Und doch habe ich die Welt nicht gesehen

Foto: Jan Muesebeck
Foto: Jan Muesebeck

Fast drei Wochen war ich nun weg. Vor zwei Tagen bin ich aus Shang­hai zurück gekom­men und sit­ze hier nun bei einem ast­rei­nen Jet­lag. Wo war ich eigent­lich? Falls Du es nicht mit­be­kom­men hast, dann kannst Du alles in die­sen Arti­kel noch ein­mal nachlesen.

Bis auf eini­ge Posts auf Face­book und Insta­gram habe ich nicht viel von mir gege­ben. Inter­net ist auf dem Schiff lei­der Man­gel­wa­re. Zwar gibt es eine Satel­li­ten­ver­bin­dung, aber die­se erin­nert doch irgend­wie an ein Modem mit 9600 kbit. Mobil­funk ist auch nur in Küs­ten­nä­he ver­füg­bar und dann ist das Roa­ming recht teu­er. Ich weiß momen­tan gar nicht so rich­tig wo ich anfan­gen soll. Es waren so wahn­sin­nig vie­le Ein­drü­cke und ganz vie­le ver­schie­de­ne The­men, die es gilt irgend­wie fest­zu­hal­ten. Ich fan­ge ein­fach mal an.

Bevor ich an Bord der Lever­ku­sen Express ging, sind mir so vie­le Gedan­ken durch den Kopf geschos­sen. Teil­wei­se total bana­le Din­ge, wie die Fra­ge, ob es eine Wasch­ma­schi­ne an Bord gibt. In den drei Tagen Sin­ga­pur hat­te ich immer­hin schon mein hal­bes Arse­nal an T-Shirts durch­ge­schwitzt. Immer­hin gab mir der Auf­takt in Sin­ga­pur Hoff­nung, ein paar Kilo wäh­rend der Rei­se abzu­neh­men. Ich latsch­te pro Tag zwi­schen 20.000 und 30.000 Schritte.Die Rech­nung hat­te ich aller­dings ohne den Schiffs­koch gemacht. In Sin­ga­pur hat­te ich noch ein paar Tage, die ich zum foto­gra­fie­ren für’s nächs­te Hash­tag-Maga­zin nutz­te. Kurz zuvor mel­de­te sich noch Jan bei mir, ein Deut­scher in Sin­ga­pur, der anbot sich mit mir zu tref­fen. Dafür lie­be ich ja Social Media. Bei all dem unnüt­zen Gela­ber gibt es halt die­se tol­len Erleb­nis­se, von denen ich ger­ne erzäh­le. Da lernt man mal eben jeman­den aus Deutsch­land in Sin­ga­pur ken­nen und ver­ab­re­det sich zum Bier­chen. Dar­aus sind dann meh­re­re Bier­chen an jedem Abend gewor­den und zum Abschluss hat Jan noch ein paar Fotos vom Aus­lau­fen unse­res Schif­fes gemacht. Gran­di­os die­ses Social Media.

Leverkusen Express

Am meis­ten schwirr­te mir die Fra­ge durch den Kopf wie ich an Bord emp­fan­gen wer­de und wie ich über­haupt auf’s Schiff kom­me. Ich war zwar schon mal auf einem Damp­fer von Hapag-Lloyd, aber nun war ich in Sin­ga­pur und muss­te irgend­wie auf das Ter­mi­nal, von dort zum Schiff und dann auch noch rauf. Glück­li­cher­wei­se war Hapag-Lloyd so freund­lich mir einen Fah­rer zu orga­ni­sie­ren, der mich im Hotel abhol­te. Aber eins war sicher: Am Ende der Gang­way wird kein Con­cier­ge ste­hen, der sich um mein Gepäck und die Zim­mer­re­ser­vie­rung kümmert.

In Sin­ga­pur reg­net es fast täg­lich. Glück­li­cher­wei­se immer nur kurz. Dann kön­nen aber schon mal ein paar Liter run­ter kom­men. Ich erwisch­te genau die­sen Regen­schau­er, als ich an Bord gehen woll­te. Der Fah­rer hat­te mir bei dem Papier­kram gehol­fen, was echt viel wert war. Nun stand ich vor der Gang­way. Die Bil­der pas­sen übri­gens nicht immer zeit­lich zum erzähl­ten. Als ich die Gang­way im Regen hoch keuch­te, habe ich voll­kom­men ver­ges­sen Fotos zu machen 😉

Gangway

Ganz schön enges Teil mit über 80 Stu­fen. Da wer­de ich nie­mals alles auf ein­mal rauf bekom­men. Ich hat­te ja neben mei­nem Kof­fer und dem Foto­ruck­sack auch noch die Droh­ne dabei. Der Fah­rer mein­te, ich sol­le mir von oben Hil­fe holen. Ne klar, gleich auf Pus­sy machen und den Lift­boy rufen? Nie­mals. Wie­so ist der Fah­rer eigent­lich nicht aus­ge­stie­gen? Es reg­ne­te wei­ter Bind­fä­den und ich mach­te mich auf den Weg nach oben.

Gangway-Wache

Oben wur­de ich von der Gang­way-Wache begrüßt. Offen­bar hat­te es schon die Run­de gemacht, dass ein Foto­graf an Bord kommt. Puh, immer­hin hat­te man mei­ne Reser­vie­rung erhal­ten. Als mich der zwei­te Offi­zier auf Deutsch begrüß­te war ich erst ein­mal erleich­tert. Immer­hin jemand, der mich die ers­ten Schrit­te an die Hand nimmt. Wenn einem nie­mand was sagt, dann hat man auf so einem Schiff per­ma­nent das Gefühl etwas fal­sches zu machen oder irgend­wo hin zu gehen, wo man bes­ser nicht hin gehen soll­te oder darf. Ich muss mich erst ein­mal zurecht fin­den. Der Zwei­te führ­te mich auf mei­ne Kam­mer. Ich hat­te damit gerech­net in einem Eta­gen­bett in einer 4-Mann-Koje zu näch­ti­gen. Wenn ein Schiff unter deut­scher Flag­ge fah­ren will, muss es gewis­se Stan­dards erfül­len. Dazu gehört auch, dass jeder an Bord eine eige­ne Kam­mer hat. Als ich das Schild “Owner” vor mei­ner Kam­mer sah, atme­te ich auf. Die Kabi­ne des Schiffs­eig­ners kann doch nicht die schlech­tes­te sein. War sie auch nicht, zwei Zim­mer und ein klei­nes Bad mit Dusche. Ich glau­be hier könn­te ich es die nächs­ten zwei Wochen aus­hal­ten. Mein Gott, zwei Wochen auf einem Schiff.

Wie wird der Käptn wohl sein? Er war nicht an Bord. In Sin­ga­pur ver­brach­te er einen Tag an Land und ich soll­te ihn heu­te gar nicht zu Gesicht bekom­men. Statt­des­sen traf ich zwei alte Bekann­te von mei­ner Rei­se mit der Kua­la Lum­pur Express wie­der. Der ers­te Offi­zier (Chief Mate) und der Chef­inge­nieur (nur Chief) erin­ner­ten sich noch an mich. Den Käptn traf ich dann am nächs­ten Mor­gen. Er ist so ein rich­ti­ger Kapi­tän, wie man sich einen Kapi­tän halt vor­stellt. Er hat zwei­fels­frei das Kom­man­do. Alle hören auf ihn, fol­gen sofort sei­nen Anwei­sun­gen. Ihn umgibt eine Aura aus vie­len Jah­ren Erfah­rung auf See. Eine ech­te Auto­ri­tät an Bord. Dabei aber immer freund­lich und selbst hilfs­be­reit, sich nicht zu scha­de der Mann­schaft die Tür auf­zu­hal­ten und dar­auf bedacht den Kadet­ten viel bei­zu­brin­gen. Auf der Brü­cke stets extrem kon­zen­triert, aber den­noch hat er mir jede Fra­ge aus­führ­lich beant­wor­tet. Er trägt die gro­ße Ver­ant­wor­tung für die Mann­schaft und das Schiff und die über­nimmt er auch.

Käptn auf Brücke

Nun ging es los. Wir leg­ten in Sin­ga­pur ab. Der Lot­se war schon an Bord, der Schlep­per mach­te fest um uns zu dre­hen und nun hiess es Lei­nen los für mein Aben­teu­er. Einer mei­ner Lieb­lings­plät­ze ist die Nock. Das sind die bei­den Aus­le­ger an Steu­er- und Back­bord auf der Brü­cke. Von dort kann man direkt run­ter aufs Was­ser oder den Kai gucken. Hier befin­det sich auch jeweils ein Steu­er­stand von dem das Schiff beim Ein- und Aus­lau­fen manö­vriert wird. Unfass­bar, dass die­se Rie­sen meter­ge­nau geparkt werden.

Hafen SingapurNock

Der ers­te Stop soll­te She­kou sein. Das waren vier Tage auf See bis zum Ziel. Das soll­te genug Zeit sein um sich ein­zu­ge­wöh­nen und mit der Droh­ne ein paar Luft­auf­nah­men vom Schiff auf offe­ner See zu machen. Aber davon erzäh­le ich Euch noch ein­mal in einem extra Bei­trag. Ich nut­ze die Zeit um über­all rein­zu­schnüf­feln und für Por­traits von der Mann­schaft. Die Offi­zie­re sind groß­teils Deut­sche, die Mann­schaft haupt­säch­lich Fili­pi­nos. Der Bord­elek­tri­ker war ein Pole, mit dem ich mich super ver­stand. Lag wohl auch dar­an, dass er sich selbst für Foto­gra­fie interessierte.

Wenn man dann erst mal auf offe­ner See ist und zu allen Sei­ten hin nichts als Was­ser sieht, fängt man an nach­denk­lich zu wer­den. Ich befin­de mich auf einem rie­si­gen Con­tai­ner­schiff und wir sind Wind, Wet­ter und Was­ser aus­ge­setzt. 366m Stahl und doch fühlt man sich win­zig. Man steht auf der Brü­cke und kann bei etwas See­gang sehen, wie sich das Schiff in sich ver­dreht. Es ist alles fle­xi­bel, um den unglaub­li­chen Kräf­ten nach­zu­ge­ben. Sie zu bezwin­gen hät­te eh kei­ne Aus­sicht. Man schaut auf den Vor­mast und sieht, wie er sich gegen­über des Hori­zonts lang­sam hebt und wie­der senkt, obwohl wir nur Wind­stär­ke 3 haben, ein lau­es Lüft­chen. An man­chen Tagen haben wir auch schon mal eine 5 oder 6, dann sind die Wel­len auch mal drei bis vier Meter hoch. Von der Nock sind die Wel­len schwer ein­zu­schät­zen. Hier steht man knapp 50 m über dem Was­ser. Das ist schon so hoch, dass einem der Bezug fehlt. Wir legen in vier Tagen die Stre­cke nach She­kou zurück und haben tau­sen­de von Con­tai­nern gela­den. Maxi­mal fasst die Lever­ku­sen Express 13.200 Con­tai­ner. Das Schiff ist so rie­sig, so viel Ladung, unglaub­li­che Wer­te, dazwi­schen Kühl­con­tai­ner und Gefahr­gut. Das Meer ist aber noch viel grö­ßer, da ist das Schiff nur ein win­zi­ger Punkt. Ich füh­le mich plötz­lich sehr klein. Man fängt auto­ma­tisch an nachzudenken.

Navigation von Hand mit der Seekarte Vollmond auf See

Der ers­te Offi­zier hat immer abends Wache, ich glau­be es war von 16:00 bis 20:00 Uhr. Bit­te nicht auf die Zei­ten fest­na­geln. Ich saß oft abends mit ihm auf der Brü­cke und wir haben gere­det. Er hat mir viel erzählt über sich und die See­fahrt. Neben vie­len schö­nen Erleb­nis­sen sind da aber auch sehr trau­ri­ge Geschich­ten bei von See­leu­ten, die an Bord bei schlech­tem Wet­ter ihr Leben ver­lo­ren haben. Ich hat­te mir ja irgend­wie gewünscht auch so ein paar rich­tig kras­se Schlecht­wet­ter­fo­tos machen zu kön­nen. Aber schlech­tes Wet­ter wünscht sich hier wirk­lich nie­mand. Ich spre­che den Wunsch nicht laut aus und bin am Ende auch froh, dass wir sehr ruhig durch­ge­kom­men sind. Zu der Zeit war Tai­fun-Sai­son im süd­chi­ne­si­schen Meer. Wir beka­men alle sechs Stun­den ein Wet­ter­up­date und ver­folg­ten wie sich die Tai­fu­ne beweg­ten. Da will man nicht wirk­lich rein kom­men. Weni­ge Tage bevor wir Kaoh­si­ung in Tai­wan errei­chen, ist dort ein Wir­bel­sturm durch­ge­gan­gen. Im Hafen hat sich ein Schiff los­ge­ris­sen und ist in die Kai­mau­er gerast. Zwei der rie­si­gen Lade­krä­ne sind dabei umge­knickt, als sei­en sie Stroh­häl­me. Ich habe davon nur ein schlech­tes Bild, das aus einem Video expor­tiert wur­de. Schaut Euch mal den Bug des Schif­fes an. Unten abra­siert. Dane­ben liegt der Kran halb im Was­ser. Sowas macht Wetter.

Taifun-Schäden in Kaohsiung

Wir haben die moderns­te Tech­nik, die Schif­fe fah­ren fast von allei­ne und doch geht am Ende nichts über die Erfah­rung einer guten Mann­schaft. Ich wun­der­te mich auch, dass hier stän­dig in den See­kar­ten radiert und gezeich­net wird. Die Kar­ten sind doch im Com­pu­ter und unser Kurs wird dort elek­tro­nisch fest­ge­legt. Wozu noch Kar­ten? Da ist man bei Hapag-Lloyd etwas alt­mo­disch. Die Papier­kar­te bleibt das Maß aller Din­ge. Trotz Com­pu­ter wer­den alle Kur­se von Hand ein­ge­zeich­net. Ich mag das. Ein biss­chen Tra­di­ti­on und zudem sol­len die Kadet­ten auch ler­nen, wie man navi­giert. Über den Com­pu­ter ist es näm­lich kei­ne Kunst. Auch das alles Maß­nah­men für Ernstfälle.

Seekarte

Die Tai­fu­ne soll­ten unse­re Rei­se noch eini­ge male auf­hal­ten. Teil­wei­se muss­ten wir stun­den­lang war­ten, bevor wir den nächs­ten Hafen anlau­fen konn­ten. Die Zeit ver­such­ten wir wie­der her­aus zu holen, indem wir danach mit vol­ler Dreh­zahl fuh­ren. Ja nach Wind und Strö­mung kamen wir dann auf ca. 22 kn. Aber wir hat­ten Glück, wur­den von Tai­fu­nen ver­schont. Beson­ders fas­zi­niert haben mich die Aus­wir­kun­gen auf das Meer. Obwohl es teil­wei­se wind­still war, hat­ten wir See­gang mit Wel­len von meh­re­ren Metern. Schwell der von den Tai­fu­nen kam. Aus­läu­fer des Wet­ters, teil­wei­se mit Tagen Ver­zö­ge­rung. Trotz schö­nem Wet­ter tauch­te der Bug des Schif­fes per­ma­nent ins Was­ser ein und wie­der auf.

Wulstbug

Um mal zu zei­gen, wie groß das Schiff eigent­lich ist, eig­nen sich immer Bil­der mit Men­schen. Hier zei­ge ich eins, das ich mit der Droh­ne auf­ge­nom­men habe. Na, fin­det ihr mich?

Bug der Leverkusen Express

Ich habe an Bord viel Zeit nach­zu­den­ken. Din­ge, über die wir uns an Land den Kopf zer­bre­chen, wer­den hier unwich­tig. Obers­tes Gebot ist die Sicher­heit des Schif­fes und der Mann­schaft. Im Not­fall muss man sich selbst hel­fen, denn es kann dau­ern bis Hil­fe ein­trifft. Auch ein Grund für die Dis­zi­plin und den Umgangs­ton an Bord. Hier herrscht eine strik­te Hier­ar­chie. Alle sind sehr dis­zi­pli­niert und machen ihren Job gewis­sen­haft. Jeder hat genaue Auf­ga­ben und Zustän­dig­kei­ten. Als ich an Bord ging, gab es eine Sicher­heits­ein­wei­sung. Es wur­den alle sicher­heits­re­le­van­ten Sys­te­me gezeigt und deren Benut­zung erklärt. Nicht dass ich mir alles mer­ken konn­te, aber es ist schon beein­dru­ckend was es alles an Sicher­heits­sys­te­men an Bord gibt. Wäh­rend des Trips wer­den in regel­mä­ßi­gen Abstän­den Sicher­heits­übun­gen durch­ge­führt, die Ret­tungs­bo­te zu Was­ser gelas­sen und Feu­er­übun­gen absol­viert. Feu­er ist mit das Schlimms­te, was an Bord pas­sie­ren kann. Am nächs­ten Tag fin­de ich sogar mei­nen Namen an einem der Ret­tungs­bo­te. Es ist genau fest­ge­legt wer im Not­fall in wel­ches Ret­tungs­boot zu stei­gen hat.

Rettungsboot

Unse­re Rou­te führt uns von She­kou in Chi­na nach Kaoh­si­ung und dann nach Kwan­gyang in Tai­wan. Anschlies­send geht es nach Bus­an in Süd­ko­rea und letzt­lich nach Shang­hai, wo mein Teil der Rei­se endet. Die Män­ner sind vie­le Mona­te an Bord, die Fili­pi­nos bis zu acht Mona­te. Eine wahn­sin­nig lan­ge Zeit. Nach den ers­ten zwei Tagen haben mich die Män­ner ken­nen­ge­lernt und las­sen es zu, dass ich ihnen auf Schritt und Tritt über die Schul­ter schaue. Wie über­all gibt es natür­lich eini­ge die nicht so ger­ne foto­gra­fiert wer­den und ande­re, die sich rie­sig freu­en ein paar Bil­der für die Fami­lie zu bekom­men. Man­che fan­gen sogar rich­tig an zu posen. Ich bin eine will­kom­me­ne Abwechs­lung und kann mich frei an Bord bewegen.

Seemann Schiffskoch Arbeiten am Dieselgenerator

Die Bil­der sind kei­ne Mar­ke­ting-Auf­nah­men, son­dern das ech­te Leben an Bord. Es ist kein bezahl­ter Auf­trag und ich habe kei­ne Auf­la­gen bzgl. der Fotos, kann trei­ben was immer ich will. Dass Hapag-Lloyd das geneh­migt hat, ist schon ein rie­si­ger Ver­trau­ens­be­weis. Immer­hin ist das Schiff nicht nur Arbeits­platz, son­dern auch pri­va­ter Lebens­raum. An man­chen Aben­den trifft man sich zum Bier­chen an der Bar. Ein Pool ist eben­so vor­han­den, wie ein Sport­raum. Und eines Abends wur­de auch eine amt­li­che Karao­ke­sau­se beim Geburts­tag des Schiffs­me­cha­ni­kers gefei­ert. Im Frei­zeit­raum steht ein Schlag­zeug, Gitar­ren und ein Kicker. Etwas Ablenkung.

Freizeitraum  Karaoke an Bord

Kurz bevor wir einen Hafen anlau­fen kommt ein Lot­se an Bord. Ein beson­de­res Schau­spiel ist für mich das Öff­nen der Lots­en­tür, denn hier ist man dem Was­ser näher als irgend­wo sonst auf dem Schiff. Man meint es anfas­sen zu kön­nen, obwohl es doch meh­re­re Meter sind. Das Lot­sen­boot kommt ange­rauscht und legt sich neben die Lever­ku­sen Express. Alles in Fahrt natür­lich, wobei die in Hafen­nä­he schon deut­lich gedros­selt wur­de. Es geht wahn­sin­nig schnell und mit einem gro­ßen Schritt ist der Lot­se an Bord, wird sofort auf die Brü­cke gebracht. Der Lot­se kennt die loka­len Gewäs­ser bes­ser als die Kapi­tä­ne und assis­tiert dabei in den Hafen ein­zu­lau­fen und anzu­le­gen. Er weiss genau, wie man am bes­ten rein kommt. Man­che Lot­sen sind sehr inter­es­siert an dem, was ich mache. Der Lot­se aus Bus­an foto­gra­fiert selbst und posiert bereit­wil­lig. Der Chi­ne­se ist nicht so erpicht dar­auf, foto­gra­fiert zu werden.

Lotsenleiter Ausblick aus der LotsentürLotse Busan

Nicht in allen Häfen ist Zeit für einen Land­gang. Teil­wei­se legen wir spät an und lau­fen schon am nächs­ten Mor­gen wie­der aus. Nachts ist es schwer vom Ter­mi­nal weg zu kom­men. Die lie­gen meis­ten sehr weit außer­halb. In Kaoh­si­ung und Bus­an war ich jeweils einen Tag an Land und habe erfah­ren wie es ist, wenn man der ein­zi­ge Euro­pä­er weit und breit ist. Städ­te ohne viel Tou­ris­mus in denen ich mir wie ein Fremd­kör­per vor­kom­me. Mir fällt vor allem auf, dass nicht an jeder Ecke jemand steht und einem Tou­ri­zeug ver­kau­fen will. Eng­lisch spricht hier kaum jemand, auch eng­li­sche Schil­der gibt es nur sel­ten. Bus­an hat 3,5 Mio Ein­woh­ner und ich kann­te die Stadt vor­her nicht ein­mal. Wahn­sinn, was für eine tol­le Erfah­rung. Was ganz ande­res als New York oder Lon­don, Städ­te die tou­ris­tisch voll erschlos­sen und aus­ge­schlach­tet sind, wo jede kleins­te Knei­pe ein Geheim­tipp in einem der tau­sen­den Rei­se­füh­rer ist. Nor­ma­ler­wei­se wäre ich hier wohl nie hin­ge­kom­men. Die Zeit ist jedoch sehr knapp. In Kaoh­si­ung sind es nur eini­ge Stun­den an Land, in Bus­an immer­hin ein gan­zer Tag. Ich ver­su­che ein­fach ein paar Ein­drü­cke ein­zu­fan­gen und gebe mich mei­ner heim­li­chen Lei­den­schaft, der Street­fo­to­gra­fie hin. Ich mag die Mischung aus Fotos, wo ich ganz offen auf die Leu­te zuge­he und sie mir direkt in die Kame­ra schau­en und aus den heim­li­chen unge­stell­ten Beobachterbildern.

Streetfotografie Busan Streetfotografie Busan Streets of KaohsiungFischereihafen Busan

Ich bin etwas trau­rig, dass die Land­gän­ge im Ver­hält­nis so kurz sind. Man kann sich gar nicht auf eine Stadt ein­las­sen. Die Zei­ten in denen ein Schiff meh­re­re Tage in einem Hafen liegt, sind vor­bei. 24 Stun­den in einem Hafen sind schon lang. Meis­tens hat man das nur in den ganz gro­ßen Häfen, wie Sin­ga­pur oder Shang­hai. In Shang­hai liegt der Con­tai­ner­ha­fen übri­gens in Yangs­han. Eine Auto­fahrt von 1,5 Stun­den führt über eine 30 km lan­ge Brü­cke ins Stadt­zen­trum. Da geht man nicht mal eben an Land, denn für den Trans­port müs­sen die See­leu­te selbst sor­gen. Auch wenn Taxi­fahr­ten in vie­len asia­ti­schen Län­dern recht güns­tig sind, kann es den­noch kost­spie­lig wer­den. Beliebt sind da die See­manns­mis­sio­nen, eine Anlauf­stel­le für See­fah­rer, wo man neben etwas Ruhe, Ent­span­nung, und Frei­zeit abseits des Schif­fes auch mal eine schnel­le Inter­net­ver­bin­dung bekommt, um nach Hau­se zu sky­pen. Lei­der hat­te ich nicht das Glück auf die­ser Rei­se einen See­manns­club zu besu­chen. Einer der bei See­fah­rern belieb­tes­ten ist übri­gens in Ham­burg, der Duck­dal­ben. Ich neh­me mir vor dort mal vor­bei zu schauen.

Ich muss jetzt mal zum Schluß kom­men. Je län­ger ich schrei­be, umso mehr Gedan­ken schie­ßen mir durch den Kopf. Aber so ein Blog­post muss irgend­wann enden. Ich kann hier unmög­lich alle Gedan­ken rein packen. Zudem soll es nur ein ers­ter Ein­druck von den Erleb­nis­sen sein. Ich bin in 14 Tagen in 6 Städ­ten in 4 Län­dern gewe­sen. Ich kann noch gar nicht rea­li­sie­ren, was das für eine Erfah­rung ist. Ich füh­le mich, als wenn ich die Welt bereist hät­te und habe sie den­noch nicht gese­hen. Jetzt gilt es erst ein­mal Haus­auf­ga­ben zu machen. Ich habe über 8.000 Bil­der gemacht, davon sind rund 600 in die ers­te Aus­wahl gekom­men. Die Basis für mein Buch ist gemacht. Das Buch soll für die See­leu­te sein, ihren All­tag an Bord zei­gen, was sie sehen und erle­ben. Abge­run­det durch Street­fo­tos in den Städ­ten, wo ich an Land gehen konn­te. Zunächst sol­len noch wei­te­re Rei­sen fol­gen, damit sich nicht alles auf ein Schiff, eine Besat­zung und ein Gebiet kon­zen­triert. Da liegt noch ein Hau­fen Arbeit vor mir und ich wer­de wohl exter­ne Hil­fe bei der Bild­aus­wahl und Erstel­lung des Buches benö­ti­gen. Was ihr hier an Fotos gese­hen habt, ist nur ein win­zi­ger Aus­zug. Die wich­tigs­ten und schöns­ten Bil­der zei­ge ich Euch dann im Buch, in gedruck­ter Form, wie es sich für Fotos gehört 😉

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40 Gedanken zu „Und doch habe ich die Welt nicht gesehen“

  1. Wow. Das klingt nach mas­sig Impres­sio­nen und dei­ne Schil­de­rung ist super inter­es­sant. Das ist so ein ande­res Leben, als man es kennt und gewohnt ist, das waren garan­tiert drei abso­lut beein­dru­cken­de und berei­chern­de Wochen für dich. Da rela­ti­viert sich vie­les – wie du schon sag­test. Ich bin super gespannt auf dei­ne Bil­der und wei­te­re Erzäh­lun­gen, und auf das Buch irgend­wann sowieso!
    Lie­be Grü­ße, Doro

    Antworten
  2. Wenn man so hört, dass der Mensch so klein wirkt .… das letz­te mal habe ich eine sol­che Aus­sa­ge von einem Astro­nau­ten gehört, der auf die Erde geblickt hat. Aber bei einer Fahrt auf dem Meer kann ich das auch ganz gut nach­voll­zie­hen. “Nuss­scha­le” trifft auf unend­li­che Weiten! 🙂

    Span­nend und kurz­wei­lig erzählt, Pad­dy, wann geht die nächs­te gro­ße Fahrt los?

    Mit Fern­weh grüßt vom Niederrhein
    Manfred

    Antworten
  3. wow, ich bin sehr beein­druckt und benei­de dich auch etwas - ich sel­ber rei­se in 3 Wochen nach Süd­afri­ka, das ist auch nicht schlecht 🙂 das Buch ist fak­tisch schon bestellt!

    Grü­ße Torsten

    Antworten
  4. Ja will­kom­men zurück :-D!

    Fin­de die Bil­der rich­tig cool, gera­de das mit dem Bug und dem Was­ser, sehr beeindruckend.
    Scha­de das die Grö­ße nicht rich­tig raus kommt, also auf Bil­dern. Die Din­ger sind ja echt wahn­sin­nig groß. 

    Fin­de es rich­tig cool das du die­se Rei­se gemacht hast, das ist irgend­wie mal was Neues ;-).

    LG
    Stefan

    Antworten
  5. Die­ses völ­lig neue Gefühl nicht auf einem ” Tou­ri­damp­fer ” übers Meer zu schip­pern und Ein­drü­cke mit nach Hau­se zu brin­gen die auf einem ande­ren Schiff gar nicht mög­lich gewe­sen wären hat die­ser kur­ze Blog von dir gezeigt das es auch ande­re Mög­lich­kei­ten die Schif­fahrt so zu präsentieren.

    Antworten
  6. Ham­mer! Konn­te nicht auf­hö­ren zu lesen. Mich wür­de die­se wahn­sin­ni­ge Rück­kehr zur Ruhe rei­zen aber aber ich hät­te wohl nie sol­chen Mut mich auf eine sol­che Rei­sen ein­zu­las­sen. Mein Eng­lisch ist zu schlecht und ich beherr­sche nichts, was ande­re beein­dru­cken wür­den. Allein des­halb ist dir mein Neid in sei­ner anstän­digs­ten udn aller­höchs­ten Form gewiss. Ich freue mich auf wei­te­re Ein­bli­cke und wer­de mir das Buch auf jeden Fall kau­fen. Mein Nach­bar ist eben­falls 1. Offi­zier bei Hap­pag Lloyd. Der bekommt es dann geschenkt 😉

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  7. Der abso­lu­te Wahn­sinn. Ich mag dei­nen Schreib­stil sehr. Die Rei­se hät­te mir wahr­schein­lich auch sehr gut gefal­len. Die Bil­der fin­de ich auch sehr beeindruckend.

    Antworten
  8. Buch haben will!!!

    Ich benei­de dich ein gaaaaaaaaaaaaaaaaaaa­anzzzzzzzzzzzz klei­nes Bisssssssssssschen!!!!!!!!!!!

    Ich freu mich für dich und könn­te stu­den­lang wei­ter lesen. Du soll­test viel­leicht nicht nur ein Foto­buch aus die­ser und den hof­fent­lich noch statt­fin­den­den wei­te­ren Rei­sen mit der Hap­pag machen, son­dern auch ein beglei­ten­des eBook, mit was wie wo war­um,… Eben mit dei­nen Eindrücken.

    LG aus Breuberg
    Thorsten

    Antworten
  9. Pad­dy, das hat jetzt rich­tig Spaß gemacht, Dei­nen Bericht zu lesen. Und nein, Du musst nicht auf­hö­ren zu schrei­ben. Ein­fach wei­ter so… 🙂
    Ich lese da einen gehö­ri­gen Respekt vor der Natur und auch den Leu­ten, die die­sen Job täg­lich machen. Das alles im Foto zu doku­men­tie­ren fin­de ich eine gran­dio­se Idee und wer­de mir das Buch ganz sicher zule­gen, sobald es fer­tig ist.
    Mach wei­ter so!
    Vie­len Dank
    Dieter

    Antworten
  10. Wow Pad­dy.…
    Dein Bericht ist Ham­mer. Vol­ler Emo­tio­nen und Respekt.
    Die ers­ten Bil­der und das Video im Foto­schnack sind schon klasse.
    Da bin ich wirk­lich auf das Buch gespannt.

    Gruß Pasi

    Antworten
  11. Das Droh­nen-Video, wel­ches du im Foto­schnack ges­tern gezeigt hast, ist unfass­bar beeindruckend.
    Das hat schon Kino-Qua­li­tät. Den­ke, dass die Ree­de­rei da gestei­ger­tes Inter­es­se dran haben könnte.
    Glück­wünsch zu dei­nem Aben­teu­er. Bin gespannt, was noch folgt.

    Antworten
  12. Hi Pad­dy,

    magst du ver­ra­ten, mit wel­cher Kame­ra und wel­chen Objek­ti­ven du gear­bei­tet hast? Wäre sehr hilf­reich. Dan­ke dir & tol­le Bilder! 

    BG aus Hamburg,
    Klaus

    Antworten
  13. Tol­ler Rei­se­be­richt von dei­nem Aben­teu­er auf der “Lever­ku­sen Express” und gran­dio­se Fotoaufnahmen.
    Habe ges­tern schon den Foto­schnak ver­folgt und musst unbe­dingt auch die­sen Bericht lesen.

    Mach wei­ter so!

    Gruß
    Dirk

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  14. Tol­le Bil­der, tol­les Video, tol­le Erzäh­lung! Alles super.

    Nur einen Punkt zu der Droh­ne habe ich noch. Die Höhen­an­ga­be von 375 Metern kann nicht stim­men. Außer Du ver­wen­dest eine ande­re Kame­ra in der Droh­ne (50 mm Equi­va­lent) oder hast einen klei­nen Aus­schnitt des Bil­des verwendet.

    Die Phan­tom 4 hat ori­gi­nal ein 20 mm bzw 92 ° Blick­win­kel Weit­win­kel­ob­jek­tiv. Wenn das Bild ca. 400 m Schiff plus Was­ser dar­stellt, dann ist die Höhe 186,53 m über Wasser.

    Trotz­dem ist der Inhalt Dei­ner Repor­ta­ge wirk­lich 1. Klasse!

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  15. Sehr coo­le Rei­se! Scha­de, dass du in Bus­an nicht mehr Zeit hat­test. Korea ist ein Lang­zeit­pro­jekt von mir und habe schon öfter mal die Stra­ßen in Bus­an unsi­cher gemacht, sehr coo­le Stadt! 😀

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  16. Der Bericht spricht eine deut­li­che und schö­ne Spra­che. Kom­pli­ment. Das erin­nert mich an eine Frach­ter­rei­se auf die Kana­ren und zurück von Rot­ter­dam. Nur! 14 Tage. Aber nicht min­der span­nend. Dan­ke füür en Bericht.

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  17. Hi Pad­dy,

    Super Akti­on!

    Als jemand, der dienst­lich häu­fi­ger in Chi­na ist, zwei Fragen:
    1.) Hat­test Du ein Busi­ness- oder ein Touristenvisum?

    2.) Da Du nach She­Kou in Tai­wan und Korea warst, brauchst Du für die Wie­der­ein­rei­se nach Shang­hai ein Mul­ti­en­try Visa. Dies erhält man übli­cher­wei­se nicht beim ers­ten erteil­ten Visum. Wie hast Du das geschafft? Oder konn­test Du des­we­gen in She­Kou evtl. nicht von Bord gehen? 

    Vie­le Grü­ße aus Nan­jing, China

    PS: freue mich auf das nächs­te Magazin 😉

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    • Haha­ha­ha, das hät­te man ihm vor­her sagen müs­sen, schät­ze ich :-> :-> :-> Aber mitt­ler­wei­le gibt es die rote Pre­mi­um Edi­ti­on auch in Deutsch­land für einen ver­träg­li­chen Preis (aber orig. ist natür­lich immer was ande­res, aber immer­hin, wäre zu haben)

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