung, da wollte ich nicht noch Dauerlicht hinzufügen. Soweit ich weiß, hat Patrick Dauerlicht im Einsatz, und er hat auch im Blog schon Beiträge dazu gemacht, z.B. ein achtteiliges Video-Tutorial. Die erste Folge findest Du hier: https://neunzehn72.de/fotografieren-mit-dauerlicht-teil-1-auftakt/
Schönes Wochenende 🙂