Jessica war in letzter Minute noch reingerutscht. Ich Döspaddel hatte meinen Rückflug falsch im Kopf. Die ganze Zeit war ich der Meinung am Samstag meine Rückreise von L.A. anzutreten. Aber nein, es war Freitag. Leider konnte meine Protagonistin, eine Schauspielerin, am Freitag nicht. So ein Shit, ich wollte doch unbedingt ein Shooting an dieser Location machen. Dank des unglaublichen Organisationstalentes meiner Freundin von Canvas Casting rutschte dann aber Jessica nach. Ein Glücksgriff.
Die Sonne stand bereits tief, aber noch immer war es gleissend hell. Ich schaute mich nach einem Schattenplatz um und fand diese wunderbaren alten Holzstufen.
Meine momentanes Dreateam aus Olympus OM-D E-M1 und dem Panasonic Leica 42,5 f/1.2 sollte es richten. Blende auf f/1.2 gelockt, ISO 200 und 1/1250 Sek. Ich nehme die Stufen seitlich, um etwas Tiefe zu erzeugen. Das Klappdisplay erleichtert dem alten Mann die Arbeit bei der tiefen Kameraposition. Licht kommt von rechts und eine hauchdünne Wolkenschicht nimmt der Sonne die knallharten Schatten. Ideal, denn ich habe keine Hilfsmittel dabei.
Auch als einfacher Hintergrund sind die Holzstufen top. Genau mein Style. Auch der Style von Jessica ist grossartig. Die Sonne erzeugt ein kaum wahrnehmbares Backlight. Kameradaten bleiben unverändert.
Oh, direkt neben den Stufen ist diese Wand aus babyblauen Holzbrettern. Grossartig. Lass mal dort rüber gehen. Stell Dich einfach vor die Wand. Jessica kann stehen und ist pauschal cool.
Ich blende ab auf f/1.8. Keine Ahnung warum, denn das Nocticron ist eh immer scharf. Bei dem Bild wäre es eh egal mit welcher Blende ich es mache. Licht ist perfekt, die Bretterwand im Schatten. In meinem Rücken und gegenüber von Jessica befindet sich Strand, verdammt viel Strand. Dieser Strand reflektiert das Sonnenlicht gerade so viel, dass die Augen keine Aufhellung benötigen. Geile Location.
Ein paar Meter weiter wird die Bretterwand grün. Überall dieses Holz, wie geil. Ich nehme die Wand von der Seite. Es sind gerade mal 8 Minuten vergangen und wir haben schon so viele coole Bilder im Kasten.
Jessica zieht sich um. Wir bleiben bei der grünen Wand. Unglaublich wie jemand auf einem blauen Fass so gut aussehen kann. Am Licht hat sich nichts verändert, f/1.2. Das Nocti liefert gnadenlos ab, selten habe ich einem Autofokus so vertraut.
Macht sich auch in Schwarz/Weiss super. Diese subtile Unschärfe … ein Träumchen. Später arbeite ich Jessica noch mit dem Radialfilter in Lightroom etwas heraus.
Ein paar Meter weiter befindet sich eine Unterführung unter dem Pier. Ich raste auf meine ganz eigene ostwestfälische Art aus. Das ist genau mein Ding. Dunkel, Holz, Tunnel. Das Ding wird sofort umgetauft in Santa Paddy Tunnel. Hier hauen wir ein cooles Bild nach dem anderen raus, so dass ich jetzt bereits Angst habe zu viele Bilder zu produzieren. Egal, Vollgas.
Close-Ups mag ich besonders, da sie so intensiv sind. Das Licht wird durch den Tunnel gerichtet und kann nur von vorne kommen. Zucker.
Es ist deutlich dunkler als draussen. Jetzt liege ich bei 1/160 Sek. und ISO 200. Blende ist noch immer bei f/1.2 eingelockt. Wozu kann man das Teil eigentlich schliessen?
Ich mag dieses Jeanszeug und Bauchfrei total. Superlässig.
Noch eine Holzwand, das Zeug ist überall. Perfektes Licht.
Nun aber ab zum Wasser. Ich musste mir in Santa Monica noch schnell ein Sweat-Shirt kaufen, da es an diesem Tag doch etwas windig und kühl war. Mein Glück, denn am Strand war nicht viel los und etwas Brandung machte das Wasser interessant.
Wir starten auf der von der Sonne abgewandten Seite. Der Pier blockt das Licht von oben und lässt es von links kommen. I love it. Kameraeinstellungen haben sich gegenüber dem Tunnel nicht verändert. Tolles gerichtetes Licht. Der Hintergrund brennt etwas aus, so wie es sein soll 😉
Auf der anderen Seite des Piers, knallt die Sonne rein. Sie steht nun schon sehr tief. Hin und wieder erzeugt die Brandung etwas aufspritzende Gischt. Das nehmen wir. Ich wechsle auf mein anderes Arbeitstier, das Olmypus 75 mm f/1.8 und muss verdammt weit zurück gehen. Aber anders kann ich den Kram rechts und links nicht ausblenden. Da baden doch tatsächlich Leute im Meer. Die Sonne trifft Jessica von rechts. Ich drehe auf ISO 800 auf, um 1/1000 Sek. zu erreichen. Ich will die Gischt ohne Bewegungsunschärfe einfangen. Wir warten etwa eine Minute auf die Welle, dann Bam, Bam, Bam. Die OM-D nagelt mit ihren 10 Bildern pro Sekunde die Frames auf die Speicherkarte und es ist der richtige Augenblick dabei.
Nun steht die Sonne so tief, dass wir sie direkt nehmen können. Jessica kann direkt zur Sonne schauen ohne blinzeln zu müssen. Ich bleibe bei 75 mm f/1.8 und gehe bei ISO 200 auf 1/640 Sek. Ich mag direktes Sonnenlicht. Jessica hat noch einmal Klamotten gewechselt und sieht grossartig aus.
Ich fotografiere nun ganz krass gegen die Sonne. Wow, nun bin ich blind. Es soll keine Silhouette werden, daher 1/160 Sek. bei ISO 320. Warum ISO 320? Keine Ahnung.
Wir nähern uns dem Ende. Mein Model setzt sich noch einmal in den Sand und schaut zur Sonne. Tolles softes Licht jetzt. Ich bin wieder beim Nocti. f/1.2 ist leider geil.
Letzter Schuss. Jessica hat sich noch ein Bild mit der Jeansjacke gewünscht. Hey, Dein Wunsch ist mir Befehl.
1:20 h sind seit dem ersten Klick auf den Auslöser vergangen. Es sind so viele geniale Bilder im Kasten, dass ich hier nur einen Bruchteil zeige, um Euch nicht zu langweilen. Es waren nur zwei Objektive und nur f/1.2 und f/1.8 im Einsatz. Bloss nicht zu viel Getüdel mit der Technik. Wir sichten erste Ergebnisse und dem Grinsen in Jessicas Gesicht entnehme ich eine gewissen Zufriedenheit. Ich bin auch zufrieden. Es hat mal wieder geklappt. L.A., ich fange an Dich zu mögen.
Wenn Ihr das gut fandet, dann interessiert Euch vielleicht ja mein Available Light Tutorial in dem ich die Lichttechniken auch noch einmal im Detail beschreibe.
“Sechs Minuten noch am Santa Monica Pier, keiner wankt, die Sonne scheint unaufhörlich hernieder, es ist schwer, aber Model und Fotograf, sie harren aus. Wie könnten sie auch – ein solches Shooting ist nur alle parr Jahre und wann sieht man einen solchen letzten Abend, so endgeil, so packend. Jetzt Jessica am linken Flügel durch die Pfosten. Unschärfen im Gesicht werden vom Noctilux abgewehrt – und Paddy, immer wieder Paddy, der Junge aus Hamburg am Ball. Er hat den Fokus – verloren diesmal, gegen die Sonne. Welle nach innen geschwappt. Spritzer – abgewehrt. Aus dem Hintergrund müßte Paddy schießen! Paddy schießt und: Wow! Wow! Wow!”
Frei nach Herbert Zimmermann…
Hallo Paddy
toll geschriebener Bericht. Hat total Spaß gemacht den zu lesen und die Fotos sind umwerfend geworden. Schon allein die Location mit dem vielen Holz ist der Hammer, ganz zu schweigen das Model - einfach umwerfend charismatisch.
Trotzdem habe ich eine Frage. Mir ist aufgefallen das Jessica bei vielen Bildern nahezu komplett scharf ist (also ich meine jetzt nicht die Dame an sich, denn die ist es sowieso, sondern den Schärfeverlauf 🙂 ) und das bei Blende 1.2… wie schafft man das?
Ich fotografiere sehr viel mit einem 50mm 1.8 Nikkor an einer APS-C DSLR und wenn ich da auf 1.8 Blende gehe, dann habe ich zwar den Augenbereich scharf evtl noch einen Teil der Nase und des Gesichts, aber der Rest wird dann unscharf (was ich prinzipiell nicht schlecht finde - aber mich würde das dennoch interessieren wie du das machst). Danke!
Das liegt einfach am kleinen Sensor. Ich erreiche gar nicht diese extreme Unschärfe.
ah okay, danke für die Info.
Da sagt noch einer, die kleinen Schnuckelsensoren von Olympus taugen nichts. Ich fotografiere viel bei Konzerten und auch da sind das Nocticron und das 75mm von Olympus ein Traum: knackscharfe Bilder bei offener Blende mit traumhaften Bokeh.
Übrigens absolut geniales Shooting, lieber Paddy.
Die mFT haben gegenüber dem 35mm Format einen Crop-Faktor von 2. Wenn Paddy also am mFT mit f/1.2 arbeitet, entspricht das einer Freistellung von f/2.4 bei 35mm. (die f/1.8 eben ewa f/3.6)
Ich würde sagen, wenn man mit dem 75/1.8 nah ran geht um nur ein Kopf-Portrait zu machen, dann wird es mit Schärfentiefe auch dünner - aber eben bei weitem nicht so, wie mit einem 150/1.8 am ‘Vollformat’ 🙂
Da ein 50mm/1.8 an APSC zum Einsatz kommt entspricht das 75mm/2.7 (Blickwinkel + Tiefenschärfe, da 1.5x Cropfaktor) an einer Vollformatkamera. Das Nocticron sollte also geringere Tiefenschärfe aufweisen. Die ist aber auch stark vom Abstand zum Objekt abhängig. Da ich die Bilder nicht 1:1 ansehen kann, ist das vielleicht auch trügerisch, näher reingezoomt kann es auch sein, dass nur ein Auge richtig scharf ist.
Toller Post, welches Objektiv ist nun Ihr Favorit? Man muss mit dem 75mm ja weiter weg, für die selbe Objektgröße, das könnte manchmal ein Problem sein. Dennoch ist das 75mm richtig scharf und liefert eine
extrem geringe Tiefenschärfe, um manchmal jdn. aus einem Pulk heraus zu isolieren.
An der Oly hast du einen Verlängerungsfaktor von x2.
D.h. du machst aus einem dem Panasonic 42,5/1.2 ein 85/2.4 im sog. FX-Format. Paddy hat ja auch geschrieben, dass er mal auf 1.8 abgeblendet hat, dass dann eine 3.6’er Blende im Vollformat wäre. Daher kommt es, dass der Schärfeverlauf vielleicht nicht so krass wirkt. Und es ist ja immer auch noch der Abstand zum Objekt entscheidend 😉
@Paddy: Ganz großes Kino. Daumen rauf!
Hmm, stimmt, den Crop-Faktor habe ich nicht bedacht und wenn man zum Beispiel die Close-Ups anschaut, dann hat man da auch ein Auge scharf und das andere nicht (was nicht heisst das die Bilder nicht toll sind, ganz im Gegenteil). Und klar muss man den Abstand zum Objekt auch als Faktor bedenken.
Trotzdem bin ich von der optischen Qualität der Bilder beeindruckt (und auch von der künstlerischen, aber das sagte ich ja schon)
Zitat:“Ich raste auf meine ganz eigene ostwestfälische Art aus.”.…ich hau mich gerade wech!
Viele Grüße aus Paderborn (der Nachbarstadt, der Stadt die es nicht gibt)
André
Beeindruckende Fotos, auch technisch: Ich staune, was man aus dem kleinen Sensor rausholen kann! Mich würde mal die Erfahrung mit der Olympus Stylus 1 interessieren, da für mich ein Kandidat für die ideale Immer-dabei-Kamera; messtechnisch wurde das Objektiv aber irgenwo ziemlich niedergemacht.
Hallo Paddy,
toller Bericht! Ich mag es sehr, wie du deine Erlebnisse schilderst. Bin im September in L.A., freue mich schon rieseig auf dieses wundervolle Licht und die tollen Locations dort. Das Licht ist irgendwie ganz anders als bei uns. Hast du das auch so empfunden? Woran liegt das? An meiner Einbildung? 🙂
VG aus Frankfurt
Leon
Wunderschön. War dieses jahr 2x in Frisco und muss sagen, dass dieser Spot was magisches hat. Tolle Bilder
was für ein shooting. ich bin begeistert paddy!
“Ich nehme die Wand von der Seite. (…) Die OM-D nagelt mit ihren 10 Bildern pro Sekunde die Frames auf die Speicherkarte…” Liest sich ein bisschen wie Porno für Lichtspieler ;D
Schöne Pics, wirklich!
Sehr gut gemachte Fotoserie!
Auch wenn ich bei einigen nicht sofort den Gedanken hätte das die Location der Santa Monica Pier ist.
Besonders gut gefällt mir das Foto mit dem Meer im Hindergrund, dicht gefolgt
vom “Nocti. f/1.2” Foto.
Fotografierst du jetzt nur noch mit der Olympus OM-D E-M1 und dem Panasonic Leica 42,5 f/1.2 oder ist das dein “Dream Team” für unterwegs?
Beste Grüße
Hallo Paddy,
ein Super Bericht und klasse Aufnahmen. Ich könnte mir deine Bilder stundenlang anschauen. 🙂
Ich wünsche dir Frohe Osten
LG Heiko aus Kassel
auch wenn es vielleicht schon beschrieben wurde, verstehe ich noch nicht ganz warum du auf das 75er gewechselt hast und nicht einfach näher ran gegangen bist mit dem 42,5er
ist der Bildwinkel so unterschiedlich?
Gruß Ben
Hey Paddy. Das hat mega Spass gemacht den Bericht zu lesen! Danke. Viel Lernstoff in eine coole Story verpackt 🙂
Und die Bilder… Klasse. Hübsche Frau richtig schön umrahmt. Daumen hoch für beide
Hallo Paddy,
sehr schöner Bericht mit fantastischen Fotos! Der Schreibstil ist mal was ganz anderes (“Bam, Bam, Bam”). 🙂
Ich hätte mal eine Frage an Dich, da Du ja mit einer E-M1 und Lightroom arbeitest, die mich schon länger beschäftigt: LR tendiert dazu bei der RAW-Entwicklung Farbtöne anders zu interpretieren als beispielsweise der Oly Viewer oder die interne Engine. Das stört mich extrem bei Hauttönen, bei denen Abweichungen sehr schnell schrecklich unnatürlich aussehen. Wie handhabst Du das? Ich wäre für jeden Tipp dankbar…
Viele Grüße aus Duisburg,
Basti
Tolle Ergebnisse für den spontanen Einsatz. Super Artikel.