Was für ein komisches Gefühl. Ich war unlängst beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring, und ich hatte zum ersten Mal bei diesem Ereignis keine Kameras dabei. Mit Absicht.
Ich gehöre zu den Fotografen, die nicht ständig fotografierbereit sind. Ganz im Gegenteil: Ich fotografiere nur, wenn ich wirklich will, oder wenn ich muss, also einen Auftrag habe. Wobei ich hier das „Müssen“ nicht falsch verstanden haben will – es ist ein Traumjob, ich mache das gerne. Trotzdem ist es so, dass man bei einem Auftrag nicht nur fotografieren will, sondern es eben auch muss.
Warum also wollte ich dieses Rennen nicht fotografieren, wo ich doch die Gelegenheit gehabt hätte, eine Akkreditierung, eine Fotoweste und damit Zugang praktisch überall hin zu bekommen? Ich hatte einen Auftrag für eine Text-Geschichte, die heute in der Welt am Sonntag erschienen ist, dazu musste ich mit einigen Leuten am Ring sprechen (mit deutlich mehr, als nachher im Text vorkamen übrigens, das ist wie beim Fotografieren). Und da ich auch noch einiges andere zu schreiben hatte, musste ich die Strecke gegen 20 Uhr Richtung Hotel verlassen und konnte die herrlichen Nachtstunden in der Boxengasse ohnehin nicht erleben – auch das war mir vorher klar, darum habe ich schon vor der Abreise entschieden, die Kameras zu Hause zu lassen.
Ein seltsam leichtes Gefühl, als ich gewissermaßen unbewaffnet durch die Startaufstellung ging, um das Gedränge und Geschiebe zwischen Fahrer, Publikum und Autos (und anderen Fotografen) zu erleben, aber okay. Letztlich hängt am Fotografieren ja noch viel Nacharbeit dran, und auch deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, nicht mal aus privatem Interesse Rennwagen zu fotografieren.
Dieselbe Freiheit nahm ich mir ein paar Wochen zuvor, als ich zur Record-Release-Party einer Band ging. Irgendwann bat mich der Sänger, ein paar Fotos zu machen. Ich antwortete, das gehe nicht, weil ich keine Kamera dabei hätte. Die Reaktion war völliges Unverständnis. „Ich dachte, ihr Fotografen seid ständig am Fotografieren.“ Nein, sind wir nicht, ich bin es jedenfalls nicht, und ich verkniff mir den Hinweis, dass man den Sänger ja auch nicht jederzeit anstupsen kann, und er nimmt die Gitarre und singt.
Die Frage ist: Ist es ein Nachweis deiner Leidenschaft, wenn du allzeit bereit bist? Ich jedenfalls gönne mir ab und zu ein Leben ohne Kamera, und manchmal merke ich dann auch, was ich dabei verpasse, zugegeben.
Es gibt Gelegenheiten, bei denen man gern fotografieren würde, und dann ärgere ich mich immer ein bisschen, wenn ich keine Kamera habe (und nein, mein iPhone ist für mich keine Alternative, denn es ist nur das Modell 5S, und außerdem fotografiere ich einfach nicht gern mit Handys). Aber der Ärger geht auch schnell wieder vorbei, weil ich weiß, dass ich noch genügend andere schöne Motive in meinem Leben finden werde, wenn ich eine Kamera dabei habe.
Und wenn das so ist, weil ich fotografieren will (oder eben „muss“), dann bin ich auch absolut gnadenlos. Manchmal stöhne ich beim Import der Bilder leise auf, wenn es wieder so viele geworden sind. Aber ich liebe eben meinen Job, und ich liebe es auch privat, mir ein Bild, was ich im Kopf habe, mit immer neuen Annäherungen ans Motiv zu erarbeiten – und dadurch die Konkurrenzsituation fürs Sortieren und Bearbeiten richtig hart zu machen.
Den Preis zahle ich hinterher am Schreibtisch durch ein paar Stunden Mehrarbeit – aber ich erhalte dann eben auch meine Belohnung. Wenn ich aus mehreren guten Fotos das absolut beste hervorholen kann und nicht das am wenigsten schlechte nehmen muss, weil ich beim Fotografieren nicht lange genug engagiert war.
Meine Frau kann ein Lied davon singen – wenn wir gemeinsam wandern, kann ich schon mal ein gutes Stück zurückbleiben, weil ich dann so gepackt bin von der Aufgabe, das Foto hinzubekommen, dass ich die Zeit vergesse. Dann will ich wirklich fotografieren, selbst wenn ich nicht muss – und insofern mache ich mir überhaupt keine Sorgen, wenn ich es phasenweise aushalte, ohne die Welt in einem Bildausschnitt neu zu ordnen.
Der freie Blick ist ja ab und zu auch ganz okay.
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P.S.: Meistens mache ich ja doch Fotos, und in dem Zusammenhang möchte ich hier noch mal auf die Buchtour zu meinem Bildband hinweisen, die am 4.6. in Paddys Studio beginnt (mehr dazu hier und hier). Ich würde mich freuen, viele von euch an einem der acht Abende Anfang Juni persönlich kennen zu lernen und mit euch übers Fotografieren zu sprechen. Hier sind noch einmal die Termine: (für Tickets einfach auf die passende Veranstaltung klicken oder weiter unten auf den zentralen Onlineshop):
4.6.: Studio neunzehn72, Schützenstraße 89, 22761 Hamburg.
5.6.: Carolo Campus Café, Zimmerstraße 24c, 1. Obergeschoss, 38106 Braunschweig.
6.6.: Fotostudio Thomas Adorff, Pforzheimer Straße 33, 76227 Karlsruhe.
7.6.: Jugendzentrum “Am Zug”, Heinzenbacher Weg 13, 55481 Kirchberg/Hunsrück.
8.6.: Propeller GmbH, Karthäuserstraße 18, 54290 Trier.
11.6.: Hennott Studio, Professor-Messerschmitt-Str. 1, 85579 Neubiberg (München).
12.6.: Fototeam Rhein-Ruhr, Zeche Rheinpreußen, Schacht 4, Zechenstraße 62, 47443 Moers.
13.6.: Comenius Eck, Torellstraße 1, 10243 Berlin.
Den Ticketshop habe ich bei Eventim eingerichtet, weil ich denke, dass das eine Plattform ist, die alle kennen und als vertrauenswürdig empfinden – mir geht es jedenfalls so. Wer hier direkt auf die Veranstaltungen klickt, kann aber nur mit Kreditkarte oder Giropay zahlen (dabei macht leider nicht jede Bank mit). Wer mehr Flexibilität beim Bezahlen wünscht, klickt auf diesen Link hier und kommt auf die Titelseite meines Eventim-Shops. Wenn man dort die passende Veranstaltung anwählt, gibt es mehr Bezahlmöglichkeiten zur Auswahl, z.B. auch Überweisung oder Bankeinzug.
Genau meine Gedankengänge, denen ich seit einiger Zeit nachhänge. Ich will etwas ganz oder garnicht machen. Entweder erlebe ich eine private Party wie ein Gast und klöne mit Freunden oder ich fotografiere. Wenn ich fotografiere, dann bin ich irgendwie nicht ganz da. Zumindest nicht für meinen Freundeskreis. Daher habe ich auch irgendwann mal beschlossen, dass ich zu manchen Terminen die Kamera einfach zu Hause lasse. Und ja! Ich ärgere mich dann auch jedes Mal darüber. Im Geiste fotografiere ich nämlich weiter 🙂
Ein neues Genre: Geistesfotografie. Da kann man jedes Foto machen 😉
Vor zwei Wochen war ich auf einer kleinen Rundreise in Osteuropa. Nach recht kurzer Zeit bemerkte ich, dass ich meine Eindrücke schlecht bis gar nicht auf Bildern festhalten konnte, was sicherlich auch der Tatsache geschuldet war, nicht alleine gereist zu sein. Die Ergebnisse waren so lala bis frustrierend. Selbst in “Damusstdufotografieren”-Orten wie die Sperrzone von Tschernobyl habe ich mich irgendwann in einen Genußmodus zurückgezogen und einfach die Atmosphäre, die Umgebung und den Verfall wirken lassen. Im Nachhinein bin ich froh über die Entscheidung, meine Umwelt im Urlaub nicht alleine durch einen Sucher - auf der Jagd nach dem perfekten Foto - wahrgenommen zu haben.
Ja… manchmal sollte man sich vorher bewusst machen, was man will: an einem Event teilnehmen und das Event genießen oder Fotografieren und das Fotografieren genießen. 🙂 Beides gleichzeitig geht oft nicht so richtig, jedenfalls nicht für mich. Kommt aber auf das Event an.