Warum es okay ist, auch mal nichts zu fotografieren

Was für ein komi­sches Gefühl. Ich war unlängst beim 24-Stun­den-Ren­nen am Nür­burg­ring, und ich hat­te zum ers­ten Mal bei die­sem Ereig­nis kei­ne Kame­ras dabei. Mit Absicht.

Ich gehö­re zu den Foto­gra­fen, die nicht stän­dig foto­gra­fier­be­reit sind. Ganz im Gegen­teil: Ich foto­gra­fie­re nur, wenn ich wirk­lich will, oder wenn ich muss, also einen Auf­trag habe. Wobei ich hier das „Müs­sen“ nicht falsch ver­stan­den haben will – es ist ein Traum­job, ich mache das ger­ne. Trotz­dem ist es so, dass man bei einem Auf­trag nicht nur foto­gra­fie­ren will, son­dern es eben auch muss.

War­um also woll­te ich die­ses Ren­nen nicht foto­gra­fie­ren, wo ich doch die Gele­gen­heit gehabt hät­te, eine Akkre­di­tie­rung, eine Foto­wes­te und damit Zugang prak­tisch über­all hin zu bekom­men? Ich hat­te einen Auf­trag für eine Text-Geschich­te, die heu­te in der Welt am Sonn­tag erschie­nen ist, dazu muss­te ich mit eini­gen Leu­ten am Ring spre­chen (mit deut­lich mehr, als nach­her im Text vor­ka­men übri­gens, das ist wie beim Foto­gra­fie­ren). Und da ich auch noch eini­ges ande­re zu schrei­ben hat­te, muss­te ich die Stre­cke gegen 20 Uhr Rich­tung Hotel ver­las­sen und konn­te die herr­li­chen Nacht­stun­den in der Boxen­gas­se ohne­hin nicht erle­ben – auch das war mir vor­her klar, dar­um habe ich schon vor der Abrei­se ent­schie­den, die Kame­ras zu Hau­se zu lassen.

Nürburgring, 24-Stundenrennen 2014, Boxengasse, Audi-Mechaniker beim Betanken eines Rennwagens
Okay, nach der schwar­zen Flä­che ganz oben hier noch mein Lieb­lings­bild vom Nür­burg­ring (auch schon vier Jah­re her): Ein Audi-Mecha­ni­ker beim Betan­ken des Renn­wa­gens – Zeit­druck und Ver­ant­wor­tung spre­chen aus sei­nem Blick. Das Bild hat mich so inspi­riert, dass ich ein Jahr spä­ter fast das gan­ze Ren­nen über in der Boxen­gas­se war und Men­schen bei ihrer span­nen­den Arbeit foto­gra­fiert habe.

Ein selt­sam leich­tes Gefühl, als ich gewis­ser­ma­ßen unbe­waff­net durch die Start­auf­stel­lung ging, um das Gedrän­ge und Geschie­be zwi­schen Fah­rer, Publi­kum und Autos (und ande­ren Foto­gra­fen) zu erle­ben, aber okay. Letzt­lich hängt am Foto­gra­fie­ren ja noch viel Nach­ar­beit dran, und auch des­halb habe ich mir die Frei­heit genom­men, nicht mal aus pri­va­tem Inter­es­se Renn­wa­gen zu fotografieren.

Die­sel­be Frei­heit nahm ich mir ein paar Wochen zuvor, als ich zur Record-Release-Par­ty einer Band ging. Irgend­wann bat mich der Sän­ger, ein paar Fotos zu machen. Ich ant­wor­te­te, das gehe nicht, weil ich kei­ne Kame­ra dabei hät­te. Die Reak­ti­on war völ­li­ges Unver­ständ­nis. „Ich dach­te, ihr Foto­gra­fen seid stän­dig am Foto­gra­fie­ren.“ Nein, sind wir nicht, ich bin es jeden­falls nicht, und ich ver­kniff mir den Hin­weis, dass man den Sän­ger ja auch nicht jeder­zeit anstup­sen kann, und er nimmt die Gitar­re und singt.

Die Fra­ge ist: Ist es ein Nach­weis dei­ner Lei­den­schaft, wenn du all­zeit bereit bist? Ich jeden­falls gön­ne mir ab und zu ein Leben ohne Kame­ra, und manch­mal mer­ke ich dann auch, was ich dabei ver­pas­se, zugegeben.

Es gibt Gele­gen­hei­ten, bei denen man gern foto­gra­fie­ren wür­de, und dann ärge­re ich mich immer ein biss­chen, wenn ich kei­ne Kame­ra habe (und nein, mein iPho­ne ist für mich kei­ne Alter­na­ti­ve, denn es ist nur das Modell 5S, und außer­dem foto­gra­fie­re ich ein­fach nicht gern mit Han­dys). Aber der Ärger geht auch schnell wie­der vor­bei, weil ich weiß, dass ich noch genü­gend ande­re schö­ne Moti­ve in mei­nem Leben fin­den wer­de, wenn ich eine Kame­ra dabei habe.

Und wenn das so ist, weil ich foto­gra­fie­ren will (oder eben „muss“), dann bin ich auch abso­lut gna­den­los. Manch­mal stöh­ne ich beim Import der Bil­der lei­se auf, wenn es wie­der so vie­le gewor­den sind. Aber ich lie­be eben mei­nen Job, und ich lie­be es auch pri­vat, mir ein Bild, was ich im Kopf habe, mit immer neu­en Annä­he­run­gen ans Motiv zu erar­bei­ten – und dadurch die Kon­kur­renz­si­tua­ti­on fürs Sor­tie­ren und Bear­bei­ten rich­tig hart zu machen.

Den Preis zah­le ich hin­ter­her am Schreib­tisch durch ein paar Stun­den Mehr­ar­beit – aber ich erhal­te dann eben auch mei­ne Beloh­nung. Wenn ich aus meh­re­ren guten Fotos das abso­lut bes­te her­vor­ho­len kann und nicht das am wenigs­ten schlech­te neh­men muss, weil ich beim Foto­gra­fie­ren nicht lan­ge genug enga­giert war.

Mei­ne Frau kann ein Lied davon sin­gen – wenn wir gemein­sam wan­dern, kann ich schon mal ein gutes Stück zurück­blei­ben, weil ich dann so gepackt bin von der Auf­ga­be, das Foto hin­zu­be­kom­men, dass ich die Zeit ver­ges­se. Dann will ich wirk­lich foto­gra­fie­ren, selbst wenn ich nicht muss – und inso­fern mache ich mir über­haupt kei­ne Sor­gen, wenn ich es pha­sen­wei­se aus­hal­te, ohne die Welt in einem Bild­aus­schnitt neu zu ordnen.

Der freie Blick ist ja ab und zu auch ganz okay.

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Subway to Sally, Eisheilige Nächte 2016
Auf­tritt Sub­way to Sal­ly bei den Eis­hei­li­gen Näch­ten 2016 in Bre­men (Pier2). Eins mei­ner Lieb­lings­fo­tos in mei­nem Buch, weil die breit­bei­ni­ge Hal­tung so typisch ist für den Gitar­ris­ten der Band.

P.S.: Meis­tens mache ich ja doch Fotos, und in dem Zusam­men­hang möch­te ich hier noch mal auf die Buch­tour zu mei­nem Bild­band hin­wei­sen, die am 4.6. in Pad­dys Stu­dio beginnt (mehr dazu hier und hier). Ich wür­de mich freu­en, vie­le von euch an einem der acht Aben­de Anfang Juni per­sön­lich ken­nen zu ler­nen und mit euch übers Foto­gra­fie­ren zu spre­chen. Hier sind noch ein­mal die Ter­mi­ne: (für Tickets ein­fach auf die pas­sen­de Ver­an­stal­tung kli­cken oder wei­ter unten auf den zen­tra­len Onlineshop):

4.6.: Stu­dio neunzehn72, Schüt­zen­stra­ße 89, 22761 Ham­burg.

5.6.: Caro­lo Cam­pus Café, Zim­mer­stra­ße 24c, 1. Ober­ge­schoss, 38106 Braun­schweig. 

6.6.: Foto­stu­dio Tho­mas Adorff, Pforz­hei­mer Stra­ße 33, 76227 Karls­ru­he. 

7.6.: Jugend­zen­trum “Am Zug”, Hein­zen­ba­cher Weg 13, 55481 Kirchberg/Hunsrück. 

8.6.: Pro­pel­ler GmbH, Kart­häu­ser­stra­ße 18, 54290 Trier. 

11.6.: Hen­nott Stu­dio, Pro­fes­sor-Mes­ser­schmitt-Str. 1, 85579 Neu­bi­berg (Mün­chen). 

12.6.: Foto­team Rhein-Ruhr, Zeche Rhein­preu­ßen, Schacht 4, Zechen­stra­ße 62, 47443 Moers. 

13.6.: Come­ni­us Eck, Tor­ell­stra­ße 1, 10243 Ber­lin. 

Den Ticket­shop habe ich bei Even­tim ein­ge­rich­tet, weil ich den­ke, dass das eine Platt­form ist, die alle ken­nen und als ver­trau­ens­wür­dig emp­fin­den – mir geht es jeden­falls so. Wer hier direkt auf die Ver­an­stal­tun­gen klickt, kann aber nur mit Kre­dit­kar­te oder Giro­pay zah­len (dabei macht lei­der nicht jede Bank mit). Wer mehr Fle­xi­bi­li­tät beim Bezah­len wünscht, klickt auf die­sen Link hier und kommt auf die Titel­sei­te mei­nes Even­tim-Shops. Wenn man dort die pas­sen­de Ver­an­stal­tung anwählt, gibt es mehr Bezahl­mög­lich­kei­ten zur Aus­wahl, z.B. auch Über­wei­sung oder Bankeinzug.

Buch "Hier und Jetzt – ein Jahr unterwegs mit Subway to Sally"
Um die­sen Bild­band geht es: “Hier und Jetzt – ein Jahr unter­wegs mit Sub­way to Sally”

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4 Gedanken zu „Warum es okay ist, auch mal nichts zu fotografieren“

  1. Genau mei­ne Gedan­ken­gän­ge, denen ich seit eini­ger Zeit nach­hän­ge. Ich will etwas ganz oder gar­nicht machen. Ent­we­der erle­be ich eine pri­va­te Par­ty wie ein Gast und klö­ne mit Freun­den oder ich foto­gra­fie­re. Wenn ich foto­gra­fie­re, dann bin ich irgend­wie nicht ganz da. Zumin­dest nicht für mei­nen Freun­des­kreis. Daher habe ich auch irgend­wann mal beschlos­sen, dass ich zu man­chen Ter­mi­nen die Kame­ra ein­fach zu Hau­se las­se. Und ja! Ich ärge­re mich dann auch jedes Mal dar­über. Im Geis­te foto­gra­fie­re ich näm­lich weiter 🙂

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  2. Vor zwei Wochen war ich auf einer klei­nen Rund­rei­se in Ost­eu­ro­pa. Nach recht kur­zer Zeit bemerk­te ich, dass ich mei­ne Ein­drü­cke schlecht bis gar nicht auf Bil­dern fest­hal­ten konn­te, was sicher­lich auch der Tat­sa­che geschul­det war, nicht allei­ne gereist zu sein. Die Ergeb­nis­se waren so lala bis frus­trie­rend. Selbst in “Damusstdufotografieren”-Orten wie die Sperr­zo­ne von Tscher­no­byl habe ich mich irgend­wann in einen Genuß­mo­dus zurück­ge­zo­gen und ein­fach die Atmo­sphä­re, die Umge­bung und den Ver­fall wir­ken las­sen. Im Nach­hin­ein bin ich froh über die Ent­schei­dung, mei­ne Umwelt im Urlaub nicht allei­ne durch einen Sucher - auf der Jagd nach dem per­fek­ten Foto - wahr­ge­nom­men zu haben.

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  3. Ja… manch­mal soll­te man sich vor­her bewusst machen, was man will: an einem Event teil­neh­men und das Event genie­ßen oder Foto­gra­fie­ren und das Foto­gra­fie­ren genie­ßen. 🙂 Bei­des gleich­zei­tig geht oft nicht so rich­tig, jeden­falls nicht für mich. Kommt aber auf das Event an.

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