Ich frage die Teilnehmer meiner Workshops immer, was sie von dem Kurs erwarten, bzw. was sie denn mitnehmen möchten. Ein oft geäußertes Anliegen ist es, den Umgang mit Models zu erlernen, wie man mit ihnen kommuniziert und wie man sie anleitet.
Nun, gelernt habe ich das auch nicht, ich bin mir nicht einmal sicher, ob man den Umgang mit Models wirklich erlernen kann. Wie immer, lässt sich das wohl auch gar nicht so pauschal beschreiben. Es gibt so viele Fragen, die man zuvor eigentlich klären müsste. Wofür ist das Foto? Für wen ist das Foto? Um was geht es auf dem Foto? Hat mein Model Erfahrung vor der Kamera oder nicht? In dem Zusammenhang benutze ich der Einfachheit halber den Begriff Model für alle Personen, die vor meiner Kamera stehen. Eigentlich wäre ich dafür, dass die Bezeichnung Model nur tragen darf, wer auch eine gewisse Erfahrung und Kenntnis hat, aber was macht man dann mit den ganzen Leuten, die sich Fotograf nennen. Machen wir es einfach. Der mit der Kamera ist der Fotograf und alle, auf die er oder sie die Kamera richtet, ist das Model.
Eine Sache ist für mich jedoch in dem Zusammenhang wichtig. Das Mindeste, was jemanden als Model qualifiziert, ist die Bereitschaft sich fotografieren lassen zu wollen. Zu einem guten Foto gehören meiner Meinung nach immer zwei. Egal, ob das Model nun erfahren ist oder nicht, es hat genauso dazu beizutragen, dass die Fotos toll werden, wie der Fotograf. Fotografie ist Teamwork. Das Bild wird nur so gut, wie das schwächste Glied in der Kette. Natürlich kann ein guter Fotograf evtl. aus einem unerfahrenen Model mehr herausholen, als ein Anfänger, aber viel Erfahrung auf beiden Seiten ist nun mal durch nichts zu ersetzen.
Es gibt viele Anleitungen, wie man denn vermeintlich mit einem Model umzugehen hat. Da liest man, dass der Fotograf die Anweisungen gibt, dem Model klar sagen muss, was es tun soll, dass man Models keine Bilder zeigt und und und. Ich habe das alles versucht, aber für mich scheint das nicht der richtige Weg zu sein. Wer hat eigentlich festgelegt, dass der Fotograf immer der Macker am Set sein muss und sagt wo es lang geht? Ein anscheinend ungeschriebenes Gesetz besagt, dass der Fotograf in der Hackordnung über dem Model steht. Dementsprechend scheinen sich einige Models auch automatisch dem unterzuordnen und bringen dann so Sätze wie “Du musst mir sagen, was ich tun soll”. Auf der anderen Seite gibt es dann auch so Ichbingeil-Fotografen, die gerne den Macker raushängen lassen. Wieso ist das so? Wahrscheinlich kommt das aus einer anderen Welt der Fotografie, wo es teilweise um viel Geld pro Shooting geht. Klar, da muss es eine Ordnung geben, sonst gibt es Chaos. Ich bewege mich aber äusserst selten in dieser Welt und wenn, dann sind das meistens keine glamourösen Jobs, deren Ergebnisse ich herzeige. In diesem Beitrag beziehe ich mich auf meine Fotos, die ich in erster Linie zum Spaß mache, für meine Magazine, Tutorials oder auch einfach nur, weil Fotografie nicht nur mein Job, sondern auch mein Hobby ist.
Wie gehe ich denn nun mit den Models um, die ich vor meiner Kamera habe? Die Frage sollte wohl eher lauten: “Wie gehe ich mit Menschen um?” Wie kommuniziert man mit Models? Genauso, wie ich auch mit Menschen kommuniziere. Ich versuche mich mit ihnen auf Augenhöhe zu treffen und mich für mein Gegenüber zu interessieren. Gleiches erwarte ich vom Model. Finde ich einen Menschen interessant, komme ich viel leichter mit ihm ins Gespräch. Kommen wir ins Gespräch, baut sich Vertrauen auf und dann wird es auch irgendwann was mit den Fotos. Mein Ziel ist es, dass sich die Menschen in meiner Umgebung wohl fühlen. Fotografie ist etwas schönes und kein Zahnarztbesuch. Es geht mir darum eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden, dann geht der Rest fast von alleine. Es gibt Menschen, mit denen kann man stundenlang an einem Tisch sitzen und sich anschweigen. Denen muss man jedes Wort aus der Nase ziehen und auf Fragen antworten sie präzise und knapp. Es ist anstrengend sich mit solchen Menschen zu unterhalten. Wenn man zu dieser Gruppe von Menschen gehört, sollte man sich die Frage stellen, ob man geeignet ist andere Menschen zu fotografieren. Sicherlich kann man da auch dran arbeiten, aber wir Menschen sind nun mal komplett unterschiedlich. Dennoch stelle ich mir immer wieder die Frage, wie ich gerne als Model behandelt werden würde. In der Umgebung mancher Menschen fühlt man sich wohler als bei anderen, obwohl sie alle nett und freundlich sind. Das ist einfach so. Diejenigen, bei denen sich andere wohl fühlen, werden es einfacher haben andere Menschen zu fotografieren.
Mal zurück zu der Hackordnung. Ich mache aus meinen Fotos ein gemeinsames Produkt. Es ist unser Foto und nicht meins. Die Ideen kommen nicht ausschließlich von mir, sondern entstehen gemeinsam. Schließlich muss das Model ja auch das Bild ausfüllen, bzw. die Idee mit umsetzen. Kommunikation bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Fotograf permanent auf das Model einredet, sondern auch einfach Absprache. Für mich gehört auch dazu, dass man sich die Bilder mal gemeinsam anschaut, um dann zu überlegen was man noch besser machen kann.
Dann gibt es natürlich auch öfters mal den Fall, dass jemand sehr unsicher ist, aber trotzdem schöne Bilder von sich haben möchte. Diese Menschen (und das sind die meisten) haben keine Modelmasse und alle so ihre Problemzonen. Auch mein Körper ist eine einzige Problemzone. Hier ist man als Fotograf noch mehr gefragt. Aber auch in diesen Fällen ist es für mich Teamwork. Ich versuche nicht so zu tun, als wenn das alles kein Problem wäre. Ich tue auch nicht so, als wenn das für mich gar kein Thema ist jemanden mit 100 Kg aussehen zu lassen wie 70 Kg. Doch, das ist ein Thema und daher spreche ich auch darüber. Dann frage ich das Model womit er oder sie denn nicht zufrieden ist. Doppelkinn, Bauch, dicke Arme oder Beine. Ich sage dann: “Lass mich doch erst mal ein paar Fotos machen und dann schauen wir uns das zusammen an.” Wenn man über die Problemzonen redet, habe ich als Fotograf auch die Möglichkeit etwas dagegen zu tun. “Ah, das Doppelkinn, setz Dich doch mal anders hin und lehn Dich etwas nach vorne”. Klick. “Ist das besser?”. Ich beziehe meinen Protagonisten mit in das Shooting ein. Das macht es für beide Seiten einfacher zu experimentieren, als wenn man sich ständig unter Druck setzt das Megafoto abzuliefern. Das Model spürt, dass es ernst genommen wird und bekommt vor allem Vertrauen. Wir kochen doch alle nur mit Wasser und natürlich ist es einfacher ein tolles Model zu fotografieren. Wobei ich auch von ganz tollen Models schon unterirdische Bilder gesehen habe. Also ein top Model ist kein Garant für top Fotos. Am Ende geht es auch in diesem Fall darum, dass sich der Mensch bei mir wohl fühlt und das versuche ich über eine Kommunikation auf Augenhöhe zu erreichen.
Mit der nötigen Erfahrung wird man als Fotograf mit nahezu jedem Menschen gute Ergebnisse erzielen. Dennoch werden die Fotos umso besser, umso mehr die Chemie zwischen Model und Fotograf stimmt. Daher fotografiere ich auch gerne mit den gleichen Models immer wieder. Man weiß einfach, was man an sich hat und wie man sich zu nehmen hat. Beim zweiten oder dritten mal ist alles gleich einfacher.
Ich glaube daran, dass die zwischenmenschliche Kommunikation auch der Schlüssel in der Fotografie ist. Umgang mit Models heisst Umgang mit Menschen. Wie möchtest Du als Mensch behandelt werden? Wann fühlst Du Dich selbst in einer Umgebung wohl? Was hilft Dir Dich gegenüber anderen zu öffnen? Alles Fragen, die nichts mit Fotografie zu tun haben, aber meiner Meinung nach elemantar sind für den Menschen-Fotografen. Natürlich gibt es gewissen Kniffe in der Kommunikation, die man als Fotograf anwenden kann, aber meine Beobachtung ist, dass sich diejenigen am meisten Gedanken über Kommunikation mit Models machen, die selbst ihren Mund nicht auf bekommen. Es gibt keine Checkliste, die man abarbeiten kann und dann klappt es schon mit dem Model. Alle Menschen sind verschieden. Sowohl vor als auch hinter der Kamera und das gilt es zu bedenken.
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“Diese Menschen (und das sind die meisten) haben keine Modelmasse und alle so ihre Problemzonen.”
Sprach er und zeigt nur Fotos von Models (die Menschen, die dies schon öfter gemacht haben 😛 )
Aber, sehr schön beschrieben.
Jeder der keine normale Konversation hinbekommt, sollte es unterlassen Menschen zu fotografieren.
Punkt !
Ich muss aber auch dazu sagen, das ich ich meiner sensationellen Laufbahn von 3 Jahren, auch einen Shoot dabei hatte, bei dem die Fotos überhaupt nichts geworden sind.
Da war irgendwas was nicht gut funktioniert hat.
Alles hat gestimmt, nur die Chemie zwischen uns nicht.
Lags an mir ? Lags an der Dame ?
Ist doch egal. Es wollte einfach nicht funktionieren.
Mag vielleicht auch daran liegen das es kein Bier gab 😉
Jetzt hab ich solange getippt.…was wollte ich sagen ?
Keinen Plan…
Danke für die Worte und ihr lieben verklemmten Menschen :
Nehmt euch ein Beispiel am Paddy, der schafft es bestimmt auch “normale” Menschen zu fotografieren.
(Kommt jetzt als Gestänker rüber? Soll es nicht.)
Stimmt ! Alles richtig gesagt ! Christian
“Fotografie ist etwas schönes und kein Zahnarztbesuch.” Oh ja, so eine bzw. ähnliche Erwartungen haben noch immer viele Menschen, wenn sie an Fotoshootings denken. Meistens aus früherer schlechter Erfahrung von Shootings beim Stadtfotografen im Studio oder weil sie schon selbst miterlebt haben, wie steif Shootings von alteingesessenen Fotografen ablaufen (können). Wenn ich bzw. wir sie dann fotografieren, sind sie immer sehr angetan über meine bzw. unsere lockere Art und Weise. 🙂
Prinzipiell sehe ich das ähnlich - es gibt nicht DIE Vorgehensweise beim Umgang mit den Personen vor der Kamera. Manche machen einfach mit, bringen eigene Ideen ein, manche wollen gesagt bekommen, was sie zu tun haben.
Eine bodenständige Sicht der Dinge!
Vielen Dank dafür und liebe Grüße
Absolut richtig: People-Fotografie ist zu 90% Psychologie und der Rest verteilt sich auf Technik und Handwerk. Wenn diese letzten 10% aber nicht zu 100% beherrscht werden nutzt die Psychologie auch nix.
Ich habe es mir zur Regel gemacht, nur noch Menschen vor die Kamera zu locken, bei denen “die Chemie” paßt und die in irgendeiner Art interessant sind. Schönheit ist da relativ und bemißt sich nicht an Modemaßstäben.
Bei Profi-Payshootings geht es manchmal ja auch nicht so sehr um den emotionalen Aspekt - da ticken die Uhren schon einmal anders. Im privaten Bereich sind mir die emotionalen Aspekte dann doch wichtig.
Beim Umgang mit Models ist es doch eigentlich wie beim Fotografieren an sich auch: Man benötigt einfach Zeit und muss viel fotografieren. Sofern man ein wenig Selbstreflektion betreibt, macht man schnell Fortschritte
Ich bin da ganz meiner Meinung lieber Patrick… okay hast du ja nun formuliert 😉 aber stimmt Kommunikation ist alles. konstruktiv und zielführend, locker und nicht verkrampft und Gegenseitiges Interesse zeigen, für die Arbeit desjenigen welchen ( egal ob Fotograf oder Model) und für die Person insbesondere. Wohlfühlen muss man sich beim Fotografieren oder fotografiert werden. Dann kommen auch gute Fotos zustande.
Ich mach das ja für mich selbst auch erst seit knapp 2 Jahren, aber irgendwie hat mich das Virus erwischt. Aber ich mag ja auch mich mit Menschen umgeben und wenn mir alles überdrüssig ist, gehts hinaus Landschaftsbilder machen, das ist gut, sich zu erden.
Moin Paddy!
Dein Artikel ist für beide Seiten sehr annehmbar verfasst. Ich denke darin finden sich Fotografen wie Modelle darin und werden zustimmend nicken. Deine Gedanken zu diesem Thema decken sich mit meinen und auch die Erfahrungen stimmen weitest gehend überein. Wo Menschen zusammen wirken sollte einfach auch die Chemie stimmen, dann wird das Ergebnis ein Erfolg und alle haben Freude daran!
Die weiterhin viel Erfolg! Ich lese deine Beiträge sehr gerne, bzw. genieße ich auch eure Fotoschnacks und Interviews.
LG aus Österreich!
WOLF