Mich erreichte in meinem kleinen Forum die Frage wie ich Autofokus-Messfelder verwende, bzw. wie ich allgemein fokussiere. Wer sich zum ersten mal eine Kamera kauft macht sich nicht wirklich über das Fokussieren Gedanken. Schliesslich machen das die Kameras ja von alleine und so kann man da mal getrost einen Haken dran machen. Pustekuchen.
Irgendwann entdeckt man die grosse Blende für sich und kann sich gar nicht satt daran sehen wie alles im Hintergrund in vollkommener Unschärfe verschwindet. Das finde ich auch toll, denn so kann ich mit einfachen Mitteln mein Motiv hervorheben und muss mir keine Gedanken um den ganzen Müll im Hintergrund machen. So kann man sogar Hochzeitsfotos in einem Wohnzimmer mit Schrankwand Marke “Barmbeker Barock” machen und die Leute lieben sie.
Die grosse Blende lieben viele von uns, ich auch. Aber spätestens wenn man seine Blende bei f/1.4 festgetackert hat und nach einem kompletten Shooting 80% der Bilder wegschmeissen muss, weil man merkt, dass sie unscharf sind, fängt man an sich wieder über den Autofokus Gedanken zu machen.
Aber warum?
Grosse Blende heisst wenig Schärfentiefe. Wenig Abstand heisst auch wenig Schärfentiefe und viel Brennweite ebenso. Spielt mal mit dem DOF-Calculator rum. Bei einem FX-Sensor, 85mm, f/1.4 und 2m Abstand habe ich eine Schärfentiefe von lausigen 4cm. Das ist echt nicht viel. Vor allem ist dieser Bereich extrem sensibel gegenüber Bewegung. Bewegst Du oder das Model sich nach dem Fokussieren nur um einen winzigen Zentimeter, so fängt man sich eine leichte Unschärfe ein. Am schlimmsten daran ist, dass man diese Unschärfe auf den kleinen Kameradisplays nicht sieht, sondern erst später am Rechner.
Viele von Euch werden mit einem Fokussmesfeld arbeiten. Wahrscheinlich mit dem mittleren. Ihr fokussiert auf die Augen und verschwenkt die Kamera anschliessend um den Bildaufbau vorzunehmen. Genau dieser kleine Schwenk kann Euch die Schärfe kosten. Selbst wenn Ihr Euch und das Motiv sich nicht bewegen, verändert Ihr durch den Schwenk der Kamera die Entfernung und verschiebt somit den Schärfepunkt.
Meine Lösung
Kaum zu glauben, aber ich reisse die Blende nicht kompromisslos auf. Mit f/2.0 bis f/2.8 hat man auch eine geringe Schärfentiefe und tolle Freistellungsmöglichkeiten. Das hilft oft schon.
Ansonsten habe ich folgende Regel:
Ist der Abstand groß genug und/oder die Blende etwas geschlossen, dann verwende ich das mittlere Fokusfeld und mache den Bildaufbau nach dem Fokussieren. Die Regel ist ziemlich unpräzise, da gehört ein wenig Gefühl dazu. Spielt doch einfach mal mit dem DOF-Calculator rum.
Bin ich sehr nah dran (Hauptsächlich Kopf im Bild) und habe die Blende weit geöffnet, dann verschiebe ich das Fokusmessfeld und nehme den Bildaufbau vor dem Fokussieren vor.
Die Sache mit den Kreuzsensoren
Sicherlich habt Ihr auch schon davon gehört, dass es sog. Kreuzsensoren bei den AF-Feldern gibt. Diese Sensoren sind meistens in der Mitte zu finden und reagieren auf horizontale und vertikale Linien. Das sind die genausten Sensoren, die normalen reagieren nur auf horizontale Linien.
Das ist einer der Gründe warum ich den mittleren Sensor bevorzuge. Ein weiterer ist meine Faulheit. Für jedes Foto den Sensor zu verschieben ist mir zu anstrengend.
Speziell bei schlechten Lichtverhältnissen oder wenn das Motiv kontrastarm ist, werdet Ihr jedoch merken, dass man mit den äusseren Messfeldern mehr Probleme hat, als mit den mittleren Kreuzsensoren.
Ein weiterer Punkt ist die Empfindlichkeit der Kreuzsensoren in Abhängigkeit von der Blende. Vereinfacht kann man sagen: Je größer die Objektivblende umso besser kann der AF arbeiten. Der Autofokus arbeitet über Kontrast und er braucht Licht. Ihr wisst alle, dass man bei Dunkelheit nicht oder nur schwer fokussieren kann. D.h. ein Objektiv mit Blende 2.8 lässt mehr Licht rein, als eins mit 5.6. Es ist daher meistens so, dass die Kreuzsensoren ab f/2.8 noch einmal ihre Empfindlichkeit deutlich steigern und somit treffsicherer werden. Gemeint ist damit übrigens nicht die eingestellte Blende, sondern die maximale des Objektivs, denn fokussiert wird mit der maximalen Blende. Geschlossen wird diese erst, wenn man abdrückt. Bei Canon steht das soweit ich weiss sogar in der Anleitung. Bei meiner D700 habe ich dazu nichts gefunden.
Praxistipp
Ich habe schon vor langer Zeit den Fokussiervorgang von der Belichtungsmessung getrennt. D.h. bei mir fokussiert die Kamera nicht mehr, wenn ich den Auslöser antippe, sondern wenn ich die AF-Taste drücke und zwar nur dann. So kann ich mir genau überlegen ob ich erst Belichtung messen und dann fokussieren will oder umgekehrt. Ausserdem kann man so den Autofokus immer auf AF-C stehen lassen, denn sobald man den AF-Knopf loslässt, wird der Fokus nicht mehr nachgeführt. Ist auch wieder was für Faule 😉
Ich danke Dir für die mehr als ausführliche Antwort!
Hallo Paddy,
vielen Dank für den interessanten Beitrag. Seit ich mir Dein Buch “Mein Lightroom-Alltag” gekauft habe, verfolge ich Deinen Blog mit großem Interesse.
Ich selbst fotografiere auf Canon - zu privaten Zwecken. Habe mir letztens das f/1.4 50mm geholt. Bei Testaufnahmen ist mir genau DAS aufgefallen, was Du hier beschreibst: Bei Offenblende sind die anfokussierten Bereiche weniger scharf, als wenn ich die Blende ein wenig schließe. Erst ab f/2.8 wird’s langsam scharf. Dachte erst, dass das Objektiv ’ne Macke hat - aber dann habe ich mit dem Kit 18-55 mm herumprobiert und ebenfalls Testaufnahmen gemacht. Dasselbe Phänomen.
VG,
Steffen
Hallo Paddy,
Vielen Dank für die ausführliche Anleitung und vor allem auch auf “deine” Sicht. Praxisbezogene Hilfestellungen sind viel besser.
Es zeigt auch, dass man nicht alle Funktionen der Kamera nutzen kann (muss) und sich statt dessen manchmal eher auf das wesentliche konzentrieren sollte.So zusagen erst mal die klassischen Anfängerfehler beseitigen.…
Hallo, guter Beitrag! Mich würde interessieren wann und wie du manuell fokussierst. Mir ist das im Sucher eigentlich immer zu ungenau, einfach zu klein. Daher benutze ich den schrittweise eingezoomten Liveview was dann jedoch bei 10maliger Vergrösserung aus der Hand auch schon problematisch ist (da es extrem wackelt). Auf dem Stativ jedoch ist dies für mich die sicherste Methode der Scharfstellung. Jedoch stösst man gerade bei Dunkleheit auch da an Grenzen, da das Display stark verrauscht. Das wäre doch auch mal ein tolles Thema, Fokussierung bein Dunkleheit… Gruß dave aus Berlin
Ich fokussiere nicht manuell.
Ich kann es nicht finden 😉
Wo trennt man den AF von der Belichtung (D700)
Du musst den AF vom Auslöser runter nehmen und hast ihn dann nur noch auf der AF-On Taste.
Danke für die Tipps, die sind super!! Ich werde sie gleich mal ausprobieren.
Hi Paddy,
den Prxistipp habe ich noch nicht wirklich verstanden. Wenn du mit der AF Taste den Fokus einfrierst und dann später den Auslöser betätigst, darfst aber bis dahin weder du noch das Model sich bewegt haben.
Ja, das ist richtig.
Hallo Paddy,
Dein Praxistipp in Ehren, aber denke auch an die kleineren Kamera-Modelle… Du hast selbst auch die D7000. Klar kann ich mir irgendwie AF-ON auf die AF-L/AE-L- oder die Funktions-Taste legen, aber vom Auslöser bekomme ich m.W. den AF nicht weg. Dann ist manuell belichten und AF-S mit gehaltenem Auslöser die einzige Möglichkeit. Das geht mit der Zeit auch recht flüssig und sicher.
Übung minimiert den Ausschuß 😉
Grüße Markus
…andere Frage: Hattest Du mit Deiner Methode schon mal Probleme mit dem VR (z.B. mit dem 70-200 als Portrait-Linse)? Der wird doch m.W. erst mit dem Auslöser gestartet und nicht mit AF-ON. Und ab gewissen Brennweiten sieht man den Einschwingvorgang deutlich im Sucher. Mir fehlt dazu mangels AF-ON-Taste aber die Erfahrung…
Nochmal Grüße Markus
Vielen dank für den Artikel und die Lösung eines sehr lang bestehenden Problems! =)