Street Photography: Stealth Mode & der Umgang mit Menschen (Gastbeitrag von Feyzi Demirel)

Wei­ter geht es mit dem zwei­ten von drei Tei­len des Gast­bei­tra­ges von Feyzi Demi­rel zum The­ma Street­fo­to­gra­fie. Ich wün­sche Euch viel Spaß damit.

Im letz­ten Bei­trag mei­ner Street Pho­to­gra­phy Serie ging es um die Wahl der rich­ti­gen Kame­ra und Brenn­wei­te. Auch dort ging es schon in Tei­len dar­um, sein Equip­ment so aus­zu­su­chen, dass man in der Lage ist bewusst unauf­fäl­lig zu foto­gra­fie­ren, um mög­lichst eine Sze­ne unge­stellt ein­zu­fan­gen oder um unnö­ti­gen oder unan­ge­neh­men Dis­kus­sio­nen mit foto­gra­fier­ten Men­schen aus dem Weg zu gehen. Heu­te möch­te ich in die­sem The­men­feld tie­fer ein­stei­gen und ver­su­chen Ein­bli­cke zu geben, wel­che Metho­den ich für mich ange­nom­men habe, um mit bei­den zen­tra­len Pro­blem­stel­lun­gen der Street Pho­to­gra­phy umzugehen.

Die Kleidung

Hat man erst­mal die pas­sen­de Kame­ra samt Lieb­lings­ob­jek­tiv bereit, stellt sich natür­lich die Fra­ge nach einem Out­fit. Natür­lich soll­te man, wie in jedem ande­ren Gen­re auch, als Street Pho­to­graph Kla­mot­ten tra­gen, in denen man sich wohl fühlt. Dies gilt sowohl für die Optik, als auch für den Tra­ge­kom­fort. Glaubt mir, nichts ist schlim­mer als Schu­he, die nicht dafür geeig­net sind meh­re­re Stun­den auf den Stra­ßen zu ver­brin­gen. Den Feh­ler habe ich 1-2 mal gemacht und habe es spä­tes­tens am Abend sehr bereut. Neben dem Tra­ge­kom­fort und dem per­sön­li­chen Geschmack soll­tet ihr aber berück­sich­ti­gen, dass ihr ja eigent­lich nicht wirk­lich auf­fal­len wollt. Dem­entspre­chend ist wahr­schein­lich nichts schlim­mer als grel­le Neon­far­ben in eurer Klei­dung oder auch der sehr lan­ge Man­tel mit Müt­ze ist unter Umstän­den nicht das, was euch unauf­fäl­lig und ver­trau­ens­wür­dig macht. Der Span­ner oder Stal­ker-Look löst bei nie­man­dem die rich­ti­gen Gefüh­le aus. Ich für mei­nen Fall ver­su­che mich bei jeder Ses­si­on so zu klei­den, wie es zur Umge­bung passt, so dass ich nicht auf­fal­le und als einer von Vie­len wahr­ge­nom­men wer­de. Was in der Regel recht gut funk­tio­niert sind ein­fa­che T-Shirts ohne irre Moti­ve, Jeans-Hosen, uni­far­be­ne Jacken und farb­neu­tra­le Schu­he. Ich möch­te einen, wie ich fin­de, sehr genia­len Tipp von Eric Kim bezüg­lich des Out­fits nicht unter­schla­gen. Eric emp­fiehlt das Tra­gen von Tri­kots von ein­hei­mi­schen Sport­teams, um so mehr Sym­pa­thie­punk­te zu erhal­ten. Die­se sind war defi­ni­tiv nicht unauf­fäl­lig, dürf­ten aber einen Vor­schuss brin­gen, wenn man sich mit den foto­gra­fier­ten Men­schen unter­hal­ten möch­te oder muss. Zuge­ge­be­ner­ma­ßen habe ich das noch nicht aus­pro­biert, aber es klingt so sim­pel und gut, dass es funk­tio­nie­ren muss.

Istanbul / Beyoglu - 2017
Istan­bul / Beyo­g­lu - 2017

Der Stealth-Mode

In der Street Pho­to­gra­phy gibt es meh­re­re Metho­den, wie man für sich Bil­der bekom­men kann. Die einen sind immer auf der Suche nach einer unge­stell­ten, ein­zig­ar­ti­gen Situa­ti­on oder Sze­ne­rie, die ande­ren ent­de­cken Hin­ter­grün­de und war­ten so lan­ge bis ein Mensch die­se so kom­plet­tiert, dass man sein Foto hat, wie­der ande­re foto­gra­fie­ren Men­schen unge­se­hen aus der Hüf­te oder über­ra­schend fron­tal ins Gesicht. Bei dem letz­ten Bei­spiel ver­sucht man sich wohl am wenigs­ten zu ver­ste­cken, hat aber wohl die höchs­te Wahr­schein­lich­keit für nach­ge­la­ger­te Dis­kus­sio­nen. Es ist zwar nicht unbe­dingt mei­ne Art der Street Pho­to­gra­phy, aber arran­gier­te Por­träts in einem Kon­text, kann man auch dem Gen­re zuzäh­len. Logi­scher­wei­se ist hier­für der „Ste­alth Mode“, wo man ver­sucht so gut wie nicht sicht­bar zu sein, uninteressant.

Istanbul / Karaköy - 2017
Istan­bul / Kara­köy - 2017

Ich bin jemand, der viel her­um­läuft und sich dabei nicht ver­steckt, unauf­fäl­lig und vor allem zurück­hal­tend, mehr nicht. Mit ande­ren Wor­ten könn­te man sagen, dass ich irgend­wie ver­su­che mich trei­ben zu las­sen und mit zu schwim­men, dabei mit einer hohen Auf­merk­sam­keit, um nichts zu ver­pas­sen und kom­men­de Ent­wick­lun­gen vor­aus­zu­se­hen. Auf­merk­sam­keit und vor­aus­schau­end zu agie­ren ist in der Street Pho­to­gra­phy schon immer ein gro­ßer Erfolgs­fak­tor gewe­sen. Ich habe wenig Kon­trol­le über das, was auf der Stra­ße pas­siert und häu­fig nur weni­ge Sekun­den, um den einen Moment ein­zu­fan­gen. Wenn man kon­zen­triert ist, ist man auch nicht hek­tisch und auf­fäl­lig. Beob­ach­ten und Ruhe bewah­ren, ist hier das Stich­wort, denn eure Unru­he kann sich auf die Umge­bung übertragen.

Zur Ruhe rate ich aber auch beim kon­kre­ten Schie­ßen des Fotos. Frü­her bin ich rum­ge­lau­fen bis ich mei­ne Sze­ne hat­te, habe das Foto gemacht und bin dann direkt wei­ter­ge­zo­gen, um kei­ne Auf­merk­sam­keit auf mich zu zie­hen oder den Gesprä­chen aus dem Weg zu gehen. Heu­te mache ich meis­tens eine Sicher­heits­auf­nah­me, ver­blei­be aber noch ein wenig län­ger und ver­su­che noch ein paar Auf­nah­men zu machen, wobei ich die Kom­po­si­ti­on ver­su­che zu ver­bes­sern oder zumin­dest einen bes­se­ren Blick, Ges­te oder Mimik des Foto­gra­fier­ten ein­zu­fan­gen. Hier kann es auch eine gro­ße Hil­fe sein ruhig noch ein bis zwei Schrit­te vor­zu­ge­hen, um dadurch Nähe zu gewin­nen, wovon mei­ne Fotos meis­tens profitieren.

Istanbul / Beyoglu - 2017
Istan­bul / Beyo­g­lu - 2017

Und jetzt? Wie gesagt, dann ein­fach wei­ter­ge­hen. Wenn man aber im Prin­zip ent­deckt wur­de, ist es eine gute Metho­de die Kame­ra nach dem Klick nicht wie­der vom Auge zu neh­men. Wenn es eine beweg­li­che Situa­ti­on ist, dann lau­fen Per­so­nen wei­ter und damit auch aus dem Foto, wes­halb sie den­ken, dass der star­re Foto­graf etwas ande­res foto­gra­fie­ren möch­te. Eben­so kann man sich mit der Kame­ra am Auge auch nach links oder rechts dre­hen, was der Per­son gegen­über sug­ge­riert, dass man nur auf der Suche nach einem Motiv ist. Übri­gens hilft es in sol­chen Situa­tio­nen ein mög­lichst weit­wink­li­ges Objek­tiv zu haben, denn bei gerin­gen Brenn­wei­ten­wer­ten muss man die Kame­ra nicht direkt auf die Per­son rich­ten. Ein 50mm oder 85mm Objek­tiv zielt eben mehr auf die Per­son als ein 35mm Objek­tiv. Abschlie­ßend kann ich zum „Ste­alth Mode“ nur sagen, dass ich damit eine gewis­se Unauf­fäl­lig­keit ver­bin­de, weil ich eine Sze­ne­rie nicht stö­ren möch­te. Einen Tar­num­hang wie bei Herr der Rin­ge habe ich nicht und hin­ter Bäu­men samt Tele möch­te ich mich nicht verstecken.

Istanbul / Beyoglu - 2017
Istan­bul / Beyo­g­lu - 2017

Die Kommunikation

Und wenn man gese­hen bzw. ent­deckt wird? Dann muss man reden! Bleibt locker und habt kei­ne Scheu. Meis­tens hat man eine inne­re Blo­cka­de, weil mal even­tu­ell das Schlimms­te befürch­tet, even­tu­ell eine Kla­ge oder viel­leicht sogar rohe Gewalt. Ich kann euch beru­hi­gen, denn mei­ner Erfah­rung nach wer­den Men­schen viel sel­te­ner wütend, wenn sie bemer­ken, dass sie foto­gra­fiert wur­den, als man denkt. Natür­lich wur­de ich schon beschimpft und zwei älte­re Her­ren haben mir wäh­rend mei­ner Arbeit an mei­nem Bild­band auch schon Schlä­ge mit ihren Geh­stö­cken ange­droht. Wie ich sie beru­higt habe? Indem ich ihnen äußerst freund­lich gesagt habe, war­um ich sie foto­gra­fiert hat­te und indem ich demons­tra­tiv ihre Fotos gelöscht habe. Bei die­sem Vor­fall hat­te ich am Ende durch Glück doch noch ein Foto von ihnen auf mei­ner Spei­cher­kar­te, aber glaubt mir, es gibt kein Foto, auf das man im Zwei­fel nicht ver­zich­ten kann. Ansons­ten geht nicht immer vom Schlimms­ten aus, in vie­len Fäl­len reagie­ren Men­schen durch­aus gelas­sen, wenn man freund­lich zu ihnen ist und dabei erläu­tert, war­um man Inter­es­se für sie zeigt. In den vie­len Situa­tio­nen gehe ich sogar aktiv auf die Men­schen zu, wenn sie mich nach dem Schie­ßen eines Fotos gese­hen haben. Ich zei­ge ihnen das gemach­te Foto, damit sie sehen, dass sie nicht unvor­teil­haft getrof­fen sind. Dabei mache ich ihnen Kom­pli­men­te, je nach­dem, was für eine Per­sön­lich­keit ich vor mir habe. Wor­an ich das erken­nen kann? Für mich fängt Kon­ver­sa­ti­on mit dem ers­ten Augen­kon­takt an. Ich ver­su­che direkt posi­tiv rüber­zu­kom­men, wobei ein Lächeln sehr hilft, gleich­zei­tig sehe ich die Reak­ti­on dar­auf und ver­su­che den Men­schen und die Situa­ti­on ein­zu­ord­nen. Einem jun­gen Mann sage ich, wie attrak­tiv er ist, eine Frau möch­te durch­aus mal hören, dass sie attrak­tiv oder inter­es­sant ist. Wenn der Eins­tig freund­lich, offen und vol­ler Kom­pli­men­te ist, dann ist mei­ner Erfah­rung nach in den meis­ten Fäl­len ein gutes Gespräch abzu­se­hen. Ich stei­ge nicht dar­über ein, dass ich erst­mal erzäh­le, was für ein tol­ler Künst­ler oder Foto­graf ich bin. Das dau­ert zu lan­ge und inter­es­siert erst­mal nicht. Ihr wisst was ich meine.

Istanbul / Fatih - 2017
Istan­bul / Fatih - 2017

Ihr habt even­tu­ell Angst wegen der recht­li­chen Situa­ti­on? Erkun­digt euch im Vor­feld, wel­che Geset­ze in Bezug auf Fotos in öffent­li­chen Räum­lich­kei­ten in dem jewei­li­gen Land gel­ten. Dar­aus und von den kul­tu­rel­len Gege­ben­hei­ten kann man schon die Reak­ti­on von Men­schen eini­ger­ma­ßen ein­schät­zen. Aber grund­sätz­lich gilt für mich, erst­mal das Foto machen, löschen kann ich es immer noch.

Abschlie­ßend möch­te ich sagen, dass man auch in der Street Pho­to­gra­phy am Ende des Tages über Erfah­rung eine gewis­se Rou­ti­ne und Sicher­heit bekommt. Und hier und da ent­wi­ckelt man sei­ne Metho­den wei­ter, es gibt so vie­le krea­ti­ve Men­schen und Tricks. Wie sind eure Erfah­run­gen bezüg­lich Ste­alth Mode und Kom­mu­ni­ka­ti­on in der Street Photography?

Mehr über Feyzi:

Web­sei­te: www.feyzidemirel.com
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Link zum Bild­band Istanbul’um: https://feyzidemirel.com/produkt/bildband-istanbulum
Mit fol­gen­dem Gut­schein­code gibt es einen Rabatt von 6€ für Istanbul’um: paddy

Ich erlau­be mir am Ende noch den dezen­ten Hin­weis auf mein Video­tu­to­ri­al Krea­ti­ve Streetfotografie

Istanbul / Beyoglu - 2017
Istan­bul / Beyo­g­lu - 2017

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